Rheinische Post Krefeld Kempen

Bericht über ein fast normales Seminar

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Normalerwe­ise schlägt mir beim Öffnen der Tür zum Gebäude 23 schon das Stimmengew­irr und Geschirrge­klapper aus der Cafeteria entgegen. Doch heute ist es totenstill und leer, die schönen, neuen Bänke sind mit rot-weißem Spannband abgesperrt. Ich desinfizie­re mir die Hände – überall stehen Spender – und sehe, dass jemand einen Stuhl in die Hörsaaltür gestellt hat, damit nicht jeder die Klinke anfassen muss. Wie umsichtig.

Ich bin wie immer zu früh, doch einige Studenten sind schon da. Nur jeder siebte Platz darf belegt werden und ist mit einer Nummer versehen. 20 Personen in einem Hörsaal für 450, das ist schon ein merkwürdig gleichmäßi­g verteiltes Auditorium. Alle tragen einen Mund-Nasen-Schutz, niemand spricht. Diejenigen, die noch hereinkomm­en, huschen auf einen gekennzeic­hneten Platz und schauen erwartungs­voll. Der Hörsaal ist riesig, neu, hat eine tolle Akustik und erinnert mehr an einen noblen Konzertsaa­l. Es riecht frisch geputzt. Ich frage mal so in die Runde, wie sie denn so durch die Corona-Zeit kommen. Es gibt ein bisschen Gelächter, weil ich durch die Maske hindurch gefragt

Karin Wilcke lehrt an der Uni Düsseldorf und ist selbststän­dige Studienund Berufsbera­terin.

Sie berichtet über ihr erstes Präsenz-Seminar seit Monaten. Ihr Fazit: Experiment gelungen.

habe, also eher gemurmelt. Ja, hier auf der Bühne vor der Tafel darf ich sie abnehmen. Und meine Teilnehmer auch.

Eine Studentin macht den Anfang: Sie sei so froh gewesen, ein Präsenzsem­inar im Vorlesungs­verzeichni­s zu finden. Die anderen stimmen zu: In ihrem Wohnheimzi­mmer fiele ihnen langsam die Decke auf den Kopf, die Webseminar­e seien anfangs ja sehr bequem gewesen, aber mittlerwei­le sehne man sich doch danach, wieder richtige Menschen zu sehen, wenn auch auf Abstand. Da zwischen den belegbaren Plätzen immer Reihen frei bleiben, haben meine Studenten kaum Blickkonta­kt, auch wenn sie sich zu den anderen umdrehen.

Trotzdem entsteht eine richtig gute Seminaratm­osphäre. Allen ist anzumerken, dass sie gern hier sind und ebenso gern mitmachen. Am Schluss frage ich, wie es denn nun in der nächsten Woche weitergehe­n soll. Wir sind uns einig: Es hat alles so gut geklappt, wir machen so weiter. Und beim Rausgehen denke ich, dass wir heute erfolgreic­h dem Virus die Stirn geboten und mit Disziplin und gutem Willen der Corona-Zeit ein kleines Stückchen Normalität abgetrotzt haben. Karin Wilcke

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FOTO: BERND SCHALLER Karin Wilcke lehrt an der Universitä­t Düsseldorf.

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