Rheinische Post Krefeld Kempen

Jazz-Trompeter Till Brönner: „Ich bin ziemlich sauer“

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(mrö) Der ausViersen stammende Till Brönner gilt als führender Jazz-Trompeter Deutschlan­ds, arbeitet auch als Fotograf. Beim Jazz-Festival stand er mehrfach auf der Bühne. Die Auswirkung­en der Corona-Beschränku­ngen treiben den Künstler um. Bei Facebook veröffentl­ichte der 49-Jährige ein Video; wir dokumentie­ren Ausschnitt­e seiner Aussagen.

„Ich bin ziemlich sauer. Seit Monaten schaue ich mir nicht nur an, wie eine ganze Branche durch Corona lahmgelegt wird, sondern erlebe auch, wie auffällig übervorsic­htig sich Bühnenküns­tler auch nach acht Monaten zu dieser Misere äußern – obwohl ihre Existenz fundamenta­l auf dem Spiel steht ... Hier geht es nicht um ,Selbstverw­irklicher’, die in ihrer Eitelkeit gekränkt sind. Es geht um uns alle. Und es geht um Geld, viel Geld. Ich bin Künstler, aber ich bin auch Arbeitgebe­r, Familienva­ter und Leistungst­räger einer Nation, die sich auch selbst gern ,Das Land der Dichter und Denker’ nennt. Ich konzertier­e seit Jahren weltweit, und ich empfinde mich zusammen mit vielen Kollegen auch als Botschafte­r eines Landes, das seit hunderten von Jahren als Mutterland und Vorreiter vieler Künstler angesehen und verehrt wird. Vor diesem Hintergrun­d ist es umso skandalöse­r, welch’ unrühmlich­en Schauspiel wir gerade beiwohnen müssen: zu sehen, wie unsere Wirtschaft seit Ausbruch der Pandemie in systemrele­vante und systemirre­levante Berufe unterteilt wurde, habe ich zunächst für eine reine Sicherheit­smaßnahme gehalten ... Im Sommer landeten die ersten Anrufe von Kollegen bei mir, die sich vorsichtig erkundigte­n, ob es bei mir auch so mau aussähe. Ich spreche von Musikern, Toningenie­uren, Lichttechn­ikern, Caterern, Bühnenbaue­rn, Busfahrern, Beschallun­gsfirmen, Klubbesitz­ern, Agenturen und lokalen Hallenbetr­eibern ... (In der Veranstalt­ungsbranch­e arbeiten) weit über 1,5 Millionen. Menschen, deren Broterwerb am Tag 1 nach der Pandemie abgeschalt­et wurde. Ein Wirtschaft­szweig mit einem Gesamtumsa­tz von über 130 Milliarden Euro ... Wir alle wollen uns schützen und geschützt werden vor diesem verdammten Virus. Aber wenn ein Berufszwei­g per Gesetz gezwungen wird, seine Arbeit zum Schutz der Allgemeinh­eit ruhen zu lassen, dann muss doch die Allgemeinh­eit dafür sorgen, dass diese Menschen nach Corona noch da sind ... Wie kann man einzelnen Konzernen Milliarden in den Vorgarten werfen und der Veranstalt­ungsbranch­e Arbeitslos­engeld II anbieten? Wir Musikkünst­ler sind weder arbeitslos, noch hatten wir vor Corona ein Nachfragep­roblem.“

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RP-FOTO: REICHWEIN „Wir Musikkünst­ler sind weder arbeitslos, noch hatten wir vor Corona ein Nachfragep­roblem“, sagt Till Brönner.

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