Rheinische Post Krefeld Kempen
Der Bundespräsident und die Krise
Frank-Walter Steinmeier müht sich, in der Pandemie die Gesellschaft zu einen.
BERLIN Die eleganten Sitzmöbel stehen im großen Abstand bereit, die Leitungen zu den drei anderen Gesprächsteilnehmern sind geschaltet, als Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den Saal in Schloss Bellevue betritt. Er wirkt fast so etwas wie fröhlich, ist auch im nachfolgenden Gespräch immer wieder zum Lachen und zu ironischen Bemerkungen aufgelegt. Dabei geht es um die größte und vielleicht sogar tödlichste Herausforderung, die Deutschland zu bewältigen hat – mitten in seiner Präsidentschaft.
Die Größe der Herausforderung beantwortet Steinmeier bislang mit kleinen Formaten. So wie an diesem Dienstag im Gespräch mit Bürgern, die von Corona wieder genesen sind. Joachim Huber ist da, der Berliner Tagesspiegel-Redakteur, der Corona als „Arschloch“bezeichnet hat, weil es ihn fünf Wochen ins Koma fallen ließ. Nadja Alzner ist da, die Yoga-Lehrerin, die in der Krankheit ihre Stimme verlor. Zugeschaltet ist Clarissa Engels aus Heinsberg, die sich im Karneval ansteckte, achtWochen mit den Symptomen zu kämpfen hatte, die damals noch kaum bekannt waren. Wie sie spricht auch Heinz-Wilhelm Esser („Doc Esser“) vom Remscheider Sana-Klinikum von dem „wahnsinnigen Lufthunger“, den Covid-19-Erkrankte auch Monate nach dem Abklingen der stärksten Symptome noch befällt. Mike Singer, Sänger und Songwriter mit leichtem Verlauf, berichtet davon, wie er bei seinen jungen Fans auf allen möglichen Kanälen Bewusstsein dafür schaffen will, wie leicht jeder seine eigenen Eltern und Großeltern anstecken könne.
Die letzte Ansprache von Steinmeier war seine Rede zum Tag der Deutschen Einheit. Die Infektionszahlen kletterten bereits, die zweite Welle war in Sicht. Aber das Thema Corona schnitt Steinmeier darin nur am Rande an, meinte in eher dürren Worten, dass es zwar richtig sei, sich auf die Bekämpfung des Virus zu konzentrieren. „Aber wir sollten nicht in Sorge erstarren“– und viel mehr auf die Zeit nach Corona blicken. An diesem Dienstag nimmt er zunächst zu den aus dem Ruder gelaufenen Demonstrationen in Leipzig Stellung, spricht danach von der Zeit seiner Quarantäne und beeindruckt die Gäste nachhaltig. „Doc Esser“schwärmt davon, wie dieser Mann zuhöre, wie er auf die Menschen eingehe. Musiker Singer wünscht sich für dieses Erlebnis „den größeren Rahmen“. Und der Bundespräsident? „Ich nehme das mal mit“, sagt Steinmeier. Man darf gespannt sein, wo er es hinbringt, der Präsident in der Krise.