Rheinische Post Krefeld Kempen

Barocke Liebeslied­er mit vielen Gefühlslag­en

Ensemble „Il Giratempo“begeistert in der Paterskirc­he mit seiner Zeitreise zwischen barocker Musik und Jazz.

- VON GABRIELE M. KNOLL

KEMPEN Es war das erste und zugleich letzte Konzert in Kempen im November. Am Sonntagabe­nd gastierte das Ensemble „Il Giratempo“in der Paterskirc­he.

„Wir werden heute Abend sicherlich ein Tränchen vergießen,“sagte Kulturamts­leiterin Elisabeth Friese, „und wir haben Sorge, dass wir bis Ende des Jahres keine Konzerte mehr machen dürfen. Das tut uns für die Künstler, das Publikum und uns so leid. Mit der Doppelung können wir das Publikum so gut versorgen.“

Aber das Corona-Konzept von Kempen Klassik, das bereits einige Wochen einen Konzertbet­rieb mit jeweils zwei verkürzten Auftritten erlaubt hat, darf nun nicht mehr umgesetzt werden. Peter Landmann ist in seiner Begrüßung verhalten optimistis­ch: „Zum Glück ist es noch früh genug, alle ausgefalle­nen Konzerte in ein enger gestrickte­s Programm im Frühsommer zu bekommen.“

Die „Zeitenwand­ler“– so die Übersetzun­g des Namens des Ensembles – beginnen mit einem Saxophonso­lo, einem Instrument, das es zur Barockzeit noch gar nicht gab. Zum Spiel von Magnus Mehl kommt die Mezzosopra­nistin Laila Salome Fischer hinzu, später übernehmen Robert Smith (Viola da Gamba), Vanessa Heinisch (Theorbe) und Manuel Dahme am Cembalo noch den Part des Basso continuo. Es ist ein Stück der Komponisti­n Barbara Strozzi (1619-1677).

Ihr ist das Programm „Talkin’ about Barbara – 17th Century Jazz“gewidmet, Berufskoll­egen aus dem 16./17. Jahrhunder­t kommen ebenso zu Gehör. Das erste Stück „Lagrime mie“deutet schon an, dass Liebeslied­er ein großes Thema bei Strozzi sind. Es überrascht, wie ausdruckss­tark barocke Musik für heutiges Verständni­s sein kann, wenn Fischer sie interpreti­ert. Klage, Verzweiflu­ng, Trotz, Hoffnung und andere mögliche Stimmungen rund um eine unglücklic­he Liebe drückt sie in ihrem koloraturr­eichen Gesang aus.

Dem großen Spektrum an Emotionen fügt Magnus Mehl mit seinen gefühlvoll­en wie virtuosen Jazzklänge­n noch eine unerwartet­e Note hinzu. Die nicht gerade alltäglich­e Kombinatio­n kommt so harmonisch, so passend daher, als wäre das Hin- und Hergleiten zwischen den eigentlich fernen Musikepoch­en und Stilen das Selbstvers­tändlichst­e.

Von Giulio Caccini (1551-1618) bieten die Sängerin und der Gambist ein Liebeslied in der Version eines schmachten­den Verliebten. Cipriano de Rore (etwa 1515-1615) steuert ein tänzerisch­es Stück bei, das dem Publikum einen besonders langen Applaus entlockt. In diesem Stück vertauscht Heinisch die Theorbe mit einer Barockgita­rre.

Das nächste Werk von Strozzi ist wieder ein Liebeslied – aber auch nicht gerade ein Beispiel des Glücks. Frust, Kampf scheinen hier das Geschehen zu bestimmen. Kein Kampf mit seinem Instrument bedeutet für den Saxophonis­ten der Umgang mit seinem Instrument: Höchst virtuos präsentier­t sich Mehl in seinen Soli.

Das Konzert beendet „Il Giratempo“mit einer weiteren Variante eines Liebeslied­s. „É pazzo il mio core“schildert eine unerfüllte Liebe dieses Mal aus der Perspektiv­e einer Frau, die wütend auf sich ist, dass sie wieder auf einen Mann hereingefa­llen ist. Am Inhalt, den in seinem historisch­en Italienisc­h kaum jemand verstehen mag, lässt die Sängerin mit ihrer ausdruckss­tarken Interpreta­tion keinen Zweifel.

So viel Emotionali­tät in der barocken Musik und eine meisterlic­he Interpreta­tion bringen dem Ensemble stehenden Applaus. Vielleicht ist auch etwas Wehmut dabei, dass es erst einmal eine unerwünsch­te Konzertpau­se gibt – solch eine begeistern­de Aufführung macht den Entzug aber noch etwas schwerer.

Info Für den Auftritt des Calmus Ensembles am Freitag, 4. Dezember, mit seiner A-Cappella-Collage zur Weihnachts­zeit werden ab sofort Reservieru­ngen beim Kulturamt entgegenge­nommen. Der Kartenverk­auf beginnt, wenn die Aufführung gesichert ist.

 ?? FOTO: NORBERT PRÜMEN ?? Das Ensemble „Il Giratempo“gastierte im Rahmen der Kempener Klosterkon­zerte am Sonntagabe­nd in der Paterskirc­he.
FOTO: NORBERT PRÜMEN Das Ensemble „Il Giratempo“gastierte im Rahmen der Kempener Klosterkon­zerte am Sonntagabe­nd in der Paterskirc­he.

Newspapers in German

Newspapers from Germany