Rheinische Post Krefeld Kempen

Meyer und Rose – Borussias Faktor Ost

Der Thüringer Hans Meyer war als Trainer Retter und Aufbauhelf­er. Nun ist der Sache Marco Rose der Zukunftsma­cher tief im Westen.

- VON KARSTEN KELLERMANN

Marco Roses Job tief imWesten produziert auch interessan­te Bilder weit im Osten der Republik. „Wir haben an der Ostsee einen kleinen Bungalow und da weht eine Borussia-Fahne“, erzählte Borussias Trainer zuletzt unserer Redaktion. Auch in Leipzig, Roses Heimatstad­t, ist Gladbach ein Thema, mindestens bei Dieter Baensch, der sich sich Borussen-Dieter nennt. Der 80-Jährige hat sich in den 1970er Jahren über die Mauer hinweg in den Gladbachs Hurra-Fußball verliebt – und ist nun stolz, dass „ein Trainer aus Leipzig bei meiner Borussia ist. Er ist ein großer Sympathiet­räger und macht Borussia auch hier bei uns im Osten noch bekannter“.

Der Sachse Rose ist der Zukunftsma­cher in Gladbach, er hat den Auftrag, den Klub weiterzuen­twickeln auf demWeg nach oben. Doch es ist nicht der einzige Faktor Ost in der Gladbacher Neuzeit. Denn ohne den Thüringer Hans Meyer, der von 1999 bis 2003 und von 2008 bis 2009 Trainer der Gladbacher war, wäre die jüngere Geschichte des fünfmalige­n deutschen Meisters vermutlich ganz anders verlaufen.

Als Meyer 1999 kam, war Borussia am Boden: 30 Millionen Mark Schulden, abgestiege­n und gar Letzter der Zweiten Liga. Meyer setzte den zerborsten­en Klub sportlich wieder zusammen und führte ihn 2001 zurück in die Bundesliga. In der Saison 2008/2009 dann, als der dritte Abstieg nach 1999 und 2007 drohte, kam Meyer nochmal zurück und rettete Borussia. Der dritte Abstieg binnen zehn Jahren hätte Klub erneut zurückgewo­rfen.

Meyer war Retter und Aufbauhelf­er West. Rose hat 2019, als er aus Salzburg kam, eine weit komfortabl­ere Situation vorgefunde­n. Der Klub ist wirtschaft­lich und sportlich in den vergangene­n zehn Jahren durchgesta­rtet. Rose soll mit dem Klub den nächsten Schritt machen, ihn im oberen Drittel der Bundesliga und somit im internatio­nalen Geschäft etablieren. In seiner ersten Saison hat er Borussia in die Champions League geführt – im Kontext der Corona-Pandemie ist das eminent wichtig, denn das Geld aus der Königsklas­se hilft enorm, den Klub wirtschaft­lich derzeit stabil zu halten.

Beide, Meyer wie Rose, haben Borussia ein klares sportliche­s Konzept verpasst: Meyer mit seinem seinem aus seiner Zeit bei Twente Enschede geprägten 4-3-3-System mit klassische­n Flügelstür­mern und einem Team voller Charakter-Köpfe, Rose mit seinem Action-Fußball mit ständiger Aktivität gegen und mit dem Ball, der ganz dem fußballeri­schen Zeitgeist entspricht. Die Basis beider Ansätze ist etwas, das durchaus vom Grundgedan­ken des Fußballs in der früheren DDR entspricht: der Kollektiv-Gedanke. „Das ist klar zu erkennen“, sagt Dieter Baensch.

Meyers Mannschaft wuchs einst daran und auch Rose setzt darauf. Seine fußballeri­schen Vordenker kommen noch weiter aus dem Osten: Das Pressing-Prinzip, das Rose predigt, wurde in den 1950er Jahren vom Russen Viktor Maslow entwickelt und später vom Ukrainer Walerij Lobanowski perfektion­iert. Radikales Teamwork war Maslows Mantra. „Es ist notwendig, ein Kollektiv zu schaffen, das dann an die gemeinsame Spielidee glaubt und sich ihr unterordne­t“, sagte Maslow. Das heißt: Das System macht die Stars, nicht die Stars das System. Dieser Ansatz gilt auch in Leipzig und Salzburg in den dortigen RB-Laboren. Beide Fußball-Projekte haben Rose mitgeprägt.

Nun könnte ausgerechn­et er, der Leipziger, am Samstag für einen historisch­en Fakt in Borussias Geschichte sorgen: den ersten Sieg gegen RB Leipzig. Interessan­t: Das, was die Leipziger (und auch die Salzburger) spielen, ist auch inspiriert von Borussia. Denn Ralf Rangnick, der das RB-Projekt mitbegründ­et hat, hat einst den Fußball der Gladbacher Fohlenelf von Hennes Weisweiler sehr geschätzt. Junge, hungrige Spieler, die teamfähig sind und gut kicken können - das gehört hier wie da zum Programm.

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FOTO: PÄFFGEN Seit über zwei Jahrzehnte­n bei der Borussia: Hans Meyer.

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