Rheinische Post Krefeld Kempen
In der zweiten Reihe eine Liga für sich
ANALYSE
MÖNCHENGLADBACH/LEVERKUSEN Bei Borussia Mönchengladbach bekommen sie gar nicht genug von der Königsklasse.„Am Sonntag steht das nächste Champions-League-Spiel für Borussia an“, verkündete Trainer Marco Rose. Wer will ihm da widersprechen, wenn seine Mannschaft in der Bundesliga bei Bayer 04 Leverkusen gefordert ist? Es ist nicht das traditionsreichste, aber definitiv das sportlich hochwertigste Derby im Rheinland. 70 Autobahnkilometer trennen die Stadien beider Klubs. In der Tabelle sind sie sich in den vergangenen beiden Spielzeiten noch deutlich nähergekommen: 2019 lag Leverkusen als Vierter drei Punkte vor dem Fünften aus Gladbach, dieses Jahr hatte Borussia als Vierter sogar nur um zwei Punkte die Nase vorn.
Die Dinge haben sich in der Bundesliga schon früh wieder geordnet. Am Sonntag (18 Uhr) ist es dieWerkself, die als Vierter den Tabellenfünften Borussia empfängt. Nicht nur geografisch, sondern auch tabellarisch ist es in den vergangenen Jahren so häufig ein Nachbarschaftsduell gewesen, dass beide Klubs eine Liga für sich bilden. Gladbachs Manager Max Eberl nimmt die Tabelle jedoch mit dem Weitwinkelobjektiv in Augenschein. „Genauso kannst du die Vereine oben dazu nehmen, also Leipzig und Dortmund. Bayern scheint momentan sehr weit weg“, sagt der 47-Jährige.„Genauso musst du nach unten gucken, was Frankfurt,Wolfsburg und Hoffenheim betrifft.“Man dürfe sich nicht auf einen Zweikampf zwischen Gladbach und Leverkusen versteifen, eher sei es „ein Siebenkampf um die Plätze hinter Bayern München“.
Doch die Liga für sich begegnet einem immer wieder, egal, welchen Zeitraum man betrachtet. Fünfmal in den vergangenen neun Jahren sind Bayer 04 und Borussia direkt hintereinander eingelaufen. Dreimal verlief dazwischen die Grenze zwischen Champions League und Europa League, je einmal schafften es Leverkusen (2016) und Gladbach (2015) direkt, während der Konkurrent in die Play-offs musste. In der Tabelle seit 2011 ist Leverkusen Dritter, Gladbach Vierter, nach oben und unten sind die Lücken groß. Seit 2016 hat sich RB Leipzig auf Platz drei etabliert. Schaut man auf die vergangenen beiden Spielzeiten, sind tatsächlich Wolfsburg, Hoffenheim und Frankfurt die größten Verfolger, allerdings mit in der Summe 19 bis 25 Punkten Abstand.
Borussia fährt mit einem Lauf nach Leverkusen, hat zuletzt Serien von Leipzig und Schachtjor Donezk eindrucksvoll beendet. Zudem sind die Gladbacher schon seit drei Tagen wieder zu Hause, während Bayer 04 erst am Freitag aus Israel vom 4:2 gegen Hapoel Beer Scheva zurückkehrte. Auf Leverkusener Seite tun sich Fans und Beobachter auch nach rund einem Fünftel der
Saison schwer, die Leistungen der Werkself einzuordnen. In der Liga ist die Mannschaft von Trainer Peter Bosz weiter ungeschlagen, spielerisch überzeugte das Team allerdings nur mit Ausnahmen, etwa am zweiten Spieltag beim 1:1 gegen Leipzig.
Sah es in den ersten Partien noch so aus, als würde Bayers Defensive deutlich stabiler als in der Vorsaison daherkommen, erlaubten sich die Rheinländer zuletzt wieder viele Unkonzentriertheiten. Dass Leverkusen mit Ausnahme der Niederlage bei Slavia Prag dennoch alle Partien in diesem Block für sich entscheiden konnte, liegt nicht zuletzt an der nach wie vor starken Offensivabteilung. Die kommt nämlich auch ohne Kai Havertz und Kevin Volland in den vergangenen sechs Spielen auf einen Schnitt von drei Treffern. Allen voran Lucas Alario und Leon Bailey zeigen sich in Topform.
An manchen Tagen dürfte der Blick unter dem Bayer-Kreuz trotz des ordentlichen Saisonstarts neidvoll in Richtung des Rivalen aus Gladbach gehen. Schließlich würden auch die Leverkusener lieber in der Champions League gegen Real Madrid und Inter Mailand antreten, als sich mühsam durch die Gruppenphase der Europa League gegen international maximal zweitklassige Teams zu kämpfen.
Nicht zuletzt deshalb kommt dem Duell gegen Borussia auch in dieser Saison eine besondere Bedeutung zu. Für den Werksklub wird es mit Blick auf die eigenen Königsklassen-Ambitionen ein Realitätscheck. Jede Saison abseits der größten Bühne, in der Gladbach mit dabei ist, hilft den Borussen, auch finanziell Lücken zu schließen. Bayer betreibt den deutlich höheren Personalaufwand (38 Millionen Euro mehr als Gladbach im Jahr 2019) und hat auf dem Transfermarkt viel mehr investiert (127,5 Millionen in den vergangenen anderthalb Jahren, Gladbach nur 45). Sportlich ist es dagegen ein Duell auf Augenhöhe – und auf Champions-League-Niveau.