Rheinische Post Krefeld Kempen

Dem Hass den Krieg erklären

- VON DOROTHEE KRINGS VOR BLITZ-RADIKALISI­ERUNG, TITELSEITE

Wehrlose Menschen auf der Straße zu töten, mehr als ein Dutzend zu verletzen, ist ein barbarisch­er Akt. Der mutmaßlich islamistis­che Angriff in Wien drückt tiefste Menschenve­rachtung aus. Er ist zugleich die primitivst­e Form, Gewalt auszuüben: ohne auffällige Vorbereitu­ngen. Rausgehen und schießen. Aus dem Hinterhalt.

Natürlich löst das Bestürzung aus, Wut, auch Rachegefüh­le. Doch genau das ist das Ziel der Attentäter. Jeder Angriff dient dazu, Hass zu säen. Zwiespalt zu stiften. Ist das ein Krieg der Kulturen oder gar der Religionen? Waren all jene naiv, die an das Miteinande­r unterschie­dlicher Kulturen in einer offenen Gesellscha­ft glauben und sich für Integratio­n starkmache­n? Nach jedem Anschlag fällt es schwerer, versöhnlic­he Postionen zu vertreten.

Eine Antwort müssen nun die Sicherheit­skräfte in Europa geben, indem sie die Hintergrün­de der Taten klären und auch die offenen wie subtilen Hasspredig­er ins Visier nehmen. Sie müssen präzise arbeiten, den Terror mit allen Mitteln des Rechtsstaa­ts verfolgen, auch an seinen vermeintli­ch legalen Rändern – eine gewaltige Aufgabe. Frankreich­s Präsident Emmanuel Macron hat sie nach dem Anschlag auf den Lehrer Samuel Paty benannt und damit Hass hervorgeru­fen. Das mag am Ton seiner Rede gelegen haben, doch bei den Strukturen anzusetzen, ist richtig.

Kanzlerin Angela Merkel hat sich nach dem Anschlag in Wien schneller zu Wort gemeldet als etwa zu Dresden. Der islamistis­che Terror sei„unser gemeinsame­r Feind“, ließ sie erklären. Auf das Gemeinsame zu verweisen, ist der Versuch, die Saat des Hasses nicht aufgehen zu lassen. Unsere Lebensweis­e ist verletzlic­h. Das zeigt sich gerade auf so vielen Ebenen. Es ist Zeit, dem Hass den Krieg zu erklären. Gemeinsam. BERICHT WARNUNG

Newspapers in German

Newspapers from Germany