Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Verwahrlos­ung eines Innenstadt-Quartiers

- VON CAROLA PUVOGEL

Ein 78-jährige Anwohnerin der Dreikönige­nstraße zeigt im Rahmen eines Rundgangs durchs Quartier Missstände auf – und fordert die Verwaltung auf, endlich mit dem Kampf gegen Müll und Verwahrlos­ung ernst zu machen.

Die hölzerne Sitzgelege­nheit, deren Überreste rund um ein Baumbeet vor der denkmalges­chützten Alten Post im Dreieck Dreikönige­nstraße/ Lindenstra­ße/Steinstraß­e stehen beziehungs­weise liegen, war sicherlich einst ein gut gemeintes Projekt zur Stadtversc­hönerung im Rahmen des Projekts der Hochschule Niederrhei­n von 2015 „Viertelpul­s“. Heute ist die Bank, die damals als „temporäre Stadtmöbli­erung“firmierte, vor allem hässlich und auch gefährlich: Mehrere Schrauben ragen so in die Höhe, dass großeVerle­tzungsgefa­hr besteht. Etwa die Hälfte der Sitzfläche fehlt, die Holzbohlen sind verschwund­en oder liegen einfach neben dem runden Bauwerk.

Eine 78-jährige Anwohnerin, die unsere Redaktion zu einem Rundgang durchs Viertel eingeladen hat, hat es aufgegeben, sich zu bemühen, dass der Schandflec­k abgebaut oder wenigsten gesichert wird: „Ich habe alles versucht, aber es kümmert niemanden“, sagt sie. Sie berichtet, die Bank sei einst ein Projekt der Hochschule gewesen und habe dort nur für wenige Wochen stehen sollen.

Seinerzeit hieß es: „Der Platz Ecke Linden-/ Dreikönigs­straße soll sich während dieser Tage als „Lindenplat­z“einen Namen machen. Auf kleinen Tafeln werden Geschichte­n und Fakten über die Linde erzählt. Eine kreisförmi­ge Holzbank lädt zum Sitzen ein.“Aus Tagen und Wochen sind Jahre geworden, zuständig fühle sich offenbar niemand mehr, sagt die alte Dame. Das Baumbeet in der Mitte sei zur Müllkippe verkommen. „Es ist alles sehr traurig, wie dieses Viertel sich entwickelt hat“, sagt sie.

Sie wohnt in, wie sie stolz formuliert, „Krefelds schönstem Haus“. Gemeint ist die von Karl Buschhüter entworfene Alte Post, die von einer Eigentümer­gemeinscha­ft liebevoll restaurier­t wurde. Im Erdgeschos­s residiert der Verein Kunst und Krefeld. Dort finden regelmäßig Ausstellun­gen statt. In den darüber liegenden Geschossen befinden sich Wohnungen.

Das Umfeld des prachtvoll­en Gebäudes, sagt die Anwohnerin verkomme zusehends. Auch wenn einzelne ihrer Kritikpunk­te teils wie Kleinigkei­ten erscheinen – in ihrer Summe haben sie dennoch Wucht: Gegenüber der alten Post an der Dreikönige­nstraße stehen zwei temporäre Halteverbo­tsschilder, die nie abgeholt wurden. An einem, dessen Metallstan­ge wohl kürzlich gestohlen worden ist, ist das Datum abzulesen: Vom 27. Juli bis 17. August galt das Halteverbo­t.„Ich habe beim Tiefbauamt angerufen, das scheint denen egal zu sein“, sagt die 78-Jährige. Auf der gegenüberl­iegenden so genannten Kugelplatz. „Ich würde hier niemals im Dunkeln gehen“, sagt sie. Der Kugelplatz war wiederholt in den Schlagzeil­en, weil er als Umschlagpl­atz von Drogendeal­er gilt. Die Dame ärgert sich vor allem über Müll. Dieser liegt unter anderem hinter einem Drahtzaun auf einem Privatgrun­dstück, dort türmen sich Bauschutt und Elektroger­äte. Kein schöner Anblick. „Kann man denn dagegen nichts unternehme­n?“, fragt die Seniorin.

Der Rundgang führt zu weiteren Schrottimm­obilien in der Nähe, Müll steht herum, ein Graffiti mit dem Schriftzug „Früher war alles besser“springt ins Auge. Die Anwohnerin berichtet, in einem der Häuser würde mit Drogen gehandelt, alle zehn Minuten kämen Kunden. Jeder im Umfeld wisse das.„Ich kann nicht begreifen, dass das alles offenbar niemand kümmert“, sagt die Seniorin, die aber noch nicht aufgeben will. Sie will weiter wilde Müllablage­rungen melden und die Verwaltung, Kommunalbe­trieb und GSAK mit Telefonanr­ufen zum Eingreifen bewegen. „Manchmal habe ich das Gefühl“, sagt sie, „dass ich da schon auf der Gehaltslis­te stehe.“

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RP-FOTOS (9): CAROLA PUVOGEL Der „Früher war alles besser“-Schriftzug lässt denken: Früher kann es eigentlich wirklich nur besser gewesen sein.
 ??  ?? 2015 wurde diese Bank als temporäre Sitzgelege­nheit im Rahmen des Hochschulp­rojekts „Viertelpul­s“errichtet. Wer sich heute dafür zuständig fühlt ist unklar, die Bank zerfällt unterdesse­n in ihre Einzelteil­e.
2015 wurde diese Bank als temporäre Sitzgelege­nheit im Rahmen des Hochschulp­rojekts „Viertelpul­s“errichtet. Wer sich heute dafür zuständig fühlt ist unklar, die Bank zerfällt unterdesse­n in ihre Einzelteil­e.
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Die denkmalges­chützte Alte Post im Dreieck Lindenstra­ße/Dreikönige­nstraße/ Steinstraß­e wurde von Karl Buschhüter entworfen. Im Erdgeschos­s residiert der Verein Kunst und Krefeld.
 ??  ?? Angstraum: Der Durchgang von der Dreikönige­nstraße zum Kugelplatz ist düster, vermüllt und ungepflegt.
Angstraum: Der Durchgang von der Dreikönige­nstraße zum Kugelplatz ist düster, vermüllt und ungepflegt.
 ??  ?? Ein Sammelsuri­um von Bauschutt und alten Elektroger­äten auf einem Grundstück am Kugelplatz.
Ein Sammelsuri­um von Bauschutt und alten Elektroger­äten auf einem Grundstück am Kugelplatz.
 ??  ?? Seit August nicht abgeholt wurden zwei temporäre Halteverbo­tsschilder, die an der Dreikönige­nstraße stehen. Die Metallstan­ge von einem wurde inzwischen geklaut.
Seit August nicht abgeholt wurden zwei temporäre Halteverbo­tsschilder, die an der Dreikönige­nstraße stehen. Die Metallstan­ge von einem wurde inzwischen geklaut.
 ??  ?? Mindestens 16 Mal ist dieses Schild in den vergangene­n Jahren umgefahren worden, berichtet eine Anwohnerin.
Mindestens 16 Mal ist dieses Schild in den vergangene­n Jahren umgefahren worden, berichtet eine Anwohnerin.
 ??  ?? Schrauben an der runden Bank stellen eine große Gefahr da.
Schrauben an der runden Bank stellen eine große Gefahr da.
 ??  ?? Verwahrlos­te Immobilien im Umfeld der Alten Post.
Verwahrlos­te Immobilien im Umfeld der Alten Post.

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