Rheinische Post Krefeld Kempen
Corona greift das Herz der Demokratie an
or einem Monat war im Schnitt alle zwei Stunden ein Corona-Toter in Deutschland
beklagen, vor einer Woche alle halbe Stunde, aktuell jede Viertelstunde. Diese bedrückende Entwicklung zeigt, dass es höchste Zeit ist zu handeln. Zügig ging es: Die Kanzlerin bringt die Ministerpräsidenten zu Beschlüssen, die Landesregierungen exekutieren sie, und die Kanzlerin erklärt alles hinterher dem Bundestag. So weit, so falsch.
Natürlich hat die Debatte im Parlament dazu beigetragen, dass sich die verschiedenen Strömungen in Berlin vertreten fühlen. Das reichte vom gefühlskalt-destruktiven AfD-Fraktionschef Alexander Gauland bis zum emotional-konstruktiven Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus. Der eine sprach von „einer Art Kriegserklärung“durch Merkel, der andere focht für die Beschlüsse und bescheinigte sich selbst, dass das Parlament ausreichend beteiligt sei.
Das hörte sich bei Brinkhaus Ende Mai noch anders an, als er mit seinem Amtskollegen Rolf Mützenich von der SPD die Regelungskompetenzen, wo nötig, „ins Parlament zurückverlagern“wollte. Und auch BundestagspräsidentWolfgang Schäuble mahnte vor vor zehn Tagen, dem Eindruck entgegenzutreten, die Pandemie-Bekämpfung sei ausschließlich Sache von Regierungen und Gerichten.
Natürlich kann der Bundestag zwischen Mittwochabend und Donnerstagmorgen kein komplettes Gesetzgebungsverfahren abwickeln. Aber er hätte die Zeit seit Mai besser nutzen können. Stattdessen ließ er der Regierung unter der Devise „epidemische Lage von nationaler Tragweite“freie Hand, unabhängig von der Entwicklung. Der Bundestag als Herz der Demokratie – es ist von Corona angegriffen, es muss jetzt umso dringender wieder im richtigen Rhythmus schlagen. Der Bundestag ist der eigentliche Gesetzgeber. BERICHT