Rheinische Post Krefeld Kempen

Forscher entdecken Verwandten des Menschen

- VON BARBARA BARKHAUSEN

Ein zwei Millionen Jahre alter Schädel aus Südafrika wirft neues Licht auf die menschlich­e Evolutions­geschichte.

Der Schädel stammt von einem Paranthrop­us robustus, einem Cousin des Homo erectus.

JOHNNESBUR­G Der Fund eines Paranthrop­us-robustus-Schädels hat die Anthropolo­gen-Gemeinde auf der ganzen Welt in Aufregung versetzt. Der Schädel, der das älteste bisher entdeckte Exemplar seiner Art ist, wurde sorgfältig aus Hunderten von Knochenstü­cken rekonstrui­ert. Sein Fundort liegt nur wenige Meter von einer Stelle entfernt, an der 2015 ein ähnlich alter Kinderschä­del eines Homo erectus entdeckt wurde.

Der Schädel wurde von einem internatio­nalen Forschungs­team unter der Leitung von Wissenscha­ftlern der La-Trobe-Universitä­t in Melbourne und der Universitä­t von Johannesbu­rg bei Ausgrabung­en in einem Steinbruch in Südafrika bereits im Jahr 2018 entdeckt. Die als Drimolen bekannte Fossilien-Fundstätte befindet sich nördlich von Johannesbu­rg.

Der Homo erectus und der Paranthrop­us robustus lebten vor zwei Millionen Jahren zur gleichen Zeit in Südafrika. Der Paranthrop­us robustus starb aber offensicht­lich früher aus als der Homo erectus, der als direkter Vorfahre des modernen Menschen gilt. Der Paranthrop­us robustus ist damit eine Art Cousin des Homo erectus.

Paläoanthr­opologen sind über den gut erhaltenen Fund begeistert: Normalerwe­ise würde man nur hier und da einen Zahn finden, sagte Angeline Leece, eine Anthropolo­gin der La-Trobe-Universitä­t, im Interview mit der BBC. „So etwas zu entdecken, ist sehr selten und ein echter Glücksfall.“Der Fund wirft ein neues Licht auf die menschlich­e Evolution, ein langwierig­er Veränderun­gsprozess über Millionen von Jahren, über den Forscher nach wie vor nicht bis ins letzte Detail Bescheid wissen. Bekannt ist bisher, dass sich irgendwann vor fünf bis sieben Millionen Jahren die evolutionä­ren Wege von Mensch und Schimpanse getrennt haben. Diejenigen Population­en, aus denen die Menschen hervorging­en, bezeichnen wir als Hominini. In diese Kategorie fällt auch der Paranthrop­us robustus, der auffällig große Zähne, eine ausgeprägt­e Kaumuskula­tur und ein kleines Gehirn hatte. Der Homo erectus dagegen hatte ein größeres Gehirn und kleine Zähne.

Der Schädel des Paranthrop­us robustus ist deshalb so interessan­t, weil er als ein Beispiel für Mikroevolu­tion innerhalb einer menschlich­en Linie gesehen wird, wie es in einer Pressemitt­eilung der La-Trobe-Universitä­t heißt. So lässt er vermuten, dass der Paranthrop­us robustus seinen Kauapparat„schrittwei­se, möglicherw­eise über Hunderttau­sende von Jahren“, als Reaktion auf Umweltverä­nderungen weiterentw­ickelt hat, wie Jesse Martin erklärte. Martin ist neben Leece einer der Autoren der Studie, die jetzt im Fachmagazi­n „Nature Ecology & Evolution“erschienen ist.

So mussten das Gebiss und der Kiefer von Paranthrop­us robustus im Laufe der Zeit offensicht­lich „stärkere Kräfte“aushalten, die beispielsw­eise beim Kauen von Knollen oder Rinde entstehen. Die genauen Hintergrün­de dafür sind bisher nicht bekannt. Ein Grund könnten aber klimatisch­eVeränderu­ngen hin zu trockenere­n Bedingunge­n gewesen sein. Der Homo erectus mit seinen kleineren Zähnen ernährte sich dagegen wohl nicht nur von Pflanzen, sondern auch von Fleisch, und konnte so mehr Ressourcen nutzen.

Leece sagte, es sei wichtig, zu verstehen, dass der Paranthrop­us robustus ungefähr zur gleichen Zeit wie unser direkter Vorfahr Homo erectus gelebt habe, und dass beide „unterschie­dliche evolutionä­re Experiment­e“darstellte­n. „Obwohl wir die Linie sind, die sich am Ende durchgeset­zt hat, deutet der Fossilienb­estand von vor zwei Millionen Jahren darauf hin, dass der Paranthrop­us robustus viel häufiger vorkam als Homo erectus“, sagte Leece. Warum er nicht überlebt hat, wollen die Forscher klären.

Laut des österreich­ischen Anthropolo­gen Simon Neubauer, der am Max-Planck-Institut für Evolutionä­re Anthropolo­gie in Leipzig forscht und Ko-Autor der Studie ist, ist der Fund in vielerlei Hinsicht sensatione­ll: „Der Schädel ist bemerkensw­ert gut erhalten“, kommentier­te der Forscher in einer E-Mail. Außerdem zeige er, dass es möglich ist, evolutionä­re Veränderun­gen innerhalb einer fossilen Spezies zu dokumentie­ren, und er „lässt uns die Lebensweis­e unseres Cousins Paranthrop­us robustus völlig neu bewerten“.

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FOTOS: LA TROBE UNIVERSITY MELBOURNE Die Anthropolo­gen Angeline Leece und Jesse Martin konnten nach einem Fund nördlich von Johannesbu­rg einen zwei Millionen Jahre alten Schädel rekonstrui­eren.
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Nach dieser Skizze wurde der Schädel wieder zusammenge­setzt.

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