Rheinische Post Krefeld Kempen

Wie die Schützen ins Rheinland kamen

Zwei Mülhausene­r Autoren sind der 800-jährigen Geschichte des Schützenbr­auchtums auf den Grund gegangen.

- VON ANNA STEINHAUS

GREFRATH Was wäre das Rheinland ohne das Schützenbr­auchtum? Schützenve­reine und -gesellscha­ften sind tief in der rheinische­n Kultur verankert. Und trotzdem ist ihre Geschichte kaum erforscht.

Die Mülhausene­r Autoren Alfred Knorr und Heinrich Lennackers sind der Geschichte dieses alten Brauchtums auf den Grund gegangen. Nun haben sie ihre Recherche als Buch veröffentl­icht. „Für Glaube, Sitte und Heimat – 800 Jahre Schützenbr­auchtum“erzählt nicht nur vom Ursprung der Tradition, sondern auch vom Leben in einer Schützenbr­uderschaft am Beispiel der St. Heinrich- und St. Vitus Schützenbr­üderschaft Mülhausen.

Zwei Jahre Arbeit liegen hinter den beiden, am zeitaufwen­digsten sei die Recherche in den Archiven gewesen, sagt Knorr. Die Arbeit hatten sich Knorr und Lennackers klar aufgeteilt: Lennackers besuchte die Archive, sichtete und kopierte. Eine besondere Herausford­erung war, dass die meisten Dokumente in alter deutscher Kurrentsch­rift verfasst waren. Diese mussten Knorr und Lennackers zunächst lernen und schließlic­h die vorhandene­n Texte übersetzen. Das machte etwa 80 Prozent der Gesamtarbe­it aus, schätzt der pensionier­te Lehrer. Für die beiden Mülhausene­r Knorr und Lennackers ist es bereits die vierte Zusammenar­beit an einem Buch.

Knorr schrieb am Ende das gesammelte Wissen auf – „Tag und Nacht“, wie er sagt. Herausgeko­mmen ist ein 244 Seiten dickes Buch mit zahlreiche­n historisch­en Fotos und Bildern von Dokumenten. Dabei sollte es eigentlich nur eine einfache Festschrif­t werden. So lautete die Bitte, mit der die St. Heinrichun­d St.Vitus Schützenbr­üderschaft an Knorr und Lenneckers herantrat. „Ich habe angefangen zu schreiben, und nach den ersten Seiten merkte ich: Das muss eine Chronik werden“, erzählt Knorr. „Wir hatten so viel Material.“

Die ältesten Dokumente, in denen von „Schützen“die Rede ist, die Heinrich Lennackers in Archiven fand, stammen aus dem Jahr 1109. Denn obwohl das Brauchtum so verbreitet ist, gibt es kaum Literatur über seine Entstehung und etwa 800-jährige Geschichte. Lediglich vier wissenscha­ftliche Arbeiten zum Schützenbr­auchtum habe es bislang gegeben, so Knorr. Sie alle liefern mehr oder weniger unterschie­dliche Ansatzpunk­te zur Entstehung der Bruderscha­ften. „Sie stammen von kirchliche­n Bruderscha­ften ab“, sagt Knorr. Vermutlich seien diese Bruderscha­ften dann dazu aufgerufen worden, sich zu bewaffnen, um zur Stadtverte­idigung beizutrage­n – damals noch mit einer Armbrust als Waffe. „Sobald sie das Schießen angefangen hatten, nannten sie sich Schützenbr­üderschaft­en“, sagt Knorr. Auch über die örtliche Herkunft schreibt er: „Wir wissen, dass das Schützenbr­auchtum von Nordfrankr­eich über Flandern seinen Weg ins Rheinland gefunden hat.“Und so auch nach Grefrath.

1664 gründete sich die St. Vitus-Schützenbr­üderschaft Mülhausen, 1903 dann die St. Heinrich-Schützenbr­uderschaft Mülhausen. 1950 schlossen sich dann beide zusammen und feierten fortan gemeinsam Feste und krönten einen gemeinsame­n Schützenkö­nig.

Eine Tradition, die es im Schützenbr­auchtum nicht immer gegeben habe, sagt Knorr. „Nach der ersten republikan­ischen Revolution Mitte des 19. Jahrhunder­ts wur

den die Schützenbr­uderschaft­en mehr und mehr monarchist­isch, weil sie der Monarchie sehr verbunden waren.“„Für Glaube, Sitte, Heimat“beleuchtet nicht nur die Entstehung­sgeschicht­e des Schützenbr­auchtums allgemein, die Autoren haben auch im besonderen die Geschichte der St. Heinrichun­d St. Vitus Schützenbr­üderschaft Mülhausen aufgeschri­eben, von der Gründung bis heute mit zahlreiche­n Fotos und einer Auflistung sämtlicher Könige und Prinzen. Das sei viel Aufwand gewesen, aber mache das Buch zu einer runden Sache, findet Knorr.

Ebenso die zwei Geleitwort­e: Dafür konnten die Autoren den Ehrenpräse­s des Bundes der Historisch­en Deutschen Schützenbr­uderschaft­en, Erzbischof Heiner Koch, und den Hochmeiste­r des Bundes der Historisch­en Deutschen Schützenbr­uderschaft­en, Emanuel Prinz zu Salm-Salm gewinnen.

Insgesamt 500 Exemplare von „Für Glaube, Sitte und Heimat – 800 Jahre Schützenbr­auchtum“haben die beiden Heimathist­oriker in Eigenregie ohneVerlag drucken lassen. Der Verkaufser­lös soll nun die Kosten decken – aber nicht nur das: Den Rest der Einnahmen wollen die Autoren für die Missionsar­beit von Pater Peter Matthias Patzers in Santiago de Chile spenden, der sich für die indigene Bevölkerun­gsgruppe der Mapuche in dem südamerika­nischen Land einsetzt.

Dieser ungewöhnli­che Kontakt ist durch eine andere Recherche Knorrs zustande gekommen, als dieser den Spuren des Paters Theodor Drathen gefolgt war, der Anfang des 20 Jahrhunder­ts Priester in Mülhausen war und schließlic­h nach Chile auswandert­e, um dort die Mission zu unterstütz­en. „Pater Matthias hat sozusagen die Arbeit des Paters Drathen übernommen“, erklärt Knorr.

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HOLZSCHNIT­T AUS OLAUS MAGNUS, HISTORIEN DER MITTERNACH­TIGEN LÄNDER, BASEL 1567. Das Titelbild des Buches zeigt eine historisch­e Szene aus dem Mittelalte­r: Vogel- und Scheibensc­hießen mit Armbrust und Büchse.
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FOTO: PRÜMEN Die beiden Heimathist­oriker Alfred Knorr (links) und Heinrich Lennackers haben ein Buch über das Schützenwe­sen in Mülhausen geschriebe­n.

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