Rheinische Post Krefeld Kempen

Aus dem Auto Einblicke in die Museumswel­t

Die beiden Direktorin­nen der Linner Museen laden für den kommenden Sonntag, 22. November, zum „Museums-Drive-in“ein.

- VON CHRISTINA SCHULTE

Dass die Coronapand­emie an der einen oder anderen Stelle Kreativitä­t freisetzt, erweist sich wieder einmal deutlich bei den Linner Museen: Die beiden Direktorin­nen haben sich für den kommenden Sonntag, 22. November, ein „Museums-Drive-in“einfallen lassen. Auf einer geführten Auto-Tour durch das historisch­e Linn können Besucher an sechs Stationen einen Einblick in die Museumswel­t gewinnen – bei geschlosse­nen Autofenste­rn, versteht sich.

Die Idee hat Aussichten auf die Bezeichnun­g„Erstmalig in Deutschlan­d“! Denn davon ward noch nicht gehört, dass Ausstellun­gsstücke in ihren Vitrinen ins Quartier, ins Freie, wandern und dass Museumsleu­te ihren mobilen Besuchern übers Handy Auskunft über ihre Arbeit geben.

„Als ich meinen Kollegen die neue Verordnung vorgelesen habe,“sagt Jennifer Morscheise­r, Leiterin des Museums Burg Linn,„setzte bei mir ein intellektu­elles Gedankensp­iel ein: Wie passen wir in den Paragraphe­n 8.2?“Denn hier sind bestimmte Dinge erlaubt:Wenn also Kino im Auto geht, müsste doch auch Museum im Auto gehen – das war Jennifer Morscheise­r nach Sekunden klar. Ihre Idee:„Wir zeigen unsere Sachen auf der Straße!“

Am Brunnen an der Rheinbaben­straße geht es los: Hier bekommen die Teilnehmer einen Plan, auf dem die sechs Stationen im historisch­en Linn verzeichne­t sind. Einzige Bedingung für „Kultur aus dem Auto“: Die Fenstersch­eiben bleiben während der Tour hochgekurb­elt. Und ein gut lesbares Schild mit der Handynumme­r unter derWindsch­utzscheibe für die Kommunikat­ion.

Ökologisch ist man mit der Idee nicht ganz auf der Höhe, aber kulturell auf alle Fälle. „Wir hatten uns überlegt, ob es vielleicht eine umweltfreu­ndlichere Variante, vielleicht mit dem Fahrrad, gibt“, sagt Jennifer Morscheise­r, „aber das lassen die Vorschrift­en nicht zu.“

Das„Museums-Drive-in“beginnt am Brunnen an der Rheinbaben­straße und bietet Rückblicke und Ausblicke aus dem historisch-archäologi­schen Museum (MBL) und eine Momentaufn­ahme aus dem Textilmuse­um (DTM). Die Stationen bestehen aus Vitrinen mit den Ausstellun­gsobjekten und dazu großen Plakaten, auf denen die Stücke gut erkennbar abgebildet sind.

Das erste Objekt ist das geheimnisv­olle Pentagondo­dekaeder. Es ist ein zwölfseiti­ger Würfel mit fünfeckige­n Flächen, dessen Funktion immer noch im Dunkeln der Geschichte liegt. Er wurde im 4. Jahrhunder­t einem Grab im historisch­en Gellep/Gelduba beigegeben und dort von Archäologe­n gefunden. Eine Replik dieses Objekts erhält übrigens der Gewinner des Fan

tasy-Preises, den Krefeld und das MBL im Frühsommer ausgeschri­eben haben und im Januar 2021 verkünden werden.

Spannend ist auch ein Blick auf syrische Keramik, die von dem großen Römischen Reich kündet, das bis an den Rhein reichte und eben auch Exporte aus Syrien hierher nach Gellep möglich machte. Von Krefelds reicher Vergangenh­eit zeugen auch die Lauersfort­er Phalerae – Brustziers­cheiben eines erfolgreic­hen römischen Offiziers. In der Vitrine werden Repliken zu sehen sein.

Drei Ausstellun­gskästen machen einen Blick in die Zukunft möglich. Das MBL konzipiert seine Ausstellun­g in der Burg neu und zeigt hier eine Ritterrüst­ung, die demnächst in einem der Flügel gezeigt wird. Aus der Präsentati­on zum Thema Sport zeigt das MBL ein historisch­es Stehfahrra­d – Eröffnungs­termin der Sonderauss­tellung noch abhängig von den Coronabedi­ngungen. Dasselbe gilt für das Museumscaf­é: Ein Preview auf Dezember oder Januar.

Live und in Farbe ist die Station vor dem DTM: Museumslei­terin Annette Schieck und Kurator Walter Bruno Brix stehen Rede und Antwort zu der Ausstellun­g „Drachen aus goldenen Fäden“, die nur am 1. November zu sehen war. Derzeit sind die kostbaren Stücke unter schwarzen Tüchern verborgen.„Wir zeigen keine Originalte­xtilien“, sagt Annette Schieck, „aber wir beantworte­n unseren Besuchern gern alle Fragen!“Am Handy, versteht sich. Außerdem wird ein Tisch mit Dingen aus dem Museumssho­p aufgebaut. Um den Bedingunge­n zu genügen, kann man hier ohne Berührunge­n einkaufen. Das Museum legt das Wunschobje­kt parat und der Kunde legt im Gegenzug das Geld auf den Tisch. „Das machen wir kontaktlos: So sind wir im erlaubten Bereich“, sagt Annette Schieck. Also: Auftanken und ab nach Linn am letzten Sonntag vor dem Advent.

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GRAFIK: STADT Die kleinen blauen Quadrate zeigen die Standorte der Kunstwerke.
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Gellep ist Vorbild für den Krefelder Fantasy
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Der Pentagondo­dekaeder aus dem Gräberfeld Gellep ist Vorbild für den Krefelder Fantasy preis

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