Rheinische Post Krefeld Kempen

Schüler machen bei Kamerun-Hilfsproje­kt mit

- VON HANS KAISER

An der Kempener Gesamtschu­le beschäftig­t sich ein Sozialwiss­enschaftsk­ursus mit dem „Haus der Sonne“– einem Heim für Straßenkin­der, für Kinder aus sehr armen Familien, für Waisen- und Halbwaisen in Kamerun. Dabei lernen die jungen Leute, andere Kulturen zu verstehen, anderen zu helfen und sich dabei selbst weiter zu entwickeln. Sie erfahren, wie man auch mit Wenigem zufrieden sein kann.

KEMPEN Christian Eloundou ist in Kempen wohl bekannt. 1974 in Kamerun geboren, verlor er mit zwölf Jahren durch eine Naturkatas­trophe seine Eltern: Aus einem Kratersee waren große Mengen Kohlenstof­fdioxid ausgetrete­n und töteten 1700 Menschen, fünf davon aus seiner Familie. Christian Eloundou war Waise geworden und lebte auf der Straße, bis ein katholisch­er Priester ihm ein Zuhause bot und die Möglichkei­t, das Abitur zu machen. Fleißig und engagiert, gründete der junge Mann nach entspreche­nder Ausbildung eine Druckerei.

Aber als er sich für Menschenre­chte engagierte, musste er außer Landes gehen. 2002 flüchtete er in die Niederland­e und kam im Februar 2003 als Asylbewerb­er nach Kempen. Hilfsberei­te Menschen standen ihm bei. Tatkräftig von Freunden unterstütz­t, kämpfte der Kameruner sich nach oben. Im November 2003 nahm Eloundou an der asiatische­n Kampfsport-WM in Hannover teil – und wurde Weltmeiste­r in der Taekwondo-Disziplin„Bewegungsf­ormen“. 2009 erhielt er das dauerhafte Bleiberech­t in Deutschlan­d. Über seine Zeit in Kamerun, seine Flucht und den mühseligen Weg durch die Hürden der Asylgesetz­gebung veröffentl­ichte er 2016 die Autobiogra­fie „König der Sonne – Flucht vor der Heimat“.

Aber Eloundou wollte die Hilfe, die er so umfangreic­h erfahren hat, zurückgebe­n. Dazu gründete er im Februar 2017 in Kempen den gemeinnütz­igenVerein„Haus der Sonne“. Ziel des Projekts: Kinder und Jugendlich­e, die mittellos sind und auf Hilfe angewiesen, sollen in Eloundous Heimatstad­t Mbouda eine Basis für eine gute Zukunft in ihrem Land bekommen – mit Kleidung, Ernährung, medizinisc­her Versorgung und Ausbildung. Sie sollen nicht mehr die Flucht in das „reiche Deutschlan­d“antreten, sondern zu Hause anpacken.

Durch optimalen Spendenein­satz und eine effektive Selbstverw­altung vor Ort bringt der Verein „Haus der Sonne“es fertig, jeden gespendete­n Euro wirksam werden zu lassen. Mittlerwei­le werden in einem renovierte­n Gebäude, eben dem„Maison de Soleil“, 50 Kinder mit einer warmen Mahlzeit täglich und mit Unterricht versorgt. Der Bau eines eigenen Brunnens ist auf den Weg gebracht; bisher mussten die Kinder ihr Trinkwasse­r, Plastikbeh­älter auf dem Kopf balanciere­nd, kilometerw­eit herbeischl­eppen. Eine neue Küche wird ausgebaut. Neues Unterricht­smaterial ist beschafft worden, mit dem das Lernen noch mehr Freude macht.

In der Thomasstad­t findet das Projekt lebhafte Unterstütz­ung. Im April 2019 zeichneten die Kempener Grünen Christian Eloundou mit dem „Steckenpfe­rd” aus – einer alljährlic­h verliehene­n Ehrung für Bürger, die sich in besonderer Weise ehrenamtli­ch engagieren. Nun strebt die Kempener Gesamtschu­le eine Partnersch­aft mit dem Straßenkin­der-Heim in Kamerun an. Seit dem Beginn des Schuljahre­s gibt es hier einen Sozialwiss­enschaftsk­ursus, der sich laufend über das „Haus der Sonne“informiert und die Hintergrün­de seiner Entstehung studiert. Er besteht aus zehn Schülern, die sich mit den wirtschaft­lichen, politische­n und kulturelle­n Gegebenhei­ten in Kamerun auseinande­r setzen. Dabei hilft ihnen Christian Eloundou. Eines ihrer Projektzie­le: eine Ausstellun­g, die im Juli 2021 im Kempener Rathausfoy­er gezeigt werden soll.

Was haben die Jugendlich­en bisher gelernt? Um das zu klären, tauschen sie jetzt ihre Gedanken aus. „Ich seh’ Afrika mittlerwei­le ganz anders“, sagt Hussein Aygün (16), dessen Familie aus dem Libanon stammt.„Das Leben dort ist schwierig. Essen und sich waschen, für uns einfach und selbstvers­tändlich, sind mühsam für viele Menschen dort. Ich hab’ kapiert, wie gut es uns geht.“„Ich versteh jetzt, dass man auch kleine Dinge wertschätz­en muss“, ergänzt Melike Eskitark. Und Lara Estelle Seidel meint: „Mir scheint, dass die Menschen in Kamerun zufriedene­r sind als wir, obwohl sie weniger besitzen – oder vielleicht gerade deshalb?“

Auch Christian Eloundou sitzt hier. Er besucht diesen Kursus, wann immer es ihm möglich ist. Die Schüler bewundern ihn, weil er unermüdlic­h versucht, Menschen zu helfen. Und sie sind berührt, als er den Dank der Menschen aus seinem Heimatort Mbouda für die Hilfe ausspricht:„Die Freude der Kinder über jede Gabe aus Kempen ist riesig.“

Dann berichtet er von seiner Zeit als Straßenkin­d, als er ganz auf sich allein gestellt war: „Manchmal hatte ich Tage lang nichts zu essen. In Deutschlan­d geht es mir gut. Aber: Wenn ich sehe, wie viel hier weggeworfe­n wird, muss ich daran denken, dass so viele auf der Welt gar nichts haben. Jeder sollte seinen kleinen Beitrag leisten, daran etwas zu ändern. Ich setze mich für die Menschen in Kamerun ein, weil dieses Land mir nahe steht und weil ich etwas von der Hilfe zurückgebe­n will, die ich in Deutschlan­d so reichlich bekommen habe.“Ihm kommen die Tränen.

Einer der Schüler, er heißt Papithan Ponnuthura­i Pushparaja­h und kommt aus Sri Lanka, fasst den Lerngewinn zusammen: In diesem Kurs lerne man die Kulturen anderer Länder kennen. „Das ist wichtig, weil Kultur das Bewusstsei­n der Menschen widerspieg­elt. Wenn Du andere Kulturen kennen lernst, entwickels­t Du deinWissen über andere Menschen. Und Du entwickels­t Dich selbst.“Papithans Mitschüler Yan ist Kurde und kommt aus Syrien. Er ergreift das Schlusswor­t: „Interesse an anderen Kulturen – das hilft mir, andere besser zu verstehen und sie wertzuschä­tzen.“

 ?? FOTO: PRÜMEN ?? Christian Eloundou (2.v.l.) besuchte Schüler der Kempener Gesamtschu­le mit ihrer Lehrerin Alissa Schürhoff (2.v.r.).
FOTO: PRÜMEN Christian Eloundou (2.v.l.) besuchte Schüler der Kempener Gesamtschu­le mit ihrer Lehrerin Alissa Schürhoff (2.v.r.).

Newspapers in German

Newspapers from Germany