Rheinische Post Krefeld Kempen
Wohl überlegt anstatt emotional
Hohe Heimniederlagen haben oft Folgen: Nach dem 0:3 gegen die Würzburger Kickers im Januar 2019 musste Stefan Krämer gehen. Nach dem 0:3 gegen den SV Waldhof Mannheim im September 2019 stürmte Präsident Mikhail Ponomarev wutentbrannt in die Kabine, Trainer Heiko Vogel musste gehen. Und diesmal?
Nach dem 0:4 gegen den SV Wehen Wiesbaden passierte zunächst einmal nichts. Während einige Kritiker geradezu danach gierten, Ponomarev möge doch erneut reflexartig handeln und den Trainer raus schmeißen, bewahrte dieser die Ruhe und gönnte sich Stunden des Nachdenkens. Das war aus mehreren Gründen gut.
Dabei hätte der Präsident nach der denkwürdigen Analyse des Trainers genügend Argumente gehabt, sich von ihm zu trennen. Schließlich gab es durchaus Beobachter, die Krämers Selbstkritik geradezu als Bitte um einen Rauswurf gedeutet hatten. Denn so manches, was dem Coach über die Lippen kam, durfte er denken, aber so nicht öffentlich sagen, denn es ist nur ein schmaler Grat, auf dem die berechtigte Selbstkritik umkippt und zum Autoritätsverlust führt.
Ponomarev stellen sich viele Fragen, die nach Antworten suchen und zu einem Urteil führen, das die Basis für Entscheidungen ist: Kann Stefan Krämer die Mannschaft noch einmal aufrichten?
Ist er der richtige Trainer für diese Mannschaft? Kann ein anderer Trainer mit dem Team erfolgreicher sein? Und wer? Und war der Umbruch von satten Altstars zu einem Talentschuppen zu radikal?
Ponomarev hat mit Trainerwechseln ebenso schlechte Erfahrungen gemacht wie mit ehemaligen Top-Spielern. Deshalb reagiert er diesmal nicht emotional, sondern nimmt sich Zeit. Die hat er, denn es kommt nicht auf ein paar Tage an. Schließlich wird die Saison nicht im Oktober entschieden. Es bedarf einer Entscheidung – nicht aus Aktionismus, sondern aus Überzeugung.