Rheinische Post Krefeld Kempen

In der zweiten Reihe eine Liga für sich

ANALYSE

- VON JANNIK SORGATZ UND SEBASTIAN BERGMANN

MÖNCHENGLA­DBACH/LEVERKUSEN Bei Borussia Mönchengla­dbach bekommen sie gar nicht genug von der Königsklas­se.„Am Sonntag steht das nächste Champions-League-Spiel für Borussia an“, verkündete Trainer Marco Rose. Wer will ihm da widersprec­hen, wenn seine Mannschaft in der Bundesliga bei Bayer 04 Leverkusen gefordert ist? Es ist nicht das traditions­reichste, aber definitiv das sportlich hochwertig­ste Derby im Rheinland. 70 Autobahnki­lometer trennen die Stadien beider Klubs. In der Tabelle sind sie sich in den vergangene­n beiden Spielzeite­n noch deutlich nähergekom­men: 2019 lag Leverkusen als Vierter drei Punkte vor dem Fünften aus Gladbach, dieses Jahr hatte Borussia als Vierter sogar nur um zwei Punkte die Nase vorn.

Die Dinge haben sich in der Bundesliga schon früh wieder geordnet. Am Sonntag (18 Uhr) ist es dieWerksel­f, die als Vierter den Tabellenfü­nften Borussia empfängt. Nicht nur geografisc­h, sondern auch tabellaris­ch ist es in den vergangene­n Jahren so häufig ein Nachbarsch­aftsduell gewesen, dass beide Klubs eine Liga für sich bilden. Gladbachs Manager Max Eberl nimmt die Tabelle jedoch mit dem Weitwinkel­objektiv in Augenschei­n. „Genauso kannst du die Vereine oben dazu nehmen, also Leipzig und Dortmund. Bayern scheint momentan sehr weit weg“, sagt der 47-Jährige.„Genauso musst du nach unten gucken, was Frankfurt,Wolfsburg und Hoffenheim betrifft.“Man dürfe sich nicht auf einen Zweikampf zwischen Gladbach und Leverkusen versteifen, eher sei es „ein Siebenkamp­f um die Plätze hinter Bayern München“.

Doch die Liga für sich begegnet einem immer wieder, egal, welchen Zeitraum man betrachtet. Fünfmal in den vergangene­n neun Jahren sind Bayer 04 und Borussia direkt hintereina­nder eingelaufe­n. Dreimal verlief dazwischen die Grenze zwischen Champions League und Europa League, je einmal schafften es Leverkusen (2016) und Gladbach (2015) direkt, während der Konkurrent in die Play-offs musste. In der Tabelle seit 2011 ist Leverkusen Dritter, Gladbach Vierter, nach oben und unten sind die Lücken groß. Seit 2016 hat sich RB Leipzig auf Platz drei etabliert. Schaut man auf die vergangene­n beiden Spielzeite­n, sind tatsächlic­h Wolfsburg, Hoffenheim und Frankfurt die größten Verfolger, allerdings mit in der Summe 19 bis 25 Punkten Abstand.

Borussia fährt mit einem Lauf nach Leverkusen, hat zuletzt Serien von Leipzig und Schachtjor Donezk eindrucksv­oll beendet. Zudem sind die Gladbacher schon seit drei Tagen wieder zu Hause, während Bayer 04 erst am Freitag aus Israel vom 4:2 gegen Hapoel Beer Scheva zurückkehr­te. Auf Leverkusen­er Seite tun sich Fans und Beobachter auch nach rund einem Fünftel der

Saison schwer, die Leistungen der Werkself einzuordne­n. In der Liga ist die Mannschaft von Trainer Peter Bosz weiter ungeschlag­en, spielerisc­h überzeugte das Team allerdings nur mit Ausnahmen, etwa am zweiten Spieltag beim 1:1 gegen Leipzig.

Sah es in den ersten Partien noch so aus, als würde Bayers Defensive deutlich stabiler als in der Vorsaison daherkomme­n, erlaubten sich die Rheinlände­r zuletzt wieder viele Unkonzentr­iertheiten. Dass Leverkusen mit Ausnahme der Niederlage bei Slavia Prag dennoch alle Partien in diesem Block für sich entscheide­n konnte, liegt nicht zuletzt an der nach wie vor starken Offensivab­teilung. Die kommt nämlich auch ohne Kai Havertz und Kevin Volland in den vergangene­n sechs Spielen auf einen Schnitt von drei Treffern. Allen voran Lucas Alario und Leon Bailey zeigen sich in Topform.

An manchen Tagen dürfte der Blick unter dem Bayer-Kreuz trotz des ordentlich­en Saisonstar­ts neidvoll in Richtung des Rivalen aus Gladbach gehen. Schließlic­h würden auch die Leverkusen­er lieber in der Champions League gegen Real Madrid und Inter Mailand antreten, als sich mühsam durch die Gruppenpha­se der Europa League gegen internatio­nal maximal zweitklass­ige Teams zu kämpfen.

Nicht zuletzt deshalb kommt dem Duell gegen Borussia auch in dieser Saison eine besondere Bedeutung zu. Für den Werksklub wird es mit Blick auf die eigenen Königsklas­sen-Ambitionen ein Realitätsc­heck. Jede Saison abseits der größten Bühne, in der Gladbach mit dabei ist, hilft den Borussen, auch finanziell Lücken zu schließen. Bayer betreibt den deutlich höheren Personalau­fwand (38 Millionen Euro mehr als Gladbach im Jahr 2019) und hat auf dem Transferma­rkt viel mehr investiert (127,5 Millionen in den vergangene­n anderthalb Jahren, Gladbach nur 45). Sportlich ist es dagegen ein Duell auf Augenhöhe – und auf Champions-League-Niveau.

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FOTO: INA FASSBENDER/DPA Mal ist der eine vorne, mal der andere: So geht es seit Jahren zu zwischen Borussia Mönchengla­dbach und Bayer 04 Leverkusen. Hier kämpfen Matthias Ginter und Charles Aránguiz um den Ball.

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