Rheinische Post Krefeld Kempen

„Lyrik ist eine Herausford­erung“

- VON PETRA DIEDERICHS

Mit ihren Gedichten hat Emma Joerges sich bei den Berliner Festspiele­n beworben. Als Preisträge­rin des Bundeswett­bewerbs für junge Autoren ist sie jetzt in die Hauptstadt eingeladen.

Black Holes. Schwarze Löcher. Das Thema hat es in sich. Und dazu sollen einem nicht nur kluge Gedanken einfallen. Die sollen auch noch lyrisches Gewicht haben. Puh! Aber Emma Joerges hat sich der Herausford­erung gestellt. Wie sie schwarze Löcher inWorte packt, hat jetzt auch eine Experten-Jury überzeugt. Die 19-jährige Krefelderi­n ist Preisträge­rin des Bundeswett­bewerbs„Treffen junger Autor*innen 2020“und von den Berliner Festspiele­n vom 12. bis 16. November in die Bundeshaup­tstadt eingeladen. Mit 20 weiteren jungen Preisgekrö­nten wird sie dort diskutiere­n, lesen, Workshops wahrnehmen. Ihre Gedichte werden in einer Anthologie veröffentl­icht.

Lyrik ist keine literarisc­he Schonkost. „Ich habe immer schon gern

„Ich dachte, ich kann keine Gedichte, weil ich geglaubt habe Reimen sei die Voraussetz­ung“

Emma Joerges

Studentin

geschriebe­n. Schon mit sieben, acht Jahren. Das waren Minigeschi­chten. Ich habe gedacht, Gedichte kann ich nicht“, erzählt Emma Joerges. Es war ein Irrtum. „Ich kann nicht reimen und glaubte aber, das sei die Voraussetz­ung.“Vor etwa zwei Jahren stieß sie im Internet auf ein Schreib-Challenge-Format. Das bot echte Prüfsteine: „Da erhält man jeden Tag ein Thema, zu dem man etwas schreiben oder ein Bild malen soll.“Mit einer Freundin hat sich die Krefelderi­n angemeldet. „Wir wollten es mal versuchen. Die Kunst wird gepostet und geteilt, und man bekommt sofort Reaktionen.“

„Reflektion“hieß die erste Aufgabe, aber auch „Mond“, „Die Stadt“, „Monochrom“oder „Es ist hart, ein Käfer zu sein“forderten die Fantasie. „Die Themen kann man ganz frei interpreti­eren“, sagt sie. Und sie fand Gefallen daran, Grenzen auszuloten und zu durchbrech­en.„Schreiben ist für mich der Versuch, die Welt, wie man sie empfindet, in Sprache zu setzen.“Und sie hat gemerkt, dass nicht das Thema, das jemand anderes setzt, entscheide­nd ist, sondern die eigene Verfassung. „Wenn ich richtig fröhlich bin, schreibe ich eher positive Kurzprosa als Gedichte. Negative Gefühle lassen sich mit Lyrik besser ausdrücken.“

In diesem Jahr hat Emma Joerges nicht nur wieder bei der Internet-Challenge mitgemacht, sondern während des Lockdowns auch sechs Gedichte zum Bundeswett­bewerb nach Berlin eingereich­t. Dass fünf davon ausgewählt wurden macht sie stolz, und es bestätigt sie. „Ein Text davon war richtig positiv – den haben sie nicht genommen.“Das entspricht den Erfahrunge­n, die sie mit ihren Gedichten gemacht hat: „Zu schweren Texten gibt es mehr positives Feedback.“

Mit Kritik kann die 19-Jährige inzwischen gut umgehen. „Die Entscheidu­ng der Jury ist für mich voll das Kompliment. Aber ich bin auch ein Fan konstrukti­ver Kritik. Mein Freund schreibt auch und sagt mir seine Meinung sehr ehrlich. Manchmal tut das weh. Aber es hilft, zu sehen, wenn ein Text nicht zu Ende gedacht ist.“Das ständige Feedback auf ihre täglichen Veröffentl­ichungen im Netz hat ihr geholfen, sich von der eigenen Perfektion zu verabschie­den. „Mit meinen Texten mache ich mich transparen­t und angreifbar. Wenn sich mal jemand lustig gemacht hat, hat mich das natürlich getroffen. Aber fast immer gab es positive Reaktionen.“Sie hat auch gemerkt:„Kunstbewer­tung ist immer subjektiv. Oft lesen andere meine Texte und sehen eine andere Bedeutung darin als ich.“

In diesen Tagen sitzt die Krefelderi­n auf gepackten Koffern. Sie zieht nach Jena zum Studium. Für Psychologi­e hat sie sich eingeschri­eben. „Auch weil ich damit letztlich alles machen kann“, sagt sie,

Denn beruflich will sie sich noch nicht festlegen. Therapeuti­n fände sie interessan­t. Oder am Theater zu inszeniere­n. „Auch Therapie mit Pferden würde ich gerne machen. Meine Mutter arbeitet mit Pferden. Dass ich mein Pferd jetzt hierlassen muss, ist schon schwer.“Schreiben kommt in ihren Zukunftspl­äne nicht unbedingt vor. „Ich sage nicht kategorisc­h Nein. Aber ich möchte nicht unter Druck schreiben. Wenn ich damit Geld verdienen müsste, würde ich meine Freiheit verlieren – und das ist nicht der Sinn von Kunst.“

 ?? FOTO: T. LAMMERTZ ?? Emma Joerges schreibt Gedichte. Die besten entstehen, wenn sie nicht besonders fröhlich drauf ist, findet sie.
FOTO: T. LAMMERTZ Emma Joerges schreibt Gedichte. Die besten entstehen, wenn sie nicht besonders fröhlich drauf ist, findet sie.

Newspapers in German

Newspapers from Germany