Rheinische Post Krefeld Kempen
„Fußball und nicht das Geschlecht zählt“
Seit 50 Jahren ist Frauenfußball offiziell in Deutschland erlaubt. Seither ist einiges passiert – aber vieles bleibt zu tun.
Um die Entwicklung im deutschen Frauenfußball zu beschreiben, wird gerne die alte Geschichte vom Kaffeeservice aufgewärmt. 1989, als die Auswahl des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) zum ersten Mal den EM-Titel gewinnt, dürfen sie als Amateure keine finanzielle Prämie bekommen. Beim DFB will man aber dennoch seineWertschätzung zum Ausdruck bringen – und schenkt den Spielerinnen stattdessen ein Kaffeeservice von Villeroy & Boch, stattliche 41 Teile mit blauen, gelben und roten Blümchen verziert.
Eine davon ist MartinaVoss-Tecklenburg. Sie ist in den Jahren danach zu einem der Gesichter des Frauenfußballs hierzulande geworden. „Und wissen Sie was? Ich habe das Service immer noch. Jedenfalls in großen Teilen. Es ist ehrlich gesagt nicht mehr vollständig. Hermann (ihr Mann, der Bauunternehmer Hermann Tecklenburg; Anm. d. Red.) benutzt es fast täglich. Es ist also alles andere als ein Staubfänger.“
Aus heutiger Sicht wirkt es wie eine Respektlosigkeit, dass vom DFB eine solche Prämie ausgelobt wurde. Hat Sie sich damals veräppelt gefühlt? „So sehe ich das nicht. Es war der Anfang. Und sehen Sie, das Service hat ja bis heute auch seinen Zweck erfüllt. Es hat sich aber zum Glück in den vergangenen Jahren eine Menge getan“, sagt sie. „Auch im DFB hat es ein Umdenken gegeben. Frauen- und Männerbereich werden immer enger zusammengeführt. Seit ein paar Monaten profitieren wir in der DFB-Akademie ganz konkret von dem Austausch, können Synergien und Wissen viel besser nutzen. Wenn wir gefragt werden, was wir brauchen, um maximal erfolgreich zu sein, dann ist das nicht einfach so dahergesagt.“
Heute klingt alles so normal. Der DFB hat aber erst vor 50 Jahren in Travemünde auf seinem Verbandstag das Verbot des Frauenfußballs aufgehoben. Und auch nur unter einigen Auflagen. Eine halbjährliche Winterpause musste eingehalten werden und Stollenschuhe blieben für die Damen tabu. Das alles ist zum Glück ganz weit weg. Verbote gibt es keine mehr. Und doch gibt es noch immer einige mal mehr, mal weniger sichtbare Grenzen.
Als Inka Grings als erste Frau in der deutschen Fußball-Geschichte einen männlichen Klub aus einer der höchsten vier Spielklassen übernommen hatte, da wurde sie herumgereicht wie eine Außerirdische. Das Ende ihres Engagement beim SV Straelen haben die allermeisten dann später überhaupt nicht mehr mitbekommen. Grings hat aufgehört, sich darüber Gedanken zumachen, was andere denken könnten. Sie geht ihrenWeg. Und hat nach wie vor ihr Ziel vor Augen, als Trainerin weiter aufzusteigen. In diesen Tagen hospitiert sie bei Zweitligist Fortuna Düsseldorf und hat vor allem ein Ziel: lernen, lernen, lernen. Sicherlich nicht schädlich war bei der Vermittlung des Praktikumsplatzes, dass Grings und Voss-Tecklenburg seit Jahren ein enge Freundschaft verbindet. Voss-Tecklenburg ist neben ihrem Amt als Bundestrainerin auch Aufsichtsrätin von Fortuna.
Grings ist noch immer die Rekordtorschützin in der Bundesliga, war vier Mal Fußballerin des Jahres und hat mit der Nationalmannschaft die EM gewonnen. Und dennoch muss sie noch immer andere davon überzeugen, was sie für ein Wissen hat. Im Frauenbereich ist bislang eine A-Lizenz ausreichend, um ein Team zu trainieren. Sie hatte sich indes dafür entschieden, am Fußball-Lehrer-Lehrgang beim DFB teilzunehmen und hat die Prüfungen längst bestanden. Um einen Bundesligisten bei den Männern zu betreuen, ist das die Voraussetzung. „Ich bin dankbar, dass ich in Düsseldorf die Möglichkeit bekomme, mir die Arbeit anzusehen. Ein absolut spannender Erfahrungsaustausch“, sagt die 42-Jährige.
Sie hat gelernt, mit Vorurteilen umzugehen und lächelt die meisten dümmlichen Kommentare einfach nur weg.„Man weiß ja schon vorher, wie die meisten Jungs grundsätzlich über Frauenfußball denken. Damit muss man dann umgehen. Die Sprüche waren im erträglichen Rahmen. Ich unterscheide nicht nach Geschlechtern. Für mich ist alles Fußball.“Und sie will weiter ihren Weg in der Branche gehen. Und auf weitere Chancen hoffen.