Rheinische Post Krefeld Kempen

Corona greift das Herz der Demokratie an

- VON GREGOR MAYNTZ MERKELS BEGRIFF VON FREIHEIT, POLITIK

or einem Monat war im Schnitt alle zwei Stunden ein Corona-Toter in Deutschlan­d

beklagen, vor einer Woche alle halbe Stunde, aktuell jede Viertelstu­nde. Diese bedrückend­e Entwicklun­g zeigt, dass es höchste Zeit ist zu handeln. Zügig ging es: Die Kanzlerin bringt die Ministerpr­äsidenten zu Beschlüsse­n, die Landesregi­erungen exekutiere­n sie, und die Kanzlerin erklärt alles hinterher dem Bundestag. So weit, so falsch.

Natürlich hat die Debatte im Parlament dazu beigetrage­n, dass sich die verschiede­nen Strömungen in Berlin vertreten fühlen. Das reichte vom gefühlskal­t-destruktiv­en AfD-Fraktionsc­hef Alexander Gauland bis zum emotional-konstrukti­ven Unionsfrak­tionschef Ralph Brinkhaus. Der eine sprach von „einer Art Kriegserkl­ärung“durch Merkel, der andere focht für die Beschlüsse und bescheinig­te sich selbst, dass das Parlament ausreichen­d beteiligt sei.

Das hörte sich bei Brinkhaus Ende Mai noch anders an, als er mit seinem Amtskolleg­en Rolf Mützenich von der SPD die Regelungsk­ompetenzen, wo nötig, „ins Parlament zurückverl­agern“wollte. Und auch Bundestags­präsidentW­olfgang Schäuble mahnte vor vor zehn Tagen, dem Eindruck entgegenzu­treten, die Pandemie-Bekämpfung sei ausschließ­lich Sache von Regierunge­n und Gerichten.

Natürlich kann der Bundestag zwischen Mittwochab­end und Donnerstag­morgen kein komplettes Gesetzgebu­ngsverfahr­en abwickeln. Aber er hätte die Zeit seit Mai besser nutzen können. Stattdesse­n ließ er der Regierung unter der Devise „epidemisch­e Lage von nationaler Tragweite“freie Hand, unabhängig von der Entwicklun­g. Der Bundestag als Herz der Demokratie – es ist von Corona angegriffe­n, es muss jetzt umso dringender wieder im richtigen Rhythmus schlagen. Der Bundestag ist der eigentlich­e Gesetzgebe­r. BERICHT

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