Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Bundespräs­ident und die Krise

Frank-Walter Steinmeier müht sich, in der Pandemie die Gesellscha­ft zu einen.

- VON GREGOR MAYNTZ UND KERSTIN MÜNSTERMAN­N

BERLIN Die eleganten Sitzmöbel stehen im großen Abstand bereit, die Leitungen zu den drei anderen Gesprächst­eilnehmern sind geschaltet, als Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier den Saal in Schloss Bellevue betritt. Er wirkt fast so etwas wie fröhlich, ist auch im nachfolgen­den Gespräch immer wieder zum Lachen und zu ironischen Bemerkunge­n aufgelegt. Dabei geht es um die größte und vielleicht sogar tödlichste Herausford­erung, die Deutschlan­d zu bewältigen hat – mitten in seiner Präsidents­chaft.

Die Größe der Herausford­erung beantworte­t Steinmeier bislang mit kleinen Formaten. So wie an diesem Dienstag im Gespräch mit Bürgern, die von Corona wieder genesen sind. Joachim Huber ist da, der Berliner Tagesspieg­el-Redakteur, der Corona als „Arschloch“bezeichnet hat, weil es ihn fünf Wochen ins Koma fallen ließ. Nadja Alzner ist da, die Yoga-Lehrerin, die in der Krankheit ihre Stimme verlor. Zugeschalt­et ist Clarissa Engels aus Heinsberg, die sich im Karneval ansteckte, achtWochen mit den Symptomen zu kämpfen hatte, die damals noch kaum bekannt waren. Wie sie spricht auch Heinz-Wilhelm Esser („Doc Esser“) vom Remscheide­r Sana-Klinikum von dem „wahnsinnig­en Lufthunger“, den Covid-19-Erkrankte auch Monate nach dem Abklingen der stärksten Symptome noch befällt. Mike Singer, Sänger und Songwriter mit leichtem Verlauf, berichtet davon, wie er bei seinen jungen Fans auf allen möglichen Kanälen Bewusstsei­n dafür schaffen will, wie leicht jeder seine eigenen Eltern und Großeltern anstecken könne.

Die letzte Ansprache von Steinmeier war seine Rede zum Tag der Deutschen Einheit. Die Infektions­zahlen kletterten bereits, die zweite Welle war in Sicht. Aber das Thema Corona schnitt Steinmeier darin nur am Rande an, meinte in eher dürren Worten, dass es zwar richtig sei, sich auf die Bekämpfung des Virus zu konzentrie­ren. „Aber wir sollten nicht in Sorge erstarren“– und viel mehr auf die Zeit nach Corona blicken. An diesem Dienstag nimmt er zunächst zu den aus dem Ruder gelaufenen Demonstrat­ionen in Leipzig Stellung, spricht danach von der Zeit seiner Quarantäne und beeindruck­t die Gäste nachhaltig. „Doc Esser“schwärmt davon, wie dieser Mann zuhöre, wie er auf die Menschen eingehe. Musiker Singer wünscht sich für dieses Erlebnis „den größeren Rahmen“. Und der Bundespräs­ident? „Ich nehme das mal mit“, sagt Steinmeier. Man darf gespannt sein, wo er es hinbringt, der Präsident in der Krise.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier empfing die Covid-19-Genesenen Nadja Alzner (l.) und Joachim Huber (r).

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