Rheinische Post Krefeld Kempen
Stadtbäume fit machen für Klimawandel
Eine Strategie: Umstellung auf neue Arten. Unklar ist, wie sich das Klima entwickelt. Es kann auch mehr Kälte geben.
In den vergangenen zwei Jahren haben heiße und vor allem trockene Sommer für große Schäden an den Krefelder Stadtbäumen gesorgt. Eine ausreichende Bewässerung ist aufgrund der Vielzahl der Gewächse kaum möglich. Schon in den vergangenen beiden Sommern baten dieVerantwortlichen auch die Bürger um Hilfe. Dennoch mussten und müssen Hunderte Bäume gefällt werden. Während die Politik versucht, der Klimakrise mit Neupflanzungen entgegen zu wirken, ist die Zahl der Stadtbäume derzeit per saldo rückläufig.
Doch wie wird es weitergehen? Sieht der Ring im Jahr 2050 aus wie der Hollywood-Boulevard, mit Palmen und ohne Laubbäume? „Das wird derzeit in manchen Städten tatsächlich versucht“, sagt Franz Feldmann. Er ist seit 36 Jahren für die Straßenbäume der Stadt Krefeld zuständig und heute im Kommunalbetrieb (KBK) Sachgebietsleiter Baumüberwachung und Baumpflege. „Das Problem ist, dass wir eigentlich keine Ahnung haben, wie sich das Klima hier lokal entwickelt. Dass es global wärmer wird, ist unstrittig. Aber es gibt auch Hypothesen, wonach das abschmelzende Arktis-Eis zu einem Ende des Golfstroms und damit lokal zu einer deutlichen Abkühlung in Europa führen könnte“, erläutert er die Problematik für die Planer. Dabei sei es auch nicht möglich, kurzfristig auf Veränderungen zu reagieren. „Damit wir einen Baum als Straßenbaum pflanzen können, braucht er eine gewisse Größe. Einfach einen Samen in die Erde stecken, das funktioniert hier nicht. Der Baum würde schlicht kaputtgemacht. Darum müssen die Bäume vorgezogen werden. Auch muss der Wuchs entsprechend durch einen Schnitt in den frühen Jahren korrigiert werden. Sonst würde der Baum zu tiefe Äste ausbilden und zum Verkehrshindernis. Damit es eine schöne Krone gibt, müssen Bäume in Baumschulen vorgezogen werden. Das aber macht den Prozess sehr langwierig. Wir reden von 15 oder 20 Jahren“, sagt er.
Entsprechend schwierig ist die Lage für Straßenbäume nicht nur in Krefeld, sondern in ganz Deutschland. Die Verantwortlichen fahren eine Doppelstrategie. Der erste Punkt ist eine Auswahl widerstandsfähiger Arten. Dabei steht aber nicht nur Trockenheit und Hitze im Fokus. Auch Krankheiten sind ein wichtiger Punkt. „Generell wird hier die Weißbuche empfohlen. Die hat bei uns aber stark gelitten. Wir haben in Krefeld bisher gute Erfahrung mit der Amerikanischen Esche gemacht. Sie ist auch bislang nicht vom Eschentriebsterben betroffen. Auch der Ginkgo ist eine Art, die sehr gut geeignet ist. Hier sind aber die nach Aas stinkenden Früchte ein Ärgernis. Leider können auch männliche Bäume an einzelnen Ästen Früchte ausbilden“, sagt Feldmann. Generell habe Krefeld derzeit ein sehr breites Spektrum an Arten, was ein Vorteil sei.
Der zweite und wichtigere Punkt aber sei die richtige Lage. „Derzeit haben wir die Situation, dass viele Bäume nur kleine Baumscheiben von vielleicht zwei bis vier Quadratmetern haben. Hier kann dann nur wenig Wasser eindringen und auch die Durchlüftung des Bodens ist kaum möglich“, sagt der Experte. Darum sei eine großflächige Entsiegelung der besteWeg für gesunde Bäume.„Damit würde mehrWasser versickern. Auch heizen sich Rasenflächen weit weniger auf als Asphalt, was die Temperaturen und damit den Wasserbedarf verringert“, erklärt Feldmann.
Ein gutes Beispiel sei der Ring im Bereich hinter der Hülser Straße. „Früher wurde hier auf dem Mittelstreifen geparkt. Noch in den frühen 90er Jahren war das so. Die Bäume waren in einem katastrophalen Zustand. Der Boden war extrem verdichtet. Immer wieder gelangten Kraft- und Schmierstoffe ins Erdreich. Die Bäume hatten meist schon im Juli keine Blätter mehr. Dann wurde, gegen große Widerstände, das Parken auf dem Mittelstreifen verboten und der Boden aufgelockert. Der Effekt war faszinierend. Die Bäume haben sich in wenigen Jahren erholt. Eigentlich waren wir sicher, dass sie alle gefällt werden müssten. Aber heute sind sie weitgehend gesund“, sagt er sichtlich begeistert.
Ein Angebot an offenen Flächen hätte dabei auch weitere Vorteile. „Wir haben an vielen Stellen das Problem von Straßenschäden. Bäume wurzeln in alle Richtungen, um Wasser, Halt und Nährstoffe zu finden. Dabei heben sie auch Straßen, Geh- und Radwege an. Wenn aber andere Möglichkeiten da sind und der Baum sich gut versorgen kann, geht dasWachstum eher in die Richtungen, in denen ein ungehindertes Wachstum möglich ist. Und der Baum wurzelt tiefer. Das erhöht,
wenn es einigermaßen in alle Richtung gehen kann, die Standfestigkeit und schont die Verkehrsflächen“, sagt Feldmann.
Die größte Hoffnung für Krefelds Bäume ist also weniger eine veränderte Zusammensetzung der Arten, sondern vielmehr eine Verkehrswende. „Wenn Verkehrsflächen neu aufgeteilt werden, dann sollten nicht nur Radfahrer und Fußgänger bedacht werden, sondern auch Bäume. Bekommen die mehr Platz, dann sind sie gesünder. Mehr Bäume kühlen die Stadt, was nicht nur für Menschen angenehmer ist, sondern auch die Bedingungen für die Bäume verbessert. Damit ist es ein selbsterhaltendes System“, erläutert Feldmann.
Automatische Bewässerungssysteme könnten ein weiterer Mosaikstein sein. Bäume seien für eine vitale Stadt essenziell. „Sie reinigen die Luft von Giften, erzeugen Sauerstoff und sie kühlen besser als eine Klimaanlage – ganz ohne CO2 und Stromkosten“, sagt Feldmann.