Rheinische Post Krefeld Kempen
Amerikaner verklagen Kaiser-Wilhelm-Museum
Damit hatte bei der Stadt keiner gerechnet: Aus den USA traf die Nachricht ein, dass eine Erbengemeinschaft (Trust) beim US-Bezirksgericht für den District of Columbia Klage zur Herausgabe von vier Bildern Piet Mondrians aus dem Kaiser-Wilhelm-Museum eingereicht hat. Dazu hat der Trust renommierte Kanzleien aus New York und Washington DC engagiert.
Die trügerische Stille endete mit einem lauten Knall: Vor mehr als einem Jahr stellte die Stadt Krefeld das Ergebnis ihrer Provenienzforschung zu den vier Bildern des Künstlers Piet Mondrian vor, die sich seit vielen Jahrzehnten im Kaiser-Wilhelm-Museum befinden. Seitdem hätten sie von den Mondrian-Erben aus denVereinigten Staaten, die zuvor die Herausgabe der Bilder gefordert hatten, nichts mehr gehört, erklärte ein Stadtsprecher vor wenigen Tagen auf Anfrage unserer Redaktion. Vermutlich hätten die Anspruchsteller die Sinnlosigkeit ihres Unterfangens eingesehen, hieß es.
Weit gefehlt: Sie machten inzwischen ihre Ankündigung wahr und reichten in den USA Klage gegen die Kunstmuseen Krefeld ein. In einer gemeinsamen Mitteilung der renommierten Anwaltskanzleien Herrick Feinstein LLP aus New York und Cooley LLP in der Hauptstadt Washington DC heißt es: „Die Treuhänder des Elizabeth McManus Holtzman Irrevocable Trust (die „Treuhänder“) reichten am 15. Oktober 2020 beim US-Bezirksgericht für den District of Columbia eine Klage ein, um die Herausgabe von vier Gemälden des bekannten niederländischen Künstlers Piet Mondrian („Mondrian“) zu beantragen.”
Die Gemälde hätten einen geschätztenWert von mehr als 200 Millionen US-Dollar und befänden sich zu Unrecht im Besitz der angeklagten Kunstmuseen Krefeld, einem Kollektiv von Kunstmuseen, zu dem auch das Kaiser-Wilhelm-Museum gehöre. Die Treuhänder bemühen sich außerdem um Schadensersatz für den unrechtmäßigen Verkauf oder Austausch von vier weiteren
Mondrian-Gemälden.
Der Trust halte den Rest des Nachlasses des verstorbenen Vaters der Treuhänder, Harry Holtzman, der Mondrians einziger Erbe gewesen sei. Laut Klage sei durch die Kunstmuseen Krefeld eine kontinuierliche Politik oder Praxis der Täuschung erfolgt, um die Gemälde und Informationen zu den Gemälden, die zu ihrer Entdeckung führen könnten, vor den Treuhändern zu verbergen. Dieses Verhalten habe die Treuhänder daran gehindert, zu ihrem Recht zu kommen.
Erst nach umfangreichen Recherchen der deutschen Herkunftsforscherin Monika Tatzkow und des auf Restitutionsangelegenheiten spezialisierten deutschen Anwalts Gunnar Schnabel hätten die Treuhänder von deren Besitz der Gemälde erfahren und die Rückgabe der vier Mondrian-Gemälde aus Krefeld gefordert. Die Kunstmuseen Krefeld hätten sich laut Klage jedoch geweigert, die Kunstwerke zurückzugeben und den unrechtmäßigen Verkauf oder Austausch weiterer vier Mondrian-Gemälde zu erklären. Die Treuhänder hätten zunächst versucht, diesen Streit außergerichtlich beizulegen. Die Kunstmuseen Krefeld hätten die Ansprüche abgelehnt, so dass die Mandanten gezwungen gewesen seien, rechtliche Schritte zur Durchsetzung ihrer Rechte einzuleiten, erklärten die amerikanischen Anwälte.
Mondrian, der als einer der größten Künstler des 20. Jahrhunderts gelte, habe die acht Gemälde in den 1920er Jahren geschaffen. Er sei gebeten worden, die Bilder für eine große Ausstellung auszuleihen, die im Kaiser-Wilhelm-Museum habe beginnen sollen. Infolgedessen seien die Gemälde 1929 zu diesem Zweck ins Museum geschickt worden. Die Ausstellung aber habe
nie stattgefunden. Trotzdem habe das Kaiser-Wilhelm-Museum die Gemälde weiterhin in seiner Obhut und Kontrolle behalten. 1933 sei das NS-Regime in Deutschland an die Macht gelangt und habe ein Programm gestartet, um Deutschland von der so genannten entarteten Kunst zu befreien – das bedeute, von modernen Kunstwerken wie Mondrians Gemälden.Während des Krieges hätten die Nazis eine Reihe von Direktoren eingesetzt, um das Kaiser-Wilhelm-Museum zu leiten. Die Gemälde seien den Nazis nur deshalb entgangen, weil sie während der Zeit der nationalsozialistischen Kontrolle nicht in das Inventar des Museums aufgenommen worden seien.
Mondrian, der als „entartet“bezeichnet und vom NS-Regime bedroht worden sei, sei 1938 nach London geflohen. „Mit Hilfe seines Sponsors und engen Freundes Har
ry Holtzman, des verstorbenen Vaters der Treuhänder und Mondrians einzigen Erben, floh Mondrian nach New York“, so die Juristen. Mondrian sei kurz danach im Jahr 1944 gestorben. Er habe geglaubt, dass seine Bilder für immer für ihn verloren gewesen seien.
In der Klage wird aufgeführt, dass die Gemälde nach dem Zweiten Weltkrieg im Kaiser-Wilhelm-Museum wieder aufgetaucht seien und das Museum zu Unrecht vier davon verkauft oder gegen andere Kunstwerke ausgetauscht habe. Neben der Herausgabe der vier Mondrian-Werke fordern die Treuhänder auch die Kunstwerke, die gegen vier weitere Mondrian-Gemälde eingetauscht oder mit dem Erlös aus demVerkauf gekauft worden seien – darunter Kunstwerke von Georges Braque, Marc Chagall, Paul Klee und Henri Matisse, Joan Miró und Pablo Picasso.