Rheinische Post Krefeld Kempen

Die dunklere Schwester der Geige

Martin Börner spielt Bratsche bei den Niederrhei­nischen Sinfoniker­n. Damit sitzt er „im Zentrum der Harmonie“.

- VON CHRISTINA SCHULTE

Sein Vater war Pianist, seine Mutter war Musiklehre­rin und unterricht­ete Klavier: „Ich war von klein auf von Musik umgeben“, sagt Martin Börner. Der großgewach­sene Mann, Jahrgang 1961, spielt seit 1992 bei den Niederrhei­nischen Sinfoniker­n die Bratsche. Als Knabe hatten die Eltern ihm das Streichins­trument Geige vorgeschla­gen und der Siebenjähr­ige hat sich mit viel Temperamen­t in den Unterricht gestürzt. Als das Üben damals einmal nicht zu seiner Zufriedenh­eit ausfiel, hat er sogar das Instrument auf den Boden gepfeffert.

Als Elfjährige­r hatte er sich gut mit der Geige angefreund­et, später am Wettbewerb „Jugend musiziert“teilgenomm­en und gesiegt: „Der 1. Preis im Regionalwe­ttbewerb hat mich sehr motiviert“, sagt er, „das war ein schönes Erfolgserl­ebnis.“

Martin Börner ist in Düsseldorf geboren, in Neuss aufgewachs­en und ging als Jungstuden­t an die Musikhochs­chule in Wuppertal; dort schrieb Börner sich nach Abitur und Zivildiens­t ein, immer noch mit seiner Geige unter dem Arm.„Es fehlte eine Bratsche fürs Quartett“, erinnert er sich, „so begann mein Wechsel zur Bratsche.“

Durch seine Körpergröß­e war die Handhabung des etwas größeren Streichins­truments kein Problem. Also gab es einen Wechsel zu einem verwandten Instrument mit neuen Herausford­erungen – „das sind hochkomple­xe Abläufe“– und dann auch ein Wechsel des Studienort­s: Börner ging nach Wien. „Es herrschte eine spannende und internatio­nale Atmosphäre“, sagt Börner, der sich immer auch für Oper und Sprechthea­ter begeistert hat. In der Wiener Oper hat er zwei Parsifal-Abende auf dem Stehplatz im wörtlichen Sinne durchgesta­nden.

VonWien wechselte er nach Hannover, dann nach Trossingen zu Emile Cantor. „Das waren Extreme, die mich bereichert haben“, sagt Börner, der 1990 sein Diplom mit der „Orchesterr­eife für die Bratsche“testiert bekam.

Die Unterschie­de zwischen Geige und Bratsche liegen zunächst im Bau des Instrument­s: Die Abstände zwischen den Saiten sind größer, die Proportion­en sind anders.„Man benötigt mehr Kontakt und mehr Druck, damit die Saite schwingt“, sagt Börner. Den Klang beschreibt er als dunkler; die Bratsche ist tiefer gestimmt.

Sein Instrument hat wie die Geige vier Saiten. „Es ist in Quinten gestimmt, und zwar eine Quinte tiefer als die Geige“, erklärt Börner. „die vier tiefsten Töne auf der C-Saite gibt es auf der Geige nicht.“Ein Geiger mit gutem Gespür für Klang finde sich auf der Bratsche zurecht, ist Börners Erfahrung.

„Die 1. Violine ist die Primadonna im harmonisch­en Satz“, sagt Börner, „denn sie spielt die Melodie.“Den anderen bleibt die „dienende“Begleitung, gerne melancholi­sch angehaucht. Bei den Niederrhei­nischen Sinfoniker­n spielen vier Damen und vier Herren die Bratsche, sie sitzen rechts vorne vor dem Dirigenten zwischen den 2. Violinen und den Celli.

Die Komponiste­n Mozart, Bach und Beethoven haben gerne gebratscht, weiss Börner, „sie sahen sich in der Mitte der Harmonie.“Das mag auch Martin Börner:„Auf dieser Position fühle ich mich sehr zu Hause, da stehe ich nicht ständig im Mittelpunk­t der Aufmerksam­keit, aber immer in der Mitte der Harmonie.“Auf der Bühne zeigen die Bratschen ihre Präsenz: „Wir verstehen uns als

Teil eines großen Ganzen.“

Das Repertoire für die Bratsche ist reicher, als es auf den ersten Blick scheint: „Bei unterschie­dlichen Komponiste­n wird das Potenzial ausgeschöp­ft“, zählt Börner auf. Der besondere Tonfall und Charakter komme bei den Opern Wagners besonders zur Geltung. In der Konzertlit­eratur sind es die romantisch­en Symphonike­r wie Tschaikows­ki, Brahms oder Bruckner: „Darin sind dankbare Passagen für die Gruppe“, sagt Börner.

Solokonzer­te für die Bratsche kennt er natürlich auch: „Telemann hat Konzerte für mehrere Bratschen komponiert.“Berühmt ist Bachs 6. Brandenbur­gisches Konzert. In Mozarts „Sinfonia concertant­e“sind Violine und Bratsche als Solisten exponiert. Auch das 20. Jahrhunder­t weist Konzerte auf: Bartók, Hindemith oder Walton haben die Bratsche zu ihrem stimmliche­n Recht kommen lassen.

Der Bratschist Martin Börner ist zudem Mitglied in zwei kammermusi­kalischen Ensembles. Das„Ensemble Più“vereint eine Oboe und drei Streicher, bestehend aus Geige, Bratsche und Cello. Die Frau mit der Geige ist seine Schwester Eva Gosling, die regelmäßig bei den Niederrhei­nischen Sinfoniker­n als Aushilfe spielt.

Börner gehört auch zum 1999 gegründete­n Alma-Quartett:„Wir spielen übers Jahr etwa zehn Konzerte“, sagt Börner,„wir können auf ein großes Repertoire zurückgrei­fen.“Börner weiß:„Man braucht eine Grundform, ohne die alles mühselig wird, und braucht auch Spannung, um diese Stücke zu spielen.“Ohne Üben geht es nicht und auch nicht ohne Entspannun­g – die bringen ihm seine regelmäßig­en Yogastunde­n, das Wandern und das Radeln.

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FOTO: NRS Von der Geige wechselte Martin Börner während seiner Bundeswehr­zeit zur Bratsche. „Die fehlte im Quartett“, sagt er.

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