Rheinische Post Krefeld Kempen
Klimawandel
ANALYSE
Es ist ein Satz, der mehr ist als ein typisches Politikerversprechen: „Lasst uns jetzt einander eine Chance geben“, sagte Joe Biden in seiner ersten Rede, nachdem klargeworden war, dass er der nächste Präsident der Vereinigten Staaten sein würde. „Lasst uns einander eine Chance geben“ist eine vorsichtige, aber klare Aufforderung, eine Einladung, die, wie er immer wieder betonte, sowohl an seine Wähler geht als auch an jene, die ihn nicht gewählt haben.
So gab sich Joe Biden als der verständnisvolle, behutsame und auf Ausgleich bedachte Mann, den viele die vergangenen vier Jahre im Weißen Haus so vermisst haben. Und dass sich mit dem 77 Jahre alten, gläubigen Katholiken irischer Abstammung ein so maßvoller Charakter in der mächtigsten Position der Welt wähnt, wird Strahlkraft haben. Bidens ersteWorte an die Nation haben eine internationale Dimension.
In Deutschland ist vor allem Erleichterung zu spüren. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schrieb in einem Gastbeitrag für die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“, dass mit Bidens Wahl „die Hoffnung auf Verlässlichkeit, Vernunft und die beharrliche Arbeit an Lösungen in einer unruhigenWelt“verbunden sei. Außenminister Heiko Maas (SPD) warb für einen„New Deal“in den transatlantischen Beziehungen. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) wünschte Biden undVizepräsidentin Kamala Harris „von Herzen Glück und Erfolg“.
Die erste Reaktion der Kanzlerin war indes etwas für Feinschmecker des diplomatischen Stils. Nicht per E-Mail, nicht per Presseerklärung, sondern per Twitter – also auf der bevorzugten Kommunikationsplattform des abgewählten US-Präsidenten – gratulierte
Es gibt viele Szenen aus den USA, die am Wochenende die Erleichterung Tausender Menschen gezeigt haben. In New York und Philadelphia tanzten sie auf den Straßen, in Washington streckten sie ihre Mittelfinger aus, als Donald Trump vom Golfplatz zurückkehrte. Besonders in Erinnerung bleiben dürfte Van Jones, der im Studio von CNN von seinen Gefühlen überwältigt wurde.
Der Nachrichtensender legte sich als Erster fest, dass der Demokrat Joe Biden die Präsidentschaftswahl gewonnen hat. Wenige Minuten später war der politische Kommentator Jones live auf Sendung. Mit tränenerstickter Stimme sagte er: „Das ist eine große sie via Regierungssprecher Steffen Seibert Trumps Nachfolger und der künftigenVizepräsidentin Kamala Harris. Und während Trump noch darauf bestand, die Wahl gewonnen zu haben, stellte Merkel fest: „Die amerikanischen Bürgerinnen und Bürger haben entschieden. Joe Biden wird der 46. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika.“
Deutlich anders war ihr Glückwunsch vier Jahre zuvor ausgefallen. Zunächst hatte sie an die gemeinsamenWerte erinnert und sie einzeln aufgeführt: Demokratie, Freiheit, Respekt vor dem Recht und der Würde des Menschen, unabhängig von Herkunft, Hautfarbe, Religion, Geschlecht, sexueller Orientierung oder politischer Einstellung. Und dann erklärt: „Auf der Basis dieser Werte“biete sie dem künftigen Präsidenten Trump eine enge Zusammenarbeit an. Gegenüber Biden drückte sie ohne jede Einschränkung ihre Freude auf die Zusammenarbeit aus.
Dass Merkel ihre Glückwünsche ausdrücklich an Biden und Harris als Team adressierte, ist auch bemerkenswert: 2016 hatte sie nur Trump gratuliert, nicht seinem Vize Mike Pence. Harris ist die erste Frau, die zur Stellvertreterin eines US-Präsidenten gewählt wurde. Merkel war 2005 die erste Frau, die Chefin einer Bundesregierung wurde.
Politisch also ist der transatlantische Klimawandel mit Händen zu greifen. Und auch was die deutsche Wirtschaft betrifft, dürfte Bidens Wahl zumindest in gewissem Maße positive Impulse bringen. Nach Ansicht des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung liegt das vor allem daran, dass die neue US-Regierung zu einem großangelegten neuen Konjunktur- und Investitionsprogramm bereit ist, das die Chance auf eine rasche wirtschaftliche Erholung der USA nach der Corona-Krise erhöht. Die Trump-Administration hat
Autokraten dürfen nicht mehr auf Rückenwind aus Washington hoffen