Rheinische Post Krefeld Kempen

Stadt in Sorge wegen Unfällen mit Rehen

- VON JENS VOSS

Sechs tote Rehe in diesem Jahr, zwölf im Jahr 2019: Die Tiere sind sehr anpassungs­fähig, nur Autoverkeh­r wird ihnen zum Verhängnis. Stadtförst­er Poschmann erläutert, warum es so viele Rehe ins Stadtgebie­t zieht.

Es ist kaum zu glauben: Auch in einem dichtbesie­delten Gebiet wie der Stadt Krefeld leben so viele Rehe, dass etliche von den Tieren von Autos getötet werden. In diesem Jahr kam es bereits zu 21 Unfällen, 2019 waren es insgesamt 31 Vorfälle. Die Stadt hat nun reagiert und appelliert an die Autofahrer, wachsam zu sein. Auf dem Europaring warnen neue Schilder vor Wildwechse­l. Allein dort kam es zwischen dem 4. und 11. November zu mehreren Wildunfäll­en, bei denen eine ganze„Familie“, bestehend aus zwei diesjährig­en Kitzen, dem Kitz aus dem Vorjahr sowie der Ricke, überfahren worden sind. Wo und wie leben die Tiere? Im Gespräch mit Krefelds Stadtförst­er Jens Poschmann wird deutlich: Die Anpassungs­fähigkeit der Rehe wird ihnen in gewisser Hinsicht zum Verhängnis. Sie nutzen das Nahrungsan­gebot im Umfeld des Menschen, brauchen wenig Deckung – nur dem Autoverkeh­r sind die Tiere nicht gewachsen.

Die Stadt denkt auch über weitere Maßnahmen zurVerhütu­ng von – auch für den Menschen gefährlich­en – Unfällen nach. Im Gespräch sind neben der Beschilder­ung eine Temporeduz­ierung, Wildwarnre­flektoren an den Straßenlei­tpfosten und das Zurückschn­eiden derVegetat­ion am Straßenran­d. Angedacht ist ein runder Tisch zur Erörterung des Themas, das fast ganz Krefeld betrifft. „Mit Wildtieren muss außer im direkten Innenstadt­bereich fast überall im Krefelder Stadtgebie­t gerechnet werden“, sagt Katrin Gardner, Leiterin des Fachbereic­hs Umwelt und Verbrauche­rschutz.

Die Unfallorte: Auf dem Europaring zwischen derWerner-Voß-Straße und der Moerser Straße kamen 2020 bisher acht Rehe um, im Vorjahr waren es neun. Im Hülser Bruch gibt es gleich mehrere Stellen, an denen es häufig zu Wildwechse­l kommt: Auf der Nieper Straße in Höhe einer Gärtnerei, auf dem Flünnertzd­yk in Höhe des Tierheimes und auf dem Steeger Dyk an der Ecke AmVobis sowie an der Ecke Sprudeldyk. Hier kam es in diesem Jahr zu sieben Unfällen mit Rehen, 2019 zu zehn.

Benrad-Süd zählt ebenfalls zu den Schwerpunk­ten mit Unfallhäuf­ung, und zwar die Hückelsmay­straße zwischen der Gladbacher Straße und Anrather Straße und die Anrather Straße zwischen dem Bahnüberga­ng und der Ecke Hückelsmay­straße. 2020 wurden hier bei Wildunfäll­en sechs Rehe getötet, 2019 waren es zwölf.

Wie und wo leben Rehe in der Stadt?„Man geht davon aus, dass pro 100 HektarWald 15 Rehe leben“, antwortet Stadtförst­er Jens Poschman. Die Dichte ist in Krefeld nicht so groß. Im 75 Hektar großen Stadtwald leben ein bis zwei Tiere, sagt Poschmann, ebenso wie im 75 Hektar großen Forstwald. Auch im angrenzend­en Südpark leben einige Rehe.Wie das, obwohl die Waldpartie­n klein sind und umgeben von Siedlungsg­ebieten? „Rehe brauchen relativ kleine Rückzugsrä­ume“, berichtet Poschmann, „sie passen sich gut an und wissen Menschen einzuschät­zen: Spaziergän­ger, Jogger, Fahrradfah­rer bringen die Tiere nicht aus

„Man geht davon aus, dass pro 100 Hektar Wald 15 Rehe leben“Jens Poschmann

Stadtförst­er

der Ruhe.“

Rehe seien nicht gerade Kulturfolg­er des Menschen, aber sie wüssten das Nahrungsan­gebot zu schätzen. Die Tiere in Forstwald und im Südpark etwa werden von dem gerade keimenden Getreide sowie Raps- und Senfkeimli­ngen angezogen; „das zieht unheimlich“, sagt Poschmann. Zum Bewegen in der Landschaft reicht den Tieren ein wenig Deckung durch Büsche und Bäume am Feldrand. Bei Autoverkeh­r aber haben die Tiere keine Instinkte, die sie retten.

Die Wildunfäll­e treten insbesonde­re während der Paarungsze­it von Mitte Juli bis Mitte August sowie während der dunklen Herbstund Wintermona­te auf. Über den gesamten Jahresverl­auf ist das Wild während der Dämmerung am aktivsten, es ist dann vermehrt mit im Straßenver­kehr plötzlich auftauchen­den Wildtieren zu rechnen.

„Autofahrer sollten sich deshalb insbesonde­re während dieser Zeiten stets mit erhöhter Aufmerksam­keit im Straßenver­kehr bewegen“, so Gardner. „Sofern Verkehrste­ilnehmer einem Stück Rehwild im Straßenver­kehr begegnen, ist jederzeit mit dem Erscheinen weiterer Tiere zu rechnen, da diese meist in Gruppen anzutreffe­n sind.“

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FOTO: DPA Im Schnitt leben in 100 Hektar Wald 15 Rehe; in dichtbesie­deltem Gebiet sind es weniger. Dennoch: Das Nahrungsan­gebot im Umfeld des Menschen zieht die Tiere in Stadtnähe.
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