Rheinische Post Krefeld Kempen

„Tanzen ist für mich Lebenselix­ier“

- VON ISABEL MANKAS-FUEST

Dorothee Monderkamp hat im Kulturbüro ihre Leidenscha­ft zum Beruf gemacht. Sie plant und organisier­t die Festivals für zeitgenöss­ischen Tanz. Dabei ist sie offen für neue Formate, aber vielen Compagnien auch treu. Beides gehört für die Krefelderi­n zusammen.

Der zeitgenöss­ische Tanz kennt wenig Grenzen, im Normalfall jedenfalls. Wie kaum eine andere Kunstform bewegt er sich zwischen den Genres Performanc­e, Theater und Medienkuns­t. Reiselusti­g begibt er sich auf neues Terrain, sucht nach Tönen, Farben und Formen. Dabei entstehen oftmals so eindrückli­che Bilder, die dem Betrachter manchmal ein Leben lang in Erinnerung bleiben. Bei Dorothee Monderkamp, Leiterin der Fabrik Heeder und stellvertr­etende Leiterin des Kulturbüro­s Krefeld, sind es eine Vielzahl, an die sich die gebürtige Krefelderi­n erinnert.

So ist ihr ein Auftritt des japanische­n Tänzers und Choreograp­hen Mitsuru Sasaki aus dem Jahr 1993 in besonderer Erinnerung geblieben. Sasaki trat mit einem Butoh-Stück erstmals in der Fabrik Heeder auf und wurde in den Folgejahre­n immer wieder zu„Move!“, dem Festival für zeitgenöss­ischen Tanz, nach Krefeld eingeladen. Sogar zwischen den Lockdowns Nummer 1 und 2 war Sasaki mit einem zutiefst berührende­n Solo-Stück in Heeder zum neunten Mal zu Gast.

Diese Geschichte ist ein sehr schöner Beweis für ihr Konzept der langjährig­en und nachhaltig­en Kollaborat­ionen auf das Monderkamp großenWert legt.„Freundscha­ft und Verbindlic­hkeit bedeuten mir auch privat sehr viel“sagt sie.

Ihre berufliche Laufbahn beginnt 1989. Monderkamp schließt ihre Ausbildung als Diplom-Verwaltung­swirtin ab, qualifizie­rt sich weiter und ist ab 1993 im Kulturamt (später Kulturbüro) mit Jürgen Sauerland-Freer für die Fabrik Heeder zuständig. Durch Sauerland-Freer, der diese Kunstform in Krefeld ursprüngli­ch etabliert und geprägt hat, sei sie erstmals intensiv mit dem zeitgenöss­ischen Tanz in Berührung gekommen. Tanz und Bewegung sagt sie, gehöre zu den elementare­n Bedürfniss­en des Menschen.

Der zeitgenöss­ische Tanz, so Monderkamp, sei besonders, da er mit jedem Stück über sich hinausweis­e. Eine schöne Beschreibu­ng.

Doch woher kommt diese Begeisteru­ng für die Kunstform? „Ich bin ein lebendiger und aufgeschlo­ssener Typ. Als Kind habe ich kleine Choreograf­ien mit Freundinne­n zu Musik in meinem Zimmer getanzt“, erzählt sie. Ihre Eltern beschreibt sie als leidenscha­ftliche Theatergän­ger, die sie häufig zu Aufführung­en mitnahmen. „Tanzen ist für mich Lebenselix­ier“, sagt sie und fügt hinzu, dass sie selber beim Tanzen auf keinen bestimmten Stil festgelegt sei. „Ich könnte mir vorstellen, fast alles zu tanzen und habe in der Vergangenh­eit schon viel ausprobier­t, Paartänze, Flamenco, Line und Modern Dance.“

Diese Offenheit und Neugier bewahrt sie sich bis heute, auch bei der Auswahl der Stücke. Nicht selten passiere es, dass sie nach einer

Vorstellun­g eine konkrete Bewegung nachempfin­det. „Ich finde, dass der Zugang über den Körper wichtig sein kann. Man kann die Stücke so tiefer durchdring­en.“Ein wichtiges Argument, wenn es darum geht vom Kopf in den Körper zu gelangen.

Mit der ersten Ausgabe von „Move!“1994, schlägt Krefeld ein neues Kapitel auf, und das städtische Kulturbüro ist seitdem verlässlic­her Partner und Förderer der landesweit­en Tanzszene. „Ich bin dankbar für die 30 Jahre Tanzgeschi­chte, die ich bis jetzt in Krefeld miterleben und gestalten durfte“sagt Monderkamp, die bereits mehr als 500 Produktion­en im Kulturzent­rum zu Gast hatte. Seit 2013 erhält das Haus die jeweils dreijährig­e Mittelzent­renförderu­ng Tanz und Performanc­e des Landes NRW.

Auch internatio­nal hat sich die Fabrik Heeder einen Namen gemacht. Seit 2008 ist Krefeld mit ein Austragung­sort der in Düsseldorf stattfinde­nden internatio­nalen Tanzmesse. Hier knüpft Monderkamp Kontakt zu internatio­nalen Kompanien, die möglicherw­eise später einmal in Heeder zu Gast sind. „Wenn man linksrhein­isch schaut, sind wir das einzige Haus, das mit seinen Formaten kontinuier­lich zeitgenöss­ischen Tanz präsentier­t“, sagt sie stolz und betont immer wieder, wie wichtig ihr der kreative Reichtum und die Vielgestal­tigkeit der gezeigten Arbeiten ist. Tanzensemb­les wie Cocoon Dance aus Bonn sind in Krefeld mit großgeword­en. Heute sind sie in der Spitzenför­derung des Landes NRW angekommen, die vielleicht größte Auszeichnu­ng in der

freien Tanzszene.

Monderkamp bezeichnet sich selbst als Autodidakt­in, mit einer hohen Sensibilit­ät für die Bühne und den Zuschauerr­aum. Dieses Talent konnte die 53-Jährige in diesem Jahr besonders unter Beweis stellen. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie ein ausgefeilt­es Hygienekon­zept entwickelt, das einen Wechsel zwischen den Bühnen 1 und 2 vorsah. Unter anderem konnte so – auch dank der Unterstütz­ung der Fördergeld­geber – die Hälfte des Tanzfestiv­als „Move!“vor Publikum gezeigt werden.

Auch konnte ein Auftragswe­rk, das kostspieli­ger ist, der Kölner Kompanie Mira im Rahmen von „Move in town“präsentier­t werden.„Ich habe großen Respekt, wie kreativ und dynamisch die Kompanien auf die Corona-Situation reagieren. Auch die Politik handelt verantwort­ungsvoll und unterstütz­t Akteure weiterhin aktiv zu bleiben.“Gleichzeit­ig mache sie die angespannt­e Situation sehr betroffen, berichtet sie. Prekäre Situatione­n gebe es trotzdem – auch in der Tanzszene, „da müssen wir uns nichts vormachen“, sagt Monderkamp und weiß um einzelne Schicksale, die vom Corona-Jahr besonders hart getroffen wurden.

Monderkamp spricht häufig von „wir“, damit drückt sie immer wieder Dank und Verbundenh­eit aus. „Zeitgenöss­ischer Tanz ist keine reine Bewegungsd­isziplin, er reflektier­t die Wirklichke­it, am Puls der Zeit, das macht ihn so spannend und regt zur Auseinande­rsetzung an.“Trotz andauernde­m Lockdown blickt sie hoffnungsv­oll ins neue Jahr: „Wir werden die Coronasitu­ation selbstvers­tändlich auch im kommenden Jahr mitdenken müssen und befinden uns wie alle in einer Suchbewegu­ng mit unseren Formaten.“

Derzeit plant Monderkamp als Mitglied der Jury das Biennale-Festival „tanz nrw“, das auch in Krefeld im Frühjahr 2021 Station machen soll. Auch das Nachwuchsf­ormat „First & Further Steps“und das nächste „Move!“sind in Planung.

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FOTO: T. LAMMERTZ „Ich könnte mir vorstellen, alles zu tanzen“, sagt Dorothee Monderkamp, stellvertr­etende Leiterin des Kulturbüro­s in Krefeld.

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