Rheinische Post Krefeld Kempen
Radomskis Erfolgsgeheimnis
Die CDU-Bundestagsabgeordnete Kerstin Radomski ist am Montagabend erneut zur Kandidatin für den Wahlkreis 114 gewählt worden. Gegenkandidaten gab es nicht, der Zuspruch war groß: Sie erhielt auf der Delegiertenversammung in Krefeld 62 von 64 Stimmen. Was macht sie richtig? Ein Porträt.
Ihre schwerste politische Krise? Vermutlich der Angriff des „Krefelder Kreises“im Winter 2016. Der Initiator, der Unternehmer Gerald Wagener, kündigte seinerzeit eine Kampagne gegen die CDU-Bundestagsabgeordneten Ansgar Heveling und Kerstin Radomski an; er warf ihnen vor, zu Merkel-treu und profillos zu sein, interessiert vor allem an der eigenen Karriere. Die Sache hat sich erledigt, weil Wagener rechtzeitig eingesehen hat, dass er, wenn er Schwarz schwächt, Rot-Rot-Grün bekommen könnte. Flugs unterstütze er Radomski.
Das Interessante ist: Der Vorwurf der Profillosigkeit war zumindest für den Blick von außen plausibel. Es gibt bis heute nicht das große Projekt, den großen Konflikt, den großen Erfolg, der mit dem Namen Radomski verbunden wäre. Dennoch
Sie meidet Schlachten,
erst recht Schlammschlachten,
und setzt auf Positiv-Nachrichten
hat sie sich beeindruckend entwickelt und bei der Bundestagswahl 2017 den Sozialdemokraten sogar direkt den Wahlkreis abgejagt, der seit 2002 vom SPD-Mann Siegmund Ehrmann abonniert zu sein schien. Und es geht weiter: Sie hat bei der Bundestagswahl 2021 beste Chancen, zum dritten Mal in den Bundestag einzuziehen. Die CDU ist stark, liegt nach neuestem ZDF-Politbarometer bei 38 Prozent, die SPD dümpelt bei 15 Prozent dahin. Stand heute: Radomski kann mit dem Rückenwind einer CDU-freundlichen Großwetterlage rechnen.
Rückblick. Als Radomski sich 2009 erstmals um das Direktmandat im Bundestagswahlkreis Krefeld II – Wesel II bewarb, zu dem Teile Krefelds, Neukirchen-Vluyn und Moers gehören, hatte man den Eindruck: Da wurde eine Quotenkandidatin aus dem berühmten Hut gezaubert. Die Christdemokraten hatten bekanntlich in Großstädten und bei Frauen Zuspruchprobleme; die älteren Semester im Kader der etablierten Parteien standen (ob fair oder nicht) unter dem Generalverdacht, uninspirierte Parteiknechte zu sein. Radomski erschien vor diesem dunklen Hintergrund wie das helle Projekt Gegenteil: Frau, jung, Mutter. Sie strahlte die Leichtigkeit und Frische aus, die im Politikbetrieb oft vermisst wird. Wenn man sich einen Kandidaten hätte schnitzen können, wäre vermutlich ein Radomski-Abbild entstanden.
Zwar unterlag Radomski bei der Bundestagwahl 2009 mit 35,1 Prozent der Erststimmen, aber sie holte doch gegen den übermächtig wirkenden SPD-Mann mehr, als man ihr zugetraut hatte.
Die CDU bewies langen Atem und hielt an Radomski fest. Bei der Bundestagswahl 2013 scheiterte sie mit 40,1 Prozent der Erststimmen nun sehr knapp an Ehrmann, zog aber über Platz 40 der Landesliste NRW in den Bundestag ein. Bei der Bundestagswahl 2017 gelang Radomski dann eine kleine Sensation. Sie jagte der SPD eine sichere Bank ab und holte den Wahlkreis erstmals direkt für die CDU.
Der Erfolg war nicht nur der allgemeinen Schwäche der SPD geschuldet, er ging auch auf Radomski zurück. Sie lernte schnell, wurde zur Netzwerkerin an der Parteibasis und war in der Region vor allem mit Positivnachrichten präsent. Dass sie neben Krefeld Moers und Neukirch-Vlyn nicht vernachlässigte, sondern überall bienenfleißig unterwegs war, wird ihr in der CDU hoch und respektvoll angerechnet.
Sie erarbeitete sich erfolgreich den Ruf einer Kümmerin.
Wenn es Geld aus Berlin für Projekte im Wahlkreis gab, war sie dabei. Sie zog in solchen Fällen in Berlin oft mit den Kollegen Heveling (CDU) und Otto Fricke (FDP) an einem Strang. Eine Kleinigkeit ist das nicht; die Krefelder Abgeordneten hatten und haben geschickt zu ackern, um Förder-Geld für Krefeld einzufädeln. Und so ist Radomskis Name verbunden mit Projekten wie dem Moers-Festival, der Krefelder Rennbahn, dem Stadtbad Neusser Straße, der Linner Drehbrücke, der Moerser Stadtkirche, der Sanie
rung der A40-Autobahnbrücke. Zuletzt konnte sie Fördermillionen für die Sanierung der Grotenburg vermelden, und ihr Name fiel im Zusammenhang mit 450.000 Euro an Fördermitteln zur Rettung des Uerdinger Klärwerks.
Und sie war und ist bei gesellschaftlichen Terminen imWahlkreis präsent.Wenn bei der Steckenpferdverleihung ein Fotograf in der Nähe ist, setzt sie rasch ihre Prinzengardemütze auf. Ein Foto mit ist besser als ein Foto ohne. So ist das Geschäft, so geht das kleine Einmaleins für Politiker. Radomski beherrscht es.
Ihr Erfolgsgeheimnis folgt – etwas
In der CDU rechnet man
ihr hoch an, dass sie auch in Moers und Neukirchen-Vluyn fleißig ist
abgewandelt –– Bill Clintons Satz „It’s the economy, stupid“(etwa: entscheidend ist die Wirtschaft, Dummkopf). Radomski handelt nach dem Motto: It’s the positive, stupid (entscheidend ist das Positive, Dummkopf). Sie meidet öffentlich ausgetragene Konflikte, sie will nicht in Schlachten, schon gar nicht Schlammschlachten verwickelt werden. Bei Streit ist eben die Gefahr groß, sogar als Sieger beschädigt zu werden. Ein falscher Zungenschlag, und schon landet man in der Schublade „Gift und Galle“für Unsympathen. Nicht umsonst gibt es auf Bundesebene für die Abteilung Zank und Zerrüttung einen eigenen Posten: den des Generalsekretärs. Alte Erfahrung: Streithanseln gewinnen selten Herzen, noch seltener Wahlen.
Bei all dem ist Radomski in Berlin in wichtigen Ausschüssen unterwegs, allen voran; im mächtigen Haushaltsausschuss. Als Berichterstatterin für Bildung und Forschung und stellvertretendes Mitglied im Ausschuss Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung ist sie auch mit wichtigen Zukunftshemen betraut. Gut fürs Renommee.
Und: Kerstin Radomski zählt mit heute 45 Jahren immer noch zur jüngeren Riege der Bundespolitiker. Ihre politische Geschichte dürfte noch lange nicht zu Ende sein.