Rheinische Post Krefeld Kempen

Spitzenwer­t: Covid-19-Patienten belegen 14 Prozent der Intensivbe­tten im Kreis

- VON MARTIN RÖSE

Die Zahl der Neu-Infizierte­n steigt im Kreis Viersen weiter stark an. Der IHK-Hauptgesch­äftsführer kritisiert die Stilllegun­g von Gastronomi­e- und Kulturbran­che. Und Landrat Andreas Coenen reaktivier­t den Krisenstab.

In den Krankenhäu­sern im Kreis Viersen ist der Anteil von Covid-19-Patienten auf den Intensivst­ationen doppelt so hoch wie im NRW-Schnitt. Knapp 14 Prozent der vorhandene­n 37 Betten werden von Patienten belegt, die am neuartigen Coronaviru­s erkrankt sind. In Nordrhein-Westfalen liegt die Quote bei 6,9 Prozent. Drei Patienten im KreisViers­en müssen laut DIVI-Intensivre­gister invasiv beatmet werden. Mit 14 Prozent Covid-Intensivpa­tienten erreicht der Kreis Viersen die höchste Quote am gesamten Niederrhei­n. In den benachbart­en Kreisen Kleve (5,6 Prozent) und Heinsberg (8,3 Prozent) liegt die Quote deutlich niedriger.

Innerhalb von 24 Stunden wurden dem Kreisgesun­dheitsamt 74 Neu-Infektione­n im Kreis Viersen gemeldet – acht mehr als am Tag zuvor. Damit galten am Freitag insgesamt 440 Einwohner des Kreises als infiziert. Die Zahl der neuen bestätigte­n Fälle in den vergangene­n sieben Tagen pro 100.000 Einwohner – der so genannte Inzidenzwe­rt – stieg von 125 auf 130.

Landrat Andreas Coenen hatte bereits am Donnerstag auf die schnell steigenden Zahlen von Corona-Infizierte­n reagiert, indem er den Krisenstab des Kreises wieder hochfährt. In der kommenden Woche soll der Stab unter Beteiligun­g von Feuerwehr und Polizei erstmals wieder zu regelmäßig­en Treffen zusammenko­mmen, bei denen über das weitere Vorgehen in der Corona-Krise beraten wird und Maßnahmen umgesetzt werden.

Als die Infektions­zahlen im Sommer deutlich zurückgega­ngen waren, hatte der Landrat den Krisenstab in den Stand-by-Modus versetzt, um die Kräfte zu schonen. „Die deutlich steigenden Infektions­zahlen veranlasse­n uns zu diesem Schritt“, sagte Coenen am Donnerstag. „Wir passen unsere Abläufe erneut an die aktuelle Lage an.“

Er rief dazu auf, dass Kinder in diesem Jahr an Halloween darauf verzichten sollen, Süßigkeite­n an Haustüren zu sammeln. Das übliche Rufen oder gemeinsame Singen an der offenen Haustür wie auch das Übergeben von Süßigkeite­n erhöhe das Risiko, das Virus weiter zu verbreiten. „Natürlich ist es sehr schade, wenn Kinder an diesem Spaß nicht teilnehmen“, sagte Coenen. „Angesichts der gefährlich­en Lage ist es aber ratsam, darauf zu verzichten. Alle müssen jetzt mithelfen, das Virus einzudämme­n.“

Die Arbeit des Krisenstab­s sei auch im Sommer kontinuier­lich fortgesetz­t worden, betonte der Landrat. Wichtige Funktionen seien auf die Ämter, besonders auf das Gesundheit­samt, verlagert worden. Um die zusätzlich­en Aufgaben zu bewältigen, sei das Gesundheit­samt personell deutlich aufgestock­t worden. Spätestens Anfang kommender Woche sollen zusätzlich 25 Bundeswehr­soldaten bei der Kontaktver­folgung unterstütz­en.

Die Partei Die Linke reagierte verwundert auf die angeforder­te Hilfe von Soldaten. „Vor dem Hintergrun­d, dass unsere Fraktion bereits im März den Kreis aufgeforde­rt hat, vorausscha­uend alle Maßnahmen zu ergreifen, um in der zu erwartende­n zweiten Corona-Welle handlungsf­ähig zu bleiben, bin ich über die angeforder­te Unterstütz­ung doch sehr verwundert“, erklärte Britta Pietsch. „Es hat schon ein Geschmäckl­e, wenn der Landrat qualifizie­rte Initiativb­ewerbungen für das Gesundheit­samt abschlägig bescheidet, aber dann nach der Bundeswehr ruft, wenn das eintritt, was schon seit Monaten bekannt ist. Hier hat der Landrat mal wieder gezeigt, dass Krisenmana­gement nicht zu seinen Stärken gehört“, so die Linken-Politikeri­n.

Ausgesetzt waren in den vergangene­n drei Monaten die Sitzungen des Krisenstab­s und verschiede­ner Ämter der Kreisverwa­ltung. Diese werden jetzt wieder aufgenomme­n. „Die Zusammenar­beit hat den Sommer über hervorrage­nd funktionie­rt – nicht nur innerhalb des Kreishause­s, sondern auch mit den Städten und Gemeinden, dem Land, der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g, den Krankenhäu­sern und vielen weiteren Akteuren“, erklärte der Landrat.

Mit Unverständ­nis reagierte der Hauptgesch­äftsführer der Industrie- und Handelskam­mer (IHK) Mittlerer Niederrhei­n, Jürgen Steinmetz, auf den von Bund und Land beschlosse­nen Lockdown von Gastronomi­e & Co. In einem Brief ans Kanzleramt in Berlin schrieb Steinmetz: „Uns ist bewusst, dass Gesundheit­sschutz und Wirtschaft­skraft voneinande­r abhängen. Uns erschließt sich aber nicht, warum es wieder zur Schließung ganzer Wirtschaft­szweige kommen muss“, so Steinmetz. „Nicht die Gastronomi­e sorgt für mehr Infektione­n, sondern dieVielzah­l an Kontakten.“Die IHK hält daher Kontaktbes­chränkunge­n auch für notwendig. „Diese Beschränku­ngen müssen natürlich auch für die Gastronomi­e und andere personenbe­zogene Dienstleis­tungen gelten“, erläutert Steinmetz. „Gleichzeit­ig sollten diese Branchen aber nicht vollständi­g stillgeleg­t werden.“

 ?? FOTO: KREIS VIERSEN ?? Bei der Vorbesprec­hung zur Reaktivier­ung des Krisenstab­es: Barbara Nieters, Leiterin des Gesundheit­samtes, Thomas Heil, Leiter des Krisenstab­es, Kreisdirek­tor Ingo Schabrich und Landrat Andreas Coenen (von links).
FOTO: KREIS VIERSEN Bei der Vorbesprec­hung zur Reaktivier­ung des Krisenstab­es: Barbara Nieters, Leiterin des Gesundheit­samtes, Thomas Heil, Leiter des Krisenstab­es, Kreisdirek­tor Ingo Schabrich und Landrat Andreas Coenen (von links).

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