Rheinische Post Krefeld Kempen
Bis in vier Wochen
Kurz vor dem Teil-Lockdown nutzten noch viele Menschen die Angebote. In der Düsseldorfer Altstadt war es Samstagabend sehr voll.
Dicht an dicht und häufig ohne Maske drängen sich am Samstagabend Feiernde durch die Düsseldorfer Altstadt. Böller werden gezündet, Feuerwerkskörper fliegen. An der Heinrich-Heine-Allee entsteht deswegen kurzzeitig sogar eine kleine Panik bei den Menschen; es gibt Tumulte. Die Stimmung ist zum Teil aggressiv. Freitreppen am Rhein werden mehrfach durch die Polizei geräumt, weil sie zu voll sind. Dennoch spricht die Polizei anschließend von einem vergleichsweise normalen Samstagabend in der Altstadt.
Landesweit haben viele Menschen das Wochenende vor dem Teil-Lockdown genutzt, um noch einmal im Restaurant zu essen, in Kneipen ein Bierchen zu trinken, ins Fitnessstudio, Kino, Museum oder in eine Theatervorstellung zu gehen. Ab nun ist das alles vierWochen lang nicht mehr möglich – denn mindestens so lange müssen die Einrichtungen wegen der Corona-Pandemie schließen.
Es ist Samstagnachmittag; Calvin Kottysch und Vojislav Hahn stemmen in ihrem Düsseldorfer Fitnessstudio ein vorletztes Mal Gewichte – Schulter- und Brusttraining stehen für die beiden Freunde auf dem Plan. Am Montag schließt das Studio für voraussichtlich vier Wochen – wie alle anderen auch. „Das ist natürlich blöd für uns und alle, die trainieren wie wir“, sagt Calvin Kottysch, der bis zu fünfmal in der Woche schwere Eisen bewegt. Beide Fitnesssportler kennen nicht einen, der sich in dem Studio, in dem sie trainieren, mit Covid-19 angesteckt hat. „Es wird hier streng auf die Einhaltung der Hygienevorschriften geachtet, Geräte werden nach Gebrauch desinfiziert“, sagt Vojislav Hahn, der ähnlich häufig trainiert wie sein Freund. Es gilt Maskenpflicht. Wer sich nicht daran hält, muss gehen. Gelegentlich gibt es Lautsprecherdurchsagen am Samstagnachmittag. „Auch wenn wir am Montag zu machen müssen, heißt das nicht, dass man sich nicht mehr an die Regeln halten muss“, hört man eine Frauenstimme sagen, sobald jemand ohne Maske durchs Studio geht. Besonders viel ist nicht los – was normal für einen Samstagnachmittag aber ist.
Die beiden Freunde müssen jetzt ihr Trainingsprogramm für die nächsten Wochen umstellen. „Es gibt draußen genug Möglichkeiten, zu trainieren“, sagt Kottysch: „Im Grafenberger Wald und am Unterbacher See in Düsseldorf gibt es zum Beispiel entsprechende Parcours.“Schwieriger sei es schon, in den kommendenWochen seinen inneren Schweinehund zu besiegen. „Draußen trainiert man meistens allein, es ist kalt und es wird früh dunkel. Man muss sich da mehr überwinden“, sagt Hahn. In vierWochen, so hoffen die beiden, werden sie wieder wie gewohnt in ihrem Studio trainieren können. „Eine Pause kann manchmal auch ganz gut sein für die Muskeln“, sagt Kottysch.
In der Kölner Eckkneipe „Alt Neppes“schmeißt Heinz am Freitagabend die Theke, so wie jeden Freitag. Seine Musik ist gut ausgewählt, New Order ist auf der Playlist, The Cure und Talk Talk. Eigentlich laufen später am Abend immer die Karnevals-Gassenhauer und Vicky Leandros’ „Ich liebe das Leben“, aber an diesem Abend nicht. Am Montag wird der Laden wieder zugesperrt, bis Dezember, und der 11.11. wird in diesem Jahr ein Tag sein wie jeder andere. Undenkbar eigentlich in Köln. „Zwei lecker Kölsch?“, fragt Heinz. Sie haben alles umgesetzt im „Alt Neppes“, was die Corona-Schutzverordnung verlangt hat. Nur jeder zweite Barhocker ist besetzt, es gibt jetzt eine Spülmaschine, um die Kölsch-Gläser bei 70 Grad spülen zu können, am Eingang steht Desinfektionsmittel und die Listen mit den Kontaktdaten der Gäste füllen inzwischen mehrere Ordner. „Hier ist noch keiner krank geworden“, sagt Heinz. Sein Chef Karl Werz ist im Sommer 70 geworden, auch aus eigenem Interesse hat er genau darauf geachtet, dass sein Stammpublikum die Regeln einhält. „Ich kam mir manchmal vor, als würde ich eine Kita leiten – nein, das darfst du nicht, ja, das darfst du“, erzählt er. Mitten in der Kneipe liegt Schäferhund-Mischling
Balou. Sein Besitzer hat ihn gerade bestimmt zum achten Mal unter den Tisch geschickt, aber es dauert keine Minute, da liegt der Hund wieder quer vor der Tür. Heinz balanciert mit seinem Kölsch-Kranz immer wieder über den Hund hinweg, weder Balou noch Heinz stört das. An der Tür hängt ein Zettel: „Sonntag letzter Frühschoppen vor dem Lockdown.“Balou wird mit seinem Herrchen bestimmt dabei sein. Und
was wird Heinz machen, immer freitags im November? Er zuckt mit den Schultern. „Keine Ahnung, das wird mir fehlen hier, die Leute auch. Aber einen Monat werden wir schaffen. Hoffen wir, dass es etwas bringt.“
Auch in Krefeld ist am Freitagabend viel los. In der Gaststätte „Nordbahnhof“beschränken Stammkunden ihre Zeit am Tisch nach dem Essen auf wenige Minuten und wechseln dann an die Bar. „Wir wollten den Tisch so schnell wie möglich frei machen und trotzdem noch bleiben. Wir trinken heute auch bewusst ein, zwei Bier mehr“, sagen zwei Gäste. Auch andere Kunden sind nur da, weil ab Montag erst einmal Schluss ist. „Wir wollen die Gastronomie und den‚Nordabahnhof’ aktiv unterstützen.Wir werden in den kommenden Wochen auch regelmäßig das Takeaway nutzen. Sie haben viel investiert und wir fühlen uns hier total sicher. Das hier wird sogar so voll nicht zum Hotspot, davon bin ich überzeugt“, sagt Peter Vogt, der mit seiner ganzen Familie gekommen ist. Die ab Montag geltenden Maßnahmen stuft er dennoch als nötig ein – so wie Familie Hattstein. „Der Lockdown ist schon sinnvoll. Dennoch wollen wir den Nordbahnhof noch einmal unterstützen. Außerdem haben wir gerade eine Austauschschülerin aus Frankreich und wollen ihr noch einmal etwas zeigen“, sagen sie.
So positiv wie ihre Gäste steht Mitinhaberin Anne Furth dem Lockdown nicht gegenüber. „Ich finde es nicht verständlich. Wir haben viel investiert und ein gutes Konzept. In der Gastronomie sind laut Robert-Koch-Institut kaum Infektionen entstanden. Man sieht ja, was hier los ist. Die Akzeptanz in der Bevölkerung ist offenkundig nicht da. Die Leute fühlen sich sicher und wollen rausgehen“, befindet sie.
Der „Nordbahnhof“hatte extra ein Zelt errichtet; Trennwände und Luftreiniger sorgen für Sicherheit, und auch die Brauerei ist für das à-la-Carte-Geschäft geöffnet, um mehr Raum zu schaffen. Außerdem wird es in den kommendenWochen wieder ein Mitnehm-Angebot geben – inklusive Gänseessen.„Wir wollen unseren Kunden so viel Normalität wie möglich bieten. Wir sind unseren Gästen sehr dankbar für das Zeichen, das sie heute setzen. Es ist vielleicht der umsatzstärkste Tag des Jahres“, sagt Furth.