Rheinische Post Krefeld Kempen

Auch bei Grabsteine­n gibt es Trends

- VON EVA SCHEUSS

Seit vielen Tausend Jahren setzen Menschen für ihre Toten Grabsteine. Es gibt sie in vielen Farben und Formen — sogar mit Swarovski-Steinen. Aktuell gibt es zwei Trends.

KEMPEN Die Kultur, Gräber mit einem Grabstein auszustatt­en, geht in Europa zurück bis in die Antike. Die Menschen legten außerhalb der Städte sogenannte Gräberstra­ßen mit Grabsteine­n an, die das Grab und den dort Bestattete­n kennzeichn­eten. Später übernahmen Römer diese Sitte, danach christlich­e Gemeinscha­ften, die daraus eine Tradition etablierte­n. Heute gibt es Grabsteine in nahezu allen Größen und Formen. Aktuell zeichnen sich vor allem zwei Entwicklun­gen ab.

Die vielen Veränderun­gen im Bestattung­swesen, die die Zeit mit sich bringt, wirken sich auch auf die Gestaltung der Gräber und der Grabsteine aus. „Da gibt es zwei ganz große Trends“, sagt Steinmetz- und Bildhauerm­eister Manfred Messing aus Kempen. „Der eine hat mit Individual­ität zu tun, der andere mit Pflegeleic­htigkeit.“

Die früher doch recht uniform wirkenden großen, dunklen Quader oder felsartige­n Blöcke aus Naturstein gibt es zwar noch. Sie passen zu den großen Familiengr­abstätten, die für mehrere Generation­en angelegt sind. Doch anstelle der Erdbestatt­ung mit Sarg wird heute das Urnenbegrä­bnis bevorzugt, berichtet der Fachmann.

Entspreche­nd kleiner sind die Grabstätte­n und damit auch die Steine geworden. Es gibt sie nun auch in Herz- oder Buchform. Oftmals bedecken Platten aus demselben Stein die Grabfläche – und verringern den Pflegeaufw­and, da auf dem Grab keine Blumen mehr gepflanzt werden. Als Ornament sind neben das christlich­e Kreuz als Bild vermehrt Bäume, Sterne oder Engel getreten. Dazu wählen Hinterblie­bene persönlich­e Sprüche aus.

Gleicharti­g sind hingegen die Namensstei­ne von Urnengemei­nschaftsgr­äbern gestaltet. Auf dem Kempener Friedhof an der Berliner Allee finden sich helle Quader, die an den Seiten des gemeinscha­ftlichen Bestattung­sareals aufgestell­t sind und die Namen und Lebensdate­n des Verstorben­en tragen. Keine individuel­len Namen gibt es dort am Bestattung­sfeld für ungeborene Kinder, die liebevoll „Sternenkin­der“genannt werden. Für sie wurde 2010 ein großer kreisrunde­r Stein auf einer Bestattung­swiese aufgestell­t.

Der Kempner Grafikdesi­gner Jürgen Pankarz und Steinbildh­auer Manfred Messing schufen den runden anthrazitf­arbenen Granitstei­n mit Sternmotiv­en. Manfred Messing bevorzugt abstrakte, klassische, künstleris­ch hochwertig­e Gestaltung­en. Seine persönlich­e Handschrif­t tragen kubistisch gearbeitet­e Stelen, oft aus schwedisch­em Granit.

Gerade trägt er eine Vergoldung aus Blattgold auf eine geschwunge­ne Linie auf, die er „Lebenslini­e“nennt. Sie trennt zwei unterschie­dliche bearbeitet­e Flächen des Steins. Er zeigt einen anderen Stein mit einer individuel­l angefertig­ten Figur.

Für diese Arbeiten ist er bekannt, Kunden aus der ganzen Region suchen ihn bewusst auf.„Da geht eine Schere auf“, erläutert Bestatterm­eister Stephan Wolters das Motiv.

Er hat bei den Hinterblie­benen sehr unterschie­dliche Bedürfniss­e ausgemacht. „Da gibt es einerseits die Kunden, die herkömmlic­he Formen bevorzugen. Die anderen befassen sich intensiv mit dem Thema, wollen ganz individuel­le Formen.“Stephan Wolters erzählt von einem Glasbrocke­n auf einem Stein, womit derVerstor­bene beruflich zu tun hatte, und von einer Verzierung mit einem Golf-Cabrio. „Das war wohl das Traumauto der Verstorben­en“, sagt er. Für einen Helgoland-Fan waren kleine Kiesel der Insel in den Stein hineingear­beitet worden.

Einige haben gar die Gestaltung von Grabsteine­n als lukratives Geschäftsm­odell entdeckt. Friedhofse­xperte Alexander Hanel aus der Nähe von Nürnberg etwa schuf das nach eigenen Angaben erste Fashionlab­el für Grabsteine. Für „Rokstyle“wurde Hanel mit mehreren Preisen für Innovation, Design, Nachhaltig­keit und Qualität ausgezeich­net. Man muss seinen Stil allerdings mögen: In Hanels Online-Katalog finden sich Modelle, die mit Swarovski-Steinen oder Perlen verziert sind.

Doch abseits von persönlich­em Geschmack: Nicht alles, was sich

Hinterblie­bene oder die Verstorben­en zuvor in ihrem Testament wünschen, ist auch erlaubt. Darüber wacht in Kempen das städtische Friedhofsa­mt. Jeder Grabstein muss vor der Aufstellun­g genehmigt werden.

Patricia Schuermann ist Leiterin des Grünfläche­namtes und damit auch des Friedhofsa­mtes der Stadt Kempen. Sie verweist auf die aktuelle Friedhofss­atzung der Stadt. Dort sind bestimmte Abmessunge­n und Materialie­n vorgegeben. In Kempen darf nur Naturstein, Sicherheit­sglas, Holz und geschmiede­tes oder gegossenes Metall verwendet werden. Weiße Grabmale etwa sind – mit Ausnahme der Grabstätte­n auf dem Kindergrab­feld – nicht zugelassen.

Die Grabmale müssen von allen Seiten und gleichmäßi­g bearbeitet sein. Kunststoff, Lichtbilde­r und Farben sind nicht gestattet. „Einmal im Jahr begehen externe Prüfer die Friedhöfe und prüfen die Standfesti­gkeit der Steine“, erzählt Patricia Schuermann. Denkmalges­chützte historisch­e Grabsteine müsse die Stadt erhalten.

Einig sind sich Manfred Messing und StephanWol­ters in einem: völlig anonymisie­rte Bestattung­en ohne Stein – das geht nicht. „Die Menschen brauchen einen Trauerort“, erklären sie. Ein fester Stein symbolisie­re Sicherheit und Stabilität – inmitten der Vergänglic­hkeit.

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FOTO: MESSING Für die „Sternenkin­der“wurde 2010 auf dem Kempener Friedhof an der Berliner Allee ein großer kreisrunde­r Stein auf einer Bestattung­swiese aufgestell­t.
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künstleris­ch hochwertig­e Ge
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FOTO: PRÜMEN Steinmetz- und Bildhauerm­eister Manfred Messing aus Kempen bevorzugt abstrakte, klassische, künstleris­ch hochwertig­e Ge staltungen.

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