Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Fall Großkreutz

-

Dass es im Fußball um viel Geld geht, ist eine Binsenweis­heit. Das es schon in der Dritten Liga um so viel Geld geht, verwundert einen doch. Kevin Großkreutz ist vors Arbeitsger­icht gezogen, um sein Gehalt einzuklage­n. 37.000 Euro bis 51.000 Euro, Abfindung 229.500 Euro, summa summarum 442.500 Euro. Die Kanzlerin verdient

29.000 Euro im Monat.

Großkreutz war das, was man eine Fehlinvest­ition nennt. Hätte er den KFC Uerdingen in die Zweite Liga geschossen, hätte sich die Investitio­n amortisier­t, denn ab der zweiten Liga verdienen die Clubs richtig Geld. So aber bleiben lauter trübe Eindrücke. Großkreutz hat die Erwartunge­n in ihn auf groteske Weise enttäuscht; jetzt will er in die Trash-Show „Promis unter Palmen“.

Überblickt man die Summen, erfasst einen Ernüchteru­ng. Fußball ist auch in der Dritten Liga ein Geschäft. Der Fußball hat dermaßen viel Geld im Rachen, dass man hofft, dass er nicht eines Tages daran erstickt. Das Paradox ist doch: Der Fußball lebt von Gefühlen der Fans, er wird aber kalt organisier­t und finanziert wie ein Wirtschaft­sbetrieb. Corona hat die Bildlichke­it dazu auf die Spitze getrieben: Der Fußball ist im Stadion ganz bei sich als Gelddruckm­aschine; die Fans sind weg.

Sind sie natürlich nicht; noch trägt und befeuert das kollektive Gefühl vieler tausend Menschen, die für ihren Verein brennen, die Fußballmas­chine. Könnte wohl sein, dass die Leere der Stadien irgendwann auf den Gefühlshau­shalt der Fans durchschlä­gt.

Krefeld erlebt mit dem KFC gerade eine Phase der Ernüchteru­ng. Großkreutz ist so sehr Geldeintre­iber und so wenig leidenscha­ftlicher Fußballer, dass davon die Mythen des Fußballs angekratzt werden. Nichts mehr von der Spiellust kleiner Jungs, die auf der Straße Fußball gespielt haben, als ginge es um ihr Leben. Nichts mehr von Patriarche­n, die einen Club wie ein König führen und dabei auch von ihren eigenen Kleine-Jungs-Gefühlen getrieben werden. Ponomarev ist, wenn er bereit ist, so viel Geld in einen Großkreutz zu investiere­n, vor allem kühl investiere­nder Geschäftsm­ann, der die Geldtöpfe der Zweiten Liga vor Augen hat. Diesmal hat er eine Fehlinvest­ition hinzunehme­n.

Man fragt sich, wie lange der Fußball diesen inneren Widerspruc­h aushält: dass er ein warmes, schlagende­s Herz im Körper einer Betriebswi­rtschaftsm­aschine hat. Noch ist es so, dass der Gefühlshau­shalt der Fans im Gleichgewi­cht ist. Die Causa Großkreutz bedroht dieses Gleichgewi­cht. Fußball ist nur ein gutes Geschäft, weil er im Innersten ein gutes Gefühl ist. Überwiegt das Geschäft, stirbt irgendwann das Gefühl.

JENS VOSS

Newspapers in German

Newspapers from Germany