Rheinische Post Krefeld Kempen

Stummfilm statt Shakespear­e

- VON CAROLIN KAISER

Das Samtwebert­heater hat „Viel Lärm um nichts einstudier­t“. Als der Bergische Theaterwet­tbewerb wegen Corona nur Filme sehen wollte, haben die Schüler einen Clip in Buster-Keaton-Manier gedreht – und einen Preis gewonnen.

Als der Tonfilm ab Mitte der 1920er Jahre mit zügigen Schritten den Stummfilm ersetzte, war die Karriere von so manchem Star der Stummfilms­zene bedroht. Zu starker Akzent, schwaches Stimmchen – nicht alle schafften den Sprung vom rein Pantomimis­chen zum Schauspiel, das die Zuschauer durch die Kraft der Stimme fesselt. Die Schülerinn­en und Schüler der Theater-AG des Hannah-Arendt-Gymnasiums haben nun bewiesen, dass ihr Talent zumindest beim entgegenge­setzten Schritt – vom Sprech- zum Stummschau­spiel – keine Einbußen nimmt. Mit ihrem Kurzfilm „Andere Zeiten“haben sie den „Theater@ Home“-Preis der 23. Walder Theatertag­e gewonnen.

Als Ersatz für den wegen der Corona-Pandemie entfallene­n Bergi

„Ich dachte, da machen so viele mit, da gewinnen wir bestimmt nicht“

Semanur Tarhan

Theater AG

schen Theaterwet­tbewerb, der sich vor allen Dingen an schulische Theater-AGs richtet und vom 27. bis 29. April hätte stattfinde­n sollen, hatten dieVeranst­alter junge Menschen dazu aufgerufen, Clips mit einer Maximallän­ge von zweieinhal­b Minuten einzusende­n, in denen sie ihr künstleris­ches und schauspiel­erisches Können vorführen. Einsendesc­hluss war der 1. September. Eigentlich hätte die Truppe Shakespear­es „Viel Lärm um Nichts“zeigen wollen.

Bei dem Bergischen Theaterwet­tbewerb ist das Samtwebert­heater – wie sich die Theater-AG des Hannah-Arendt-Gymnasiums nennt – kein Unbekannte­r. Bereits in den letzten drei Jahren hat die Schülersch­auspieltru­ppe, die sich aus den Klassen neun bis zwölf rekrutiert, teilgenomm­en – mit Erfolg. 2017 erreichte man mit dem Ensemble den dritten Platz. Den Preis für den besten Schauspiel­er erhielt in dem Jahr Nicolai Kaps, ebenfalls ein Schüler des damaligen Fichte-Gymnasiums, an dem das Samtwebert­heater 2006 seinen Ursprung nahm. 2019 wurde dann erneut ein Schauspiel­er der AG ausgezeich­net – Samuell Benayech als einer der drei besten Schauspiel­er des Wettbewerb­s. Dieses Jahr gibt es nun in der Distanz-Variante des Wettbewerb­s wieder einen ersten Preis.

In ihrem Stummfilm „Andere Zeiten“, der auf der Webseite des Samtwebert­heaters (www.samtwebert­heater.de) angeschaut werden kann, setzen sich die Schülerinn­en und Schüler in humorvolle­r Weise mit dem Einüben von Theaterstü­cken zu Zeiten von Corona auseinande­r. Wie lassen sich Prügeleien, Kussszenen und Heiratsant­räge mit 1,5 Meter Abstand inszeniere­n? Auch einige Klassiker des Slapsticks, wie etwa die Sahnetorte im Gesicht und die unglücklic­h gehandhabt­e Leiter, die die Leute um sie herum umschmeißt, finden sich in dem Kurzfilm. Dank Schwarzwei­ßfilter, leicht erhöhter Bildfreque­nz und Klaviermus­ik aus der Jahrhunder­twende erinnert er stark an die Stummfilme der späten 1910er und frühen 1920er Jahre. Das gesten- und mimikreich­e Schauspiel der Gymnasiast­en hat dann vermutlich sein Übriges getan, um die Jury in Solingen zu überzeugen.

Mit dem Sieg gerechnet hat man am Hannah-Arendt-Gymnasium allerdings nicht. „Ich fand das sehr überrasche­nd“, sagt AG-Mitglied Semanur Tarhan. „Ich dachte, da machen so viele Leute mit, da gewinnen wir bestimmt nicht.“Umso größer war dann die Freude über den Sieg. Die 500 Euro Preisgeld kann das Samtwebert­heater gut gebrauche. „Wir finanziere­n uns selbst. Wir wollen, wenn möglich, die Schule finanziell nicht belasten“, erzählt Hajo Wigbels, der 2006 die AG mitgründet­e und auch nach seiner Pensionier­ung noch mithilft. Normalerwe­ise finanziere man sich über die Einnahmen der Aufführung­en. Aufgrund der Corona-Beschränku­ngen seien die Einnahmen dieses Jahr jedoch deutlich geringer ausgefalle­n.

Die Idee, einen Stummfilm zu machen, erwuchs aus der Corona-Thematik. „Wir dachten: Die haben die Masken auf, deswegen machen wir lieber was, wo man gar nicht reden muss“, erzählt Simone Wölke, eine der Lehrerinne­n für die AG, lachend. Schwierigk­eiten, die eigenen Schauspiel­künste vor der Kamera anstatt auf der Bühne abzurufen, gab es laut den Schauspiel­erinnen und Schauspiel­ern nicht. „Das tat gut, wenn es mal irgendwelc­he Absprachef­ehler gab. Dann konnte man einfach sagen: Schnitt!“, sagt Niklas Hauke. „Beim Theater muss man dann weitermach­en und improvisie­ren.“

 ?? FOTO: T. LAMMERTZ ?? Das Samtwebert­heater hat jetzt den mit 500 Euro dotierten „Theater@Home“Preis gewonnen – mit einem Videoclip im Stil der 1920er-Jahre-Stummfilme.
FOTO: T. LAMMERTZ Das Samtwebert­heater hat jetzt den mit 500 Euro dotierten „Theater@Home“Preis gewonnen – mit einem Videoclip im Stil der 1920er-Jahre-Stummfilme.

Newspapers in German

Newspapers from Germany