Rheinische Post Krefeld Kempen
„Lyrik ist eine Herausforderung“
Mit ihren Gedichten hat Emma Joerges sich bei den Berliner Festspielen beworben. Als Preisträgerin des Bundeswettbewerbs für junge Autoren ist sie jetzt in die Hauptstadt eingeladen.
Black Holes. Schwarze Löcher. Das Thema hat es in sich. Und dazu sollen einem nicht nur kluge Gedanken einfallen. Die sollen auch noch lyrisches Gewicht haben. Puh! Aber Emma Joerges hat sich der Herausforderung gestellt. Wie sie schwarze Löcher inWorte packt, hat jetzt auch eine Experten-Jury überzeugt. Die 19-jährige Krefelderin ist Preisträgerin des Bundeswettbewerbs„Treffen junger Autor*innen 2020“und von den Berliner Festspielen vom 12. bis 16. November in die Bundeshauptstadt eingeladen. Mit 20 weiteren jungen Preisgekrönten wird sie dort diskutieren, lesen, Workshops wahrnehmen. Ihre Gedichte werden in einer Anthologie veröffentlicht.
Lyrik ist keine literarische Schonkost. „Ich habe immer schon gern
„Ich dachte, ich kann keine Gedichte, weil ich geglaubt habe Reimen sei die Voraussetzung“
Emma Joerges
Studentin
geschrieben. Schon mit sieben, acht Jahren. Das waren Minigeschichten. Ich habe gedacht, Gedichte kann ich nicht“, erzählt Emma Joerges. Es war ein Irrtum. „Ich kann nicht reimen und glaubte aber, das sei die Voraussetzung.“Vor etwa zwei Jahren stieß sie im Internet auf ein Schreib-Challenge-Format. Das bot echte Prüfsteine: „Da erhält man jeden Tag ein Thema, zu dem man etwas schreiben oder ein Bild malen soll.“Mit einer Freundin hat sich die Krefelderin angemeldet. „Wir wollten es mal versuchen. Die Kunst wird gepostet und geteilt, und man bekommt sofort Reaktionen.“
„Reflektion“hieß die erste Aufgabe, aber auch „Mond“, „Die Stadt“, „Monochrom“oder „Es ist hart, ein Käfer zu sein“forderten die Fantasie. „Die Themen kann man ganz frei interpretieren“, sagt sie. Und sie fand Gefallen daran, Grenzen auszuloten und zu durchbrechen.„Schreiben ist für mich der Versuch, die Welt, wie man sie empfindet, in Sprache zu setzen.“Und sie hat gemerkt, dass nicht das Thema, das jemand anderes setzt, entscheidend ist, sondern die eigene Verfassung. „Wenn ich richtig fröhlich bin, schreibe ich eher positive Kurzprosa als Gedichte. Negative Gefühle lassen sich mit Lyrik besser ausdrücken.“
In diesem Jahr hat Emma Joerges nicht nur wieder bei der Internet-Challenge mitgemacht, sondern während des Lockdowns auch sechs Gedichte zum Bundeswettbewerb nach Berlin eingereicht. Dass fünf davon ausgewählt wurden macht sie stolz, und es bestätigt sie. „Ein Text davon war richtig positiv – den haben sie nicht genommen.“Das entspricht den Erfahrungen, die sie mit ihren Gedichten gemacht hat: „Zu schweren Texten gibt es mehr positives Feedback.“
Mit Kritik kann die 19-Jährige inzwischen gut umgehen. „Die Entscheidung der Jury ist für mich voll das Kompliment. Aber ich bin auch ein Fan konstruktiver Kritik. Mein Freund schreibt auch und sagt mir seine Meinung sehr ehrlich. Manchmal tut das weh. Aber es hilft, zu sehen, wenn ein Text nicht zu Ende gedacht ist.“Das ständige Feedback auf ihre täglichen Veröffentlichungen im Netz hat ihr geholfen, sich von der eigenen Perfektion zu verabschieden. „Mit meinen Texten mache ich mich transparent und angreifbar. Wenn sich mal jemand lustig gemacht hat, hat mich das natürlich getroffen. Aber fast immer gab es positive Reaktionen.“Sie hat auch gemerkt:„Kunstbewertung ist immer subjektiv. Oft lesen andere meine Texte und sehen eine andere Bedeutung darin als ich.“
In diesen Tagen sitzt die Krefelderin auf gepackten Koffern. Sie zieht nach Jena zum Studium. Für Psychologie hat sie sich eingeschrieben. „Auch weil ich damit letztlich alles machen kann“, sagt sie,
Denn beruflich will sie sich noch nicht festlegen. Therapeutin fände sie interessant. Oder am Theater zu inszenieren. „Auch Therapie mit Pferden würde ich gerne machen. Meine Mutter arbeitet mit Pferden. Dass ich mein Pferd jetzt hierlassen muss, ist schon schwer.“Schreiben kommt in ihren Zukunftspläne nicht unbedingt vor. „Ich sage nicht kategorisch Nein. Aber ich möchte nicht unter Druck schreiben. Wenn ich damit Geld verdienen müsste, würde ich meine Freiheit verlieren – und das ist nicht der Sinn von Kunst.“