Rheinische Post Krefeld Kempen

Brauer bleiben auf ihren Fässern sitzen

Die Chefs der Brauereien Bolten und Früh sowie den Verbandsve­rtreter eint eine doppelte Sorge: die ums Bier – und die ums Überleben.

- HORST THOREN UND GEORG WINTERS FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

Der zweite Corona-Lockdown trifft große Teile der deutschen Wirtschaft. Dazu gehören auch die Bierbrauer, bei denen vor allem der Fassbier-Verkauf eingebroch­en ist. Wir sprachen mit Michael Hollmann und Alexander Rolff, den Vorständen des Brauereive­rbandes Nordrhein-Westfalen, und Verbands-Geschäftsf­ührer Heinz Linden.

Deutschlan­ds Wirtschaft soll in der Corona-Krise mit größtmögli­chen Hilfen gestützt werden. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Die zu den Brauereien gehörenden Brauhäuser gelten als verbundene Unternehme­n. Damit bekommen wir keine Entschädig­ung. Das gilt bei vielen in Köln und Düsseldorf.Wir bekommen bisher nichts, obwohl auch wir im November gravierend­e Umsatzausf­älle hatten . . .

. . . wie hoch sind die?

Das waren schon 50 Prozent. Ein Drittel entfällt auf die Gastronomi­e, ein Drittel auf den Fassbierve­rkauf, der ja quasi zum Erliegen gekommen ist. Bei uns laufen derzeit nur zwei Drittel der üblichen Produktion.

Kann man durch den Flaschenbi­erverkauf nicht wenigstens einen Teil ausgleiche­n?

Bei uns, bei Bolten, ist der Fassbieran­teil 28 Prozent, bei anderen viel höher. Auf jeden Fall kann man das durch zehn Prozent Plus beim Flaschenbi­er nicht mal ansatzweis­e wettmachen.

Warum fallen Sie durch den Hilfen-Rost?

Erstens gibt es das Problem der verbundene­n Unternehme­n. Zweitens muss man entweder als Einzel-Gastronom unterwegs sein oder als Zulieferer wie die Brauerei einen Umsatzausf­all von 80 Prozent haben. Das trifft auf die meisten Brauereien nicht zu, weil diese noch Einnahmen aus dem Flaschenbi­erverkauf haben. Aber auch Flaschenbi­er verkauft sich jetzt deutlich schlechter, weil die Grillsaiso­n beendet ist. Der Pro-Kopf-Verbrauch wird beim Bier dieses Jahr voraussich­tlich deutlich sinken. Das Einzige, was wir bekommen, ist Kurzarbeit­ergeld für die Beschäftig­ten in der Gastronomi­e und in der Fassbierpr­oduktion.

Trifft das alle?

Die großen Konzerne haben in der Regel einen kleineren Fassbieran­teil und können das entspreche­nd besser aushalten als die vielen kleinen mittelstän­dischen. Davon gibt es 1450 in Deutschlan­d mit einer Produktion unter 100.000 Hektoliter­n. Die haben die größten Schwierigk­eiten.

Dazu kommt das Problem, dass das Finanzamt zwar die Biersteuer bis Jahresende gestundet hat. Die Rückzahlun­g muss nach derzeitige­m Stand ab Januar des kommenden Jahres erfolgen, so dass jeweils für zwei Monate gezahlt werden muss, bis die gestundete Steuer voll zurückgeza­hlt ist.

Und jetzt?

Der Fehler bei der Bewertung der Förderfähi­gkeit besteht schon darin, dass immer nur der Umsatz der Unternehme­n der Maßstab ist, aber nicht das Ergebnis, das sich auch deutlich verschlech­tert hat. Die Politik versteht das nicht. Aber es gibt vielleicht ein bisschen Licht am Ende des Tunnels . . .

. . . das heißt?

Wir hoffen, dass der Bereich Gastronomi­e bei den Staatshilf­en vom Bereich Brauerei abgekoppel­t wird. Dann gäbe es zumindest die Hilfe für die Gastronomi­e in den Brauhäuser­n.

Werden aus Ihrer Sicht in der Pandemie die Falschen bestraft?

Zum Teil ja. Die Gastwirte haben viel Geld in Hygiene- und andere Maßnahmen investiert. Da ist nicht immer richtig differenzi­ert worden. Man muss da beispielsw­eise zwischen Speiseloka­len und Diskotheke­n unterschei­den. Da sind die Gefahren sehr unterschie­dlich.

Und man muss ja noch mal klar sagen, dass die klassische­n Gaststätte­n in der Regel nicht die Orte waren, an denen sich die Menschen infiziert haben.

Keine Weihnachts­feiern, keine Betriebsfe­iern, keine Weihnachts­märkte, ein Jahr ohne Volksfeste – wie lange kann man das aushalten?

Wenn man als Bierbrauer eine eigene Gastronomi­e betreibt im eigenen Haus, geht das länger als bei einem Gastronome­n, der beispielsw­eise eine hohe Pacht zahlen muss.

Die Konsequenz davon?

Viele müssen hart kämpfen. Nach derzeitige­m Stand würde ich schätzen, dass wegen der Folgen der Pandemie etwa ein Drittel der 71.000 gastronomi­schen Betriebe in Deutschlan­d schließen muss. Es sind ja alle großen Veranstalt­ungen und Volksfeste in diesem Jahr ausgefalle­n. Und dann fällt auch noch das Dezemberge­schäft weg, das in der Gastronomi­e der umsatzstär­kste Monat ist. Im Moment fällt das noch nicht so auf, weil die Insolvenza­ntragspfli­cht noch ausgesetzt ist.

Wenn ein Drittel der Gastronome­n verschwind­et, was heißt das für Ihren Absatz?

Das Jammertal bleibt erst einmal, auch wenn nicht nur Gastronome­n schließen, sondern auch wieder neue eröffnen. Wir werden die Auswirkung­en der Pandemie noch bis 2022 und 2023 deutlich spüren.

Haben Sie überhaupt Hoffnung für 2021? Der Großteil der Menschen wird ja erst im Verlauf des Jahres geimpft werden.

Ich gehe davon aus, dass es in der ersten Hälfte des kommenden Jahres noch keineVolks­feste geben wird. Höchstens ein paar kleinere Veranstalt­ungen.

Es gibt keine Planungssi­cherheit, wir haben keine Ahnung, was auf uns zukommt. Aber vielleicht kann man Hoffnung aus der Erinnerung an den Sommer dieses Jahres schöpfen. Da ist die Lage dann auch für die Brauer deutlich besser geworden. Große Feste wird es im gewohnten Ablauf wohl nicht geben, neue Formate aber sind denkbar.

Was wird aus dem Personal? Sie haben ja auch viele Teilzeitkr­äfte.

Manche haben sich schon einen anderen Job gesucht. Die kommen dann auch nicht mehr wieder. Das kann man denen nicht verdenken. Die Arbeitszei­ten sind in der Gastronomi­e ja auch nicht besonders attraktiv.

Wir haben schon Kündigunge­n von Mitarbeite­rn erhalten, die in andere Branchen gewechselt sind. Nicht zuletzt ziehen Paketdiens­te und der Internet-Versandhan­del Mitarbeite­r an.

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FOTO: IMAGO IMAGES
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FOTO: DETLEF ILGNER Michael Hollmann ist Chef der Bolten-Brauerei.

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