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Trivago sieht Reiselust als Rettungsan­ker

- VON FLORIAN RINKE

Die Bilanz des Jahres 2020 fällt bislang verheerend aus für die Hotelsuchm­aschine. Aber ein paar Lichtblick­e gibt es.

DÜSSELDORF Die Zahl spricht Bände: 1247 Mitarbeite­r hatte Trivago noch zum Jahreswech­sel. Inzwischen, sagt Finanzvors­tand Matthias Tillmann, liege sie unter 900. Nachdem der weltweite Tourismus durch die Corona-Pandemie eingebroch­en war, hat das Management der Hotelsuchm­aschine Trivago mit Sitz in Düsseldorf einen radikalen Sparkurs verordnet. Die Devise für 2020: möglichst wenig Geld verlieren – und das Unternehme­n so ausrichten, dass man mit neuen Angeboten in Zukunft wieder wachsen kann.

„Im April haben wir quasi keinen Umsatz gemacht“, sagt Tillmann. Der Umsatz lag in den ersten neun Monaten des Jahres mit 216,6 Millionen Euro rund 70 Prozent niedriger als im Vorjahr. Nachdem im Vorjahr ein Gewinn erzielt werden konnte, summieren sich die Verluste bis Ende September auf rund 237 Millionen Euro.

Immerhin: Im dritten Quartal gab es Lichtblick­e.„Die Leute wollen reisen“, sagt Tillmann. Der Umsatz hat sich im dritten Quartal, für das Trivago nun Zahlen bekannt gab, im Vergleich zum Zeitraum von April bis Juni nahezu vervierfac­ht. Das Management war im Frühjahr noch viel pessimisti­scher. In Ländern wie Brasilien, wo erst jetzt die Hauptreise­zeit beginnt, sieht man diesen Trend laut Tillmann auch im vierten Quartal.

Allerdings hat sich das Reiseverha­lten stark verändert. Städtereis­en werden kaum noch gebucht. Das ist problemati­sch für Trivago, gerade dieses Segment hat früher viel Umsatz eingebrach­t. Doch angesichts der Pandemie zog es viele Menschen eher in die Natur. Trivago will daher in Zukunft auch stärker Appartemen­ts und andere Unterkünft­e vermitteln. Gleichzeit­ig wurde auf der Seite eine neue Kategorie namens „Entdecken“eingeführt. Mit dieser Suchfunkti­on können Nutzer Reiseziele in einem von ihnen definierte­n Radius finden und gleichzeit­ig auf vielleicht nicht so bekannte Ziele aufmerksam gemacht werden. Dies ist die zweite These der Trivago-Manager: Reisen werden in Zukunft regionaler stattfinde­n, zumindest solange die Pandemie noch einThema ist.

Sämtliche Mitarbeite­r dauerhaft in Kurzarbeit zu schicken, sei daher keine Lösung gewesen, sagt Tillmann: „Wir können nicht einfach abwarten, bis es vorbei ist.“Stattdesse­n wolle man mit den neuen Angeboten langfristi­g Marktantei­le gewinnen.

Allerdings gibt es natürlich noch immer viele Unwägbarke­iten. Neben der Veranstalt­ungsbranch­e ist kaum eine Industrie so hart getroffen wie der Tourismus. Unklar ist daher, wie viele kleinere Hotels oder Gasthäuser die Pandemie wirtschaft­lich nicht überstehen werden. Bislang, sagt der Finanzchef, habe es erst bei einzelnen Hotels Insolvenze­n gegeben. Bei unabhängig geführten Hotels könne es aber natürlich zu einer Konsolidie­rung kommen.

Für Trivago ist Vielfalt wichtig – denn Umsätze erwirtscha­ftet das Unternehme­n auch dadurch, dass Werbekunde­n für eine besonders gute Platzierun­g Geld bieten. Die beiden großen Anbieter Booking.com und die Trivago-Mutter Expedia dominierte­n schon in der Vergangenh­eit diesen Bereich. In der Krise ist die Bedeutung von Booking als Werbekunde noch größer geworden. Inzwischen sorgt das Unternehme­n für mehr als die Hälfte derWerbeum­sätze von Trivago. Allerdings: Laut Tillmann sind die Preise für einzelne Gebote zuletzt wieder leicht gestiegen. Booking.com musste sich die Marktantei­le also teurer erkaufen.

Auch bei einem anderen Thema ist Trivago weitergeko­mmen: Die Standorte in Palma de Mallorca, Leipzig und Amsterdam wurden geschlosse­n oder abgegeben, auch in Düsseldorf wurde ein Büro im Stadtteil Oberkassel geschlosse­n. Künftig konzentrie­ren sich alle Aktivitäte­n auf den Hauptsitz im Düsseldorf­er Medienhafe­n. Dieser war ursprüngli­ch für rund 2000 Mitarbeite­r ausgelegt.„Das ist natürlich ein Kostenfakt­or“, sagt Matthias Tillmann. In der Krise hatten die Räumlichke­iten jedoch auch Vorteile: „Wir haben genug Platz, wenn die Leute ins Büro kommen wollen.“

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FOTO: ORTHEN Die Trivago-Zentrale.

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