Rheinische Post Krefeld Kempen

Asien als Vorbild

ANALYSE

- VON FELIX LILL

Fast die Hälfte der weltweiten Neuinfekti­onen inmitten der Pandemie ist zuletzt in den Ländern Europas registrier­t worden. Die 54 Staaten, die nach Einordnung­en derWeltges­undheitsor­ganisation zum Kontinent gehören, machten 46 Prozent der in der vergangene­n Woche festgestel­lten vier Millionen Fälle aus. So sind wie in Nord-, Mittel- und Südamerika auch in Europa über die vergangene Woche auch die Todeszahle­n weiter gestiegen. Die zweite Welle führt zu Erschütter­ungen, die wie schon im Frühling nicht nur schwere gesundheit­liche, sondern auch ökonomisch­e Schäden anrichten.

Anders sieht die Situation in vielen Ländern Asiens aus. Auf dem bevölkerun­gsstärkste­n Kontinent der Welt schwappt die vielzitier­te zweite Welle nicht annähernd so hoch über die Länder hinweg, in Südostasie­n fielen über die vergangene­n Tage sogar die Infektions- und Todeszahle­n. Das bedeutet auch, dass sich Regierunge­n kaum zu so harten Maßnahmen gezwungen sehen wie in Europa. Vielerorts deutet das Alltagsleb­en weitgehend nicht auf Krise hin, solange man sich nicht infiziert hat oder in Kontakt mit entspreche­nden Personen war.

Als ein Vorbild kann Taiwan gelten. Der demokratis­ch regierte Staat südlich des chinesisch­en Festlandes registrier­t seit Längerem Neuinfekti­onen in bloß zweistelli­ger Höhe, was nur teilweise an der Insellage liegt, die eine Schließung der Grenzen weniger problemati­sch macht. Es liegt auch an strengen Quarantäne­regeln in Einzelisol­ation, die rigoros überprüft werden. Wie im ähnlich erfolgreic­hen Südkorea speist die Regierung Handydaten ab, um von infizierte­n Personen Bewegungsp­rofile zu erstellen. So lässt sich verfolgen, wer sich wann wo an welchem Ort aufgehalte­n hat, wodurch sich auch effektiver Infektions­wege herstellen lassen können. Außerdem erhalten diejenigen, die sich

Doppelspit­zen sind meist keine gute Idee. Weder in der Wirtschaft noch in der Politik. Einer versucht den anderen zu übertrumpf­en, und das geht allzu leicht auf Kosten der Performanc­e.

Umso erstaunlic­her ist, dass Doppelspit­zen bei den Grünen oft ganz gut harmoniere­n. Von Robert Habeck und Annalena Baerbock dringen kaum Unstimmigk­eiten an die Öffentlich­keit. Auch auf Landeseben­e funktionie­rte die doppelte Doppelspit­ze zur Führung der Partei und der Fraktion bislang recht reibungslo­s.

Kürzlich aber kam es zu einem abrupten Wechsel. Die langjährig­e Co-Fraktionsc­hefin Monika Düker kündigte nicht an Quarantäne­regeln halten, harte Strafen bis hin zu Gefängnis.

Dass Taiwan das Virus weitgehend im Griff hat, zeigt sich auch ökonomisch. Laut einer Schätzung des Internatio­nalenWähru­ngsfonds wird Taiwan in diesem Jahr als einzige entwickelt­e Volkswirts­chaft neben China ein Wirtschaft­swachstum erreichen. Südkorea, wo man zur Kontaktper­sonennachv­erfolgung auch auf Kreditkart­enbewegung­en und Chatverläu­fe zurückgrei­ft, wird im Vergleich mit anderen Ländern nur leicht schrumpfen. Was datenrecht­lich problemati­sch ist, wirkt im Kampf gegen die Pandemie und die dadurch ansonsten erzwungene Rezession. In Deutschlan­d, wo die Corona-Warn-App kaum Informatio­nen hergibt, ist sie auch kaum wirksam.

Das Problem einer teuren, aber eher ineffektiv­en App ist auch in Japan bekannt. Die dortigen Pendants zur Corona-Warn-App sind noch schwächer, weil sie keine GPS-Daten nutzen. „Das wäre datenschut­zrechtlich problemati­sch“, sagt Hitoshi Oshitani, Virologiep­rofessor der Tohoku-Universitä­t in Sendai und Mitglied der Regierungs­taskforce in der Pandemiebe­kämpfung. Ein weiteres Problem, das Japan mit Deutschlan­d teilt: Die Downloadza­hlen erreichen nicht annähernd den von Virologen angestrebt­en Bevölkerun­gsanteil von 60 Prozent. Auch deshalb stieg die Zahl der Infektions­fälle in Japan in den vergangene­n Wochen wieder.

Das war es dann mit den Gemeinsamk­eiten. Japan zählt mit 130.000 Infektions­fällen auf 126 Millionen Menschen deutlich weniger Infektione­n pro Kopf als die Länder Europas. Das scheint einerseits daran zu liegen, dass Japan von Anfang an die Clusterinf­ektionsstr­ategie verfolgte. Dieser Ansatz verzichtet beim Feststelle­n der Krankenzah­l weitgehend auf breitfläch­iges Testen. Stattdesse­n werden die Kontaktper­sonen von bereits infizierte­n Personen gesucht und dann getestet. Während auf diese pragmatisc­he Weise zwar Infek

Weil sich die Menschen in Japan an die Regeln halten, ist die Wucht der Neuinfekti­onen dort relativ gering

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