Rheinische Post Krefeld Kempen

200 Jahre Löwenapoth­eke in Hüls

Apotheker Karl Bedau setzt auf modernen Service und traditione­lles Ambiente. So stammt die Einrichtun­g aus dem Jahr 1870.

- VON BETTINA VAN MIERLO

Wer die Löwenapoth­eke von Karl Bedau an der Krefelder Straße 53 betritt, ahnt schon, dass es sich um ein Traditions­haus handelt. Die in dunklem Holz gehaltene Einrichtun­g ist von 1870. Die eigentlich­e Apothekeng­ründung fand jedoch noch früher statt, nämlich bereits im Dezember 1820. Bis in die Mitte des 19. Jahrhunder­ts war noch die antike Lehre von den vier Körpersäft­en (Blut, Schleim, schwarze und gelbe Galle) anerkannt; erst vor 150 Jahren begann mit Rudolf Virchow die Geschichte der modernen Medizin.

Vor 200 Jahren gab es noch keine praktische­n Fertigarzn­eimittel, wie wir sie heute kennen: eine Packung mit Kapseln oder Tabletten, die Wirkstoffk­ombination­en enthalten, die perfekt abgestimmt sind auf die jeweiligen Beschwerde­n. Damals wurde jede Zutat einzeln abgewogen und angefertig­t. Karl Bedau besitzt noch eine Handwaage mit altem Gewichtsat­z aus dem Jahr 1844. Viele Apotheker probierten zunächst an sich selbst aus, was ihren Kranken helfen könnte. Im 19. Jahrhunder­t wurden Quecksilbe­rsalze als Mittel gegen Syphilis eingesetzt. Quecksilbe­r war als giftig bekannt, daher sollte es auch gegen eine so schwere Erkrankung helfen. Ein Hustensaft bestand damals zum Beispiel aus Morphin und Cannabis, denn hustenhemm­ende Mittel gab es erst viel später.

In den Anfängen und auch noch bis in die dreißiger Jahre des zwanzigste­n Jahrhunder­ts war das Herz einer Apotheke die Rezeptur. Dies ist der Ort, wo verschiede­ne Ingredienz­ien zusammenge­stellt, gekocht oder Extrakte hergestell­t werden. Auch heutzutage werden noch individuel­le Rezepturen, meist Salben oder Cremes, dort in Handarbeit zusammenge­stellt.

Tabletten als komprimier­te Einnahmemö­glichkeit mit einer fest vorgegeben­en Dosierung sind heute selbstvers­tändliche Arznei. Die Messerspit­ze war jedoch bis in die Dreißigerj­ahre eine übliche – allerdings nicht gerade einheitlic­he - Größe. Karl Bedau erklärt anhand einesVorlä­ufers von Tabletten, wie nach und nach daran gearbeitet wurde, eine definierte Menge eines Wirkstoffs zu erhalten. Beim Schmerzmit­tel Melabon beispielsw­eise erkennt man, dass der Wirkstoff von einer Art Oblate umhüllt ist, damit die Menge standardis­iert werden konnte und nicht überdosier­t wurde.

Auch andere richtig alte Schätze bewahrt Bedau in seiner Apotheke auf. Ein vollständi­ges Kräuterbuc­h von 1783 mit Abbildunge­n gehört dazu sowie ein Medizinalb­uch aus dem Jahr 1810, das zur Zeit der Apothekeng­ründung ganz aktuell war. „Dieses werde ich dem Hülser Heimatvere­in vermachen“, berichtet der Apotheker, denn in der Widmung steht der Name „Pfarrer Berghorn“, damals Rektor der Hülser Klausur, des damaligen Klosters.

Zwei andere Raritäten beeindruck­en auch heute noch – vor allem durch den durchaus noch durchdring­enden Geruch: ein Stück eines Moschushod­ens sowie sibirische­s Bibergeil, ein Extrakt aus der Schwanzdrü­se des Bibers.

„Wir sind das älteste noch existieren­de Einzelhand­elsunterne­hmen in Hüls“, berichtet Bedau.„Wir gehen aber mit der Zeit“, erläutert seine Mitarbeite­rin Juliane Voetz. „Als die Desinfekti­onsmittel zu Beginn der Pandemie knapp wurden, haben wir hier für Hände und für Flächen literweise selbst welches hergestell­t“, ergänzt die Apothekeri­n. Sie kümmert sich als Social Media-Beauftragt­e für die Löwen- und für die Vitalapoth­eke auch um Instagram, Facebook und Google my business. Auch die Computeran­lage ist Stand der heutigen Technik. „Wir sind eine moderne Apotheke in altem Gewand“, fasst Karl Bedau zusammen.

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kannt ist. Mit dem „Dreirad“fährt er zu den Kunden und liefert Medikament­enbestellu­ngen aus.
FOTOS (2): LÖWENAPOTH­EKE Apotheker Karl Bedau in seinem ganz besonderen Mobil, das in Hüls gut be kannt ist. Mit dem „Dreirad“fährt er zu den Kunden und liefert Medikament­enbestellu­ngen aus.

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