Rheinische Post Krefeld Kempen
Betrüger arbeiten mit Psycho-Drehbuch
Wie schaffen es Telefon-Betrüger, wildfremden Menschen Geld abzuschwatzen? Sie arbeiten nach einem exakten Plan, mit raffinierten Psychotricks und üben subtil Druck aus. Ein Spezialist der Krefelder Polizei berichtet.
Tausende Menschen werden jedes Jahr Opfer von Betrügern. Telefonbetrug ist eine häufige Art, Menschen um ihr Geld zu bringen. „Wir hatten Fälle, bei denen eine einzige Bande bis zu einer halben Million Euro erbeutet hat. Für solche Summen muss man ungefähr 25 Banken überfallen. Dabei ist dann aber sowohl das Risiko, als auch das Strafmaß viel höher“, sagt Heinz Siemes. Er ist Erster Kriminalhauptkommissar und Leiter des Kommissariats 12 in Krefeld, das sich mit Wirtschaftskriminalität, Betrug und Cybercrime befasst.
Es gebe verschiedene Maschen, mit denen Betrüger vor allem ältere Menschen auszunehmen versuchen. „Sie nutzen die Gutmütigkeit aus, geben sich als Menschen aus, die im Auftrag von Enkeln, Neffen oder Nichten anrufen. Dabei haben sie eine so raffinierte Fragetechnik, dass sie Namen und Wohnorte herausfinden und sich damit scheinbar legitimieren. Die Angerufenen wissen oft gar nicht mehr, dass sie den Namen Minuten zuvor selbst verraten haben. Oder sie bauen Druck auf. Zum Beispiel indem sie sich als Polizisten ausgeben“, erläutert der Experte. Gerade dabei sei die Masche extrem durchorganisiert. „Die Leute gehen Telefonbücher durch und suchen nach Namen, die vor allem ältere Menschen haben. Die rufen sie an und sagen beispielsweise, dass in der Gegend eine Diebesbande unterwegs sei und fragen, ob sie Alarmanlagen und einen Tresor hätten. Dann raten sie, Bargeld und Wertsachen an die Polizei zu übergeben“, erzählt er.
Die vermeintlichen Polizisten seien dann aber die Betrüger. Die schlügen oft vor, sich zunächst bei den Notrufnummern rückzuversichern. „Sie sagen, sie würden auflegen und spielen ein Freizeichen ein. Eigentlich steht die Leitung aber noch. Dann spielen sie die Atmosphäre einer Notruf-Leitstelle ziemlich originalgetreu nach und verbinden scheinbar wieder zum angeblichen Anrufer. Viele Menschen, die nicht aktiv selbst auflegen, gehen in diese Falle“, sagt er.
Gerade in der Türkei gebe es Callcenter, in denen Regisseure die Betrugsmaschen choreografieren. „Oft sind es in Deutschland geborene Menschen, denen ein Urlaub in der Türkei geschenkt wird und die das Angebot bekommen, für diese ‚Arbeit‘ eine Verlängerung oder Geld zu erhalten. Sie sprechen muttersprachlich Deutsch. Es sind nicht nur Menschen türkischer Abstammung“, erläutert Siemes.
Die neueste Masche: Die Sorge um Angehörige wegen Covid-19 wird ausgenutzt. „Sie sagen, ein Angehöriger brauche dringend Geld für lebensrettende Medizin. Meist passieren Geldübergaben in Bar oder es werden Überweisungen ins Ausland getätigt. Das Schlimme für die Opfer:Während bei Raub im Normalfall eine Versicherung greift, ist das Geld bei solchen Betrugsmaschen unwiderruflich weg“, warnt Siemes: „In Deutschland haben wir eine Krankenversicherung, lebensrettende Medikamente werden nicht aus Kostengründen verweigert.“
Gibt esWege, sich gegen diese Maschen zu wehren?„Hundertprozentige Sicherheit gibt es nicht. Aber es gibt ein paar Faustregeln: Niemals Menschen, die man nicht persönlich kennt, Geld oder Wertsachen übergeben. Sich immer rückversichern, indem man sich die Identität von einer Person bestätigen lässt, die man persönlich kennt. Auch Firmen rufen niemals aktiv an und verlangen Zugriff auf Computer. Eine angebliche Microsoft-Hotline ist eine aktuell sehr beliebte Betrugsmasche. Dabei werden Online-Banking oder der ganze Rechner gekapert“, warnt Siemes.
Ein weiterer Tipp: „Diese Leute sprechen eigentlich nie auf den Anrufbeantworter und fragen nicht nach Rückrufen, denn damit müssten sie echte Rufnummern angeben. Meist täuschen sie im Display falsche Nummern vor.“
Sehr gut sei die Zusammenarbeit mit den Banken in der Region. „Gerade die Sparkassen, aber auch andere Banken, achten darauf, wenn ältere Menschen plötzlich unerwartet größere Summen abheben und sprechen mit den Menschen, unterrichten uns gegebenenfalls“, erzählt der ehemalige LKA-Mitarbeiter, der auch schon die Stelle für IT-Betrug in Düsseldorf leitete.
Wer den Behörden helfen wolle, der solle sich möglichst viele Notizen machen. „Aber ich bitte ausdrücklich: Legen Sie lieber sofort auf und lassen sich auf nichts ein, als das Risiko einzugehen, doch noch überredet zu werden“, appelliert er.