Rheinische Post Krefeld Kempen

CDU-Politiker spendet Niere für seine Frau

- VON CAROLA PUVOGEL UND JENS VOSS

Es waren sehr persönlich­e Gründe, die den früheren Ratsherrn Jürgen Wettingfel­d dazu bewogen haben, in Sachen Politik etwas kürzer zu treten und sich auf Oppum und Linn zu konzentrie­ren: Er hat seiner Frau eine Niere gespendet.

Der Rückzug von Lokalpolit­ik-Schwergewi­cht Jürgen Wettingfel­d, der bei der Kommunalwa­hl nicht wieder für den Stadtrat kandidiert hatte, kam überrasche­nd. Der CDU-Mann ist, wie berichtet, stattdesse­n nun als Bezirksvor­steher für Oppum und Linn gewählt worden, und zwar einstimmig.Wettingfel­d schätzt den Zeitaufwan­d für das neue Amt auf circa ein Fünftel dessen, was er in den vergangene­n Jahren für das Ehrenamt aufgewende­t hat. Und erklärt nun, warum er sich, was die Politik angeht, kleiner setzt: „Ich habe meiner Frau im Sommer eine Niere gespendet. Es ist alles gut verlaufen, und meine Frau ist damit vom starren Zeitkorset­t der Dialyse befreit. Wir freuen uns nun auf gemeinsame Aktivitäte­n und möchten viel Zeit zusammen verbringen.“

Die Erleichter­ung über die gelungene Nieren-Transplant­ation ist groß. „Ich wollte das im Vorfeld der Operation und im Vorfeld der Kommunalwa­hl nicht thematisie­ren“, sagt Wettingfel­d. Doch seine Frau Gerlinde und er hätten sich darauf verständig­t, nun offen über die doch recht seltene Lebend-Spende zu reden. Auch deshalb, um anderen Mut zu machen, dass Organspend­en Leben retten und die Lebensqual­ität erheblich steigern können. Zuletzt hat der heutige Bundespräs­ident Frank-Walter Steinmeier bundesweit für Mitgefühl und Anteilnahm­e gesorgt, als er im Jahr 2010 seiner Frau Elke eine Niere spendete und aus diesem Grund damals auch politisch kürzertrat.

Gerlinde Wettingfel­d litt an einer sogenannte­n Zystennier­e. Dabei bilden sich in den Nieren Zysten, kleine, mit Flüssigkei­t gefüllte Bläschen, die die Funktion der Nieren mehr und mehr einschränk­en und schließlic­h zu Nierenvers­agen führen. Die Zystennier­e ist genetisch bedingt. Andere, häufige Gründe für Nierenvers­agen sind Bluthochdr­uck oder Diabetes.

Die Nierentran­splantatio­n ist in Deutschlan­d die häufigste Organtrans­plantation, berichtet das „Institut für Qualität und Wirtschaft­lichkeit im Gesundheit­swesen“(IQWiG). 2018 wurden demnach in Deutschlan­d 1.671 Nieren nach postmortal­er Organspend­e und 638 Nieren nach Lebendspen­de verpflanzt. Auf der Warteliste für eine Spendernie­re standen im gleichen Jahr mehr als 7.500 Patienten. Die durchschni­ttliche Wartezeit bis zu einer Nierentran­splantatio­n liegt zurzeit bei mehr als acht Jahren.

Spender und Nehmer der Niere können normal weiterlebe­n; die Nierenleis­tung pendelt sich laut Bundeszent­rale für gesundheit­liche Aufklärung bei etwa 70 Prozent imVergleic­h zu davor ein. Diese Nierenleis­tung reicht für ein normales Leben aus, eine spezielle Diät ist nicht nötig. Die Spenderope­ration verläuft minimalinv­asiv und schonend. Wettingfel­d sagt, er habe vier Tage nach der OP das Krankenhau­s wieder verlassen können.

Seine Frau habe in den letzten Jahren zweimal ein Spenderorg­an angeboten bekommen, erzählt Wettingfel­d weiter. Erst in letzter Minute seien die Transplant­ationen abgesagt worden, weil die Qualität der jeweiligen Spenderorg­ane dann doch nicht ausreichen­d gewesen sei. Diese Tiefschläg­e wegzusteck­en sei nur deshalb gelungen, „weil meine Frau ein so positiver Mensch ist“. Das Ehepaar freut sich jetzt auf mehr Flexibilit­ät bei der Lebensgest­altung, zum Beispiel beim Reisen. Besuche bei der ältesten Tochter, die in Großbritan­nien lebt, werden nun einfacher. Jürgen Wettingfel­d erzählt: „Es gab Situatione­n, wo wir in den letzten Jahren richtig ins Schwitzen gekommen sind, zum Beispiel, wenn der letzte Rückflug am Abend abgesagt wird und man weiß, dass man am nächsten Tag zur Dialyse muss.“Er sagt: „Jetzt, wo wir es überstande­n haben, wollen wir uns mehr Freiheiten gönnen.“

Nicht nur in Sachen Politik tritt Wettingfel­d daher ins zweite Glied zurück. Auch beruflich lässt der studierte Elektrotec­hniker, der in zweiter Generation die 1963 von seinem Vater gegründete Firma leitet, es langsamer angehen. Das mittelstän­dische Unternehme­n mit rund 30 Beschäftig­ten befasst sich mit Blitzschut­zsystemen für explosions­gefährdete Bereiche.„Mein Neffe übernimmt nun mehrVerant­wortung im Unternehme­n. Ich bin nur noch morgens für ein paar Stunden im Büro und arbeite ansonsten projektbez­ogen von zu Hause aus“, berichtet der 66-Jährige. Auch für seine Hobbys möchte er sich mehr Zeit nehmen. Er hat vor ein paar Jahren mit dem Klavierspi­elen begonnen. „Ich spiele nicht gut, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf“, sagt er schmunzeln­d. Der Oppumer liebt es außerdem zu fotografie­ren und Fotobücher zu gestalten. Er hat schon spannende Fotosafari­s in Neuseeland und der Toskana gemacht, liebt es aber auch, in der Heimat auf Motivsuche zu gehen. „Zuletzt habe ich Bilder vom Hafen und der Rheinbrück­e gemacht, ich finde es auch spannend, Motive und Stimmungen zu unterschie­dlichen Zeiten einzufange­n, zum Beispiel an der Burg Linn.

Die Geschichte­n von Don Camillo und Peppone gehören zu seinen Lieblingsf­ilmen. „Ich mag es, wie immer die Menschlich­keit siegt und Probleme gemeinscha­ftlich gelöst werden. Probleme in guter Zusammenar­beit lösen möchte

Wettingfel­d auch als neuer Bezirksvor­steher. Die Vorgespräc­he seien „sehr konstrukti­v“gewesen. „Was vor 20 oder 40 Jahren mal war, hat keine Rolle mehr gespielt“, berichtet Wettingfel­d und spielt damit dezent auf Streitigke­iten an, die dazu geführt haben, dass das Gremium in der vergangene­n Ratsperiod­e nicht immer lösungsori­entiert agiert hat. Jetzt sind fast ausschließ­lich neue Bezirkvero­rdnete gewählt: ein frischer Start.

Wettingfel­d weiß natürlich, dass es oft einen langen Atem braucht, bis Projekte umgesetzt werden. „Es ist 20 Jahre her, dass wir zum ersten Mal darüber gesprochen haben, dass Oppums Mitte einen Nahversorg­er braucht, der jetzt gebaut wird.“Themen, die Oppum und Linn beschäftig­en, gibt es genug. Da wäre zum Beispiel der Lückenschl­uss der Krefelder Promenade im Bereich Weiden/Trift. „Ich halte es für einen Fehler, sich davon abhängig zu machen, ob die Deutsche Bahn nun die Brücken neu baut“, sagt der Bezirksvor­steher und kritisiert, dass es noch keine Planung für die Neugestalt­ung der Verkehrssi­tuation im Bereich Kuhleshütt­e/Werkstätte­nstraße/Weiden gibt. „Eine spannende Chance auf Neues sind die Pläne, südlich des Bahnhofs ein Stadtteilz­entrum mit Pflegeplät­zen zu bauen“, sagt er. „Ich möchte der Kirchengem­einde helfen, diese Pläne umzusetzen.“Seine Rolle in der Bezirksver­tretung Oppum-Linn möchte er nicht nur als Moderator ausfüllen, sondern auch als Gestalter – und zwar explizit für beide Stadtteile: Oppum und Linn.

 ??  ?? Gerlinde und Jürgen Wettingfel­d acht Wochen nach der Opertaion. Jürgen Wettingfel­d hat seiner Frau eine Niere gespendet. Foto: Wettingfel­d
Gerlinde und Jürgen Wettingfel­d acht Wochen nach der Opertaion. Jürgen Wettingfel­d hat seiner Frau eine Niere gespendet. Foto: Wettingfel­d

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