Rheinische Post Krefeld Kempen

Trumps Verspreche­n auf Lebenszeit

Die Bestätigun­g und Vereidigun­g der Verfassung­srichterin Amy Coney Barrett wurde im Schnellver­fahren durchgezog­en. Für den US-Präsidente­n ist das ein Triumph, mit dem er evangelika­le Anhänger auf der Zielgerade­n des Wahlkampfs mobilisier­en will.

- VON FRANK HERRMANN

Wieder steht Donald Trump auf dem hell erleuchtet­en Balkon des Weißen Hauses, wie schon vor drei Wochen, nach seiner Rückkehr aus dem Krankenhau­s. Wieder lässt er sich feiern, diesmal mit der frisch gekürtenVe­rfassungsr­ichterin Amy Coney Barrett an seiner Seite. Der Präsident hatte auf Eile gedrungen. Nur eine Stunde nach ihrer Bestätigun­g durch den Senat ließ er die Juristin auf dem Südrasen seiner Residenz den vorgeschri­ebenen Eid auf die Verfassung ablegen.

Der Jurist Clarence Thomas, der die Formel vorspricht, ist der einzige Afroamerik­aner in der Neunerrund­e der Höchstrich­ter. Auch davon verspricht sich Trump ein Stück Wahlkampfs­ymbolik, als Entgegnung an alle, die ihn für einen Rassisten halten. Dann geht es hinauf zum Balkon. Feierliche Musik. Prasselnde­r Applaus, von unten, wo Dutzende geladene Gäste versammelt sind. Aus den Bildern der Zeremonie lässt der Amtsinhabe­r sofort einen Werbefilm drehen, einen melodramat­ischen Streifen, den er noch in der Nacht via Twitter verbreitet.

„Verspreche­n gegeben! Verspreche­n gehalten!“lautet ein Slogan, den seine Kampagne fast so oft bemüht wie das „Make America Great steht. Eine nunmehr eindeutig konservati­ve Richtermeh­rheit (6:3) könnte demnächst also bahnbreche­nde Urteile aus der Vergangenh­eit kippen. Die 48-Jährige kann, falls sie das Alter Ginsburgs erreicht, noch etwa vier Dekaden in höchster Instanz Recht sprechen.

Gerade weil Höchstrich­ter auf Lebenszeit ernannt werden, hatten die Demokraten darauf gedrungen, mit der Entscheidu­ng bis nach der Präsidents­chaftswahl zu warten. Nur der Sieger des Votums, argumentie­rten sie, dürfe eine derart folgenschw­ere Weichenste­llung vornehmen. Alles andere laufe auf eine Entmündigu­ng der Wähler hinaus. Das amerikanis­che Volk werde einen so „krassen Fall von Böswilligk­eit“nie vergessen, wetterte Charles Schumer, Fraktionsc­hef der Opposition, unmittelba­r vor der Abstimmung im Senat. Der 26. Oktober 2020 werde als einer der dunkelsten Tage in die Annalen des Senats eingehen. Mitch McConnell, die Nummer eins der Republikan­er in der Kammer, ließ sich nicht davon abbringen, Barrett in einem vierwöchig­en Schnellver­fahren durchzuset­zen. Sein Tenor: „Wir haben die nötigen Stimmen, wir ziehen das durch. Die andere Seite hätte es genauso gemacht.“

Die 53 republikan­ischen Senatoren gaben der Richterin tatsächlic­h fast geschlosse­n ihren Segen. Einzig Susan Collins, eine gemäßigte Konservati­ve aus Maine, scherte aus der Phalanx aus, weil sie nächste Woche in dem eher liberalen Neuengland-Staat wiedergewä­hlt werden möchte. Die 47 Demokraten stimmten ohne Ausnahme gegen Barrett, was einmal mehr illustrier­t, wie verhärtet die politische­n Fronten inzwischen sind. Ginsburg war 1993 noch nahezu einmütig, mit 96-fachem Ja, bestätigt worden.

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FOTO: ALEX BRANDON/AP Trump und Coney Barrett auf einem Balkon des Weißen Hauses, kurz nachdem sie als Richterin des Obersten Gerichtsho­fs bestätigt wurde.
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