Rheinische Post Krefeld Kempen
„Tanzen ist für mich Lebenselixier“
Dorothee Monderkamp hat im Kulturbüro ihre Leidenschaft zum Beruf gemacht. Sie plant und organisiert die Festivals für zeitgenössischen Tanz. Dabei ist sie offen für neue Formate, aber vielen Compagnien auch treu. Beides gehört für die Krefelderin zusammen.
Der zeitgenössische Tanz kennt wenig Grenzen, im Normalfall jedenfalls. Wie kaum eine andere Kunstform bewegt er sich zwischen den Genres Performance, Theater und Medienkunst. Reiselustig begibt er sich auf neues Terrain, sucht nach Tönen, Farben und Formen. Dabei entstehen oftmals so eindrückliche Bilder, die dem Betrachter manchmal ein Leben lang in Erinnerung bleiben. Bei Dorothee Monderkamp, Leiterin der Fabrik Heeder und stellvertretende Leiterin des Kulturbüros Krefeld, sind es eine Vielzahl, an die sich die gebürtige Krefelderin erinnert.
So ist ihr ein Auftritt des japanischen Tänzers und Choreographen Mitsuru Sasaki aus dem Jahr 1993 in besonderer Erinnerung geblieben. Sasaki trat mit einem Butoh-Stück erstmals in der Fabrik Heeder auf und wurde in den Folgejahren immer wieder zu„Move!“, dem Festival für zeitgenössischen Tanz, nach Krefeld eingeladen. Sogar zwischen den Lockdowns Nummer 1 und 2 war Sasaki mit einem zutiefst berührenden Solo-Stück in Heeder zum neunten Mal zu Gast.
Diese Geschichte ist ein sehr schöner Beweis für ihr Konzept der langjährigen und nachhaltigen Kollaborationen auf das Monderkamp großenWert legt.„Freundschaft und Verbindlichkeit bedeuten mir auch privat sehr viel“sagt sie.
Ihre berufliche Laufbahn beginnt 1989. Monderkamp schließt ihre Ausbildung als Diplom-Verwaltungswirtin ab, qualifiziert sich weiter und ist ab 1993 im Kulturamt (später Kulturbüro) mit Jürgen Sauerland-Freer für die Fabrik Heeder zuständig. Durch Sauerland-Freer, der diese Kunstform in Krefeld ursprünglich etabliert und geprägt hat, sei sie erstmals intensiv mit dem zeitgenössischen Tanz in Berührung gekommen. Tanz und Bewegung sagt sie, gehöre zu den elementaren Bedürfnissen des Menschen.
Der zeitgenössische Tanz, so Monderkamp, sei besonders, da er mit jedem Stück über sich hinausweise. Eine schöne Beschreibung.
Doch woher kommt diese Begeisterung für die Kunstform? „Ich bin ein lebendiger und aufgeschlossener Typ. Als Kind habe ich kleine Choreografien mit Freundinnen zu Musik in meinem Zimmer getanzt“, erzählt sie. Ihre Eltern beschreibt sie als leidenschaftliche Theatergänger, die sie häufig zu Aufführungen mitnahmen. „Tanzen ist für mich Lebenselixier“, sagt sie und fügt hinzu, dass sie selber beim Tanzen auf keinen bestimmten Stil festgelegt sei. „Ich könnte mir vorstellen, fast alles zu tanzen und habe in der Vergangenheit schon viel ausprobiert, Paartänze, Flamenco, Line und Modern Dance.“
Diese Offenheit und Neugier bewahrt sie sich bis heute, auch bei der Auswahl der Stücke. Nicht selten passiere es, dass sie nach einer
Vorstellung eine konkrete Bewegung nachempfindet. „Ich finde, dass der Zugang über den Körper wichtig sein kann. Man kann die Stücke so tiefer durchdringen.“Ein wichtiges Argument, wenn es darum geht vom Kopf in den Körper zu gelangen.
Mit der ersten Ausgabe von „Move!“1994, schlägt Krefeld ein neues Kapitel auf, und das städtische Kulturbüro ist seitdem verlässlicher Partner und Förderer der landesweiten Tanzszene. „Ich bin dankbar für die 30 Jahre Tanzgeschichte, die ich bis jetzt in Krefeld miterleben und gestalten durfte“sagt Monderkamp, die bereits mehr als 500 Produktionen im Kulturzentrum zu Gast hatte. Seit 2013 erhält das Haus die jeweils dreijährige Mittelzentrenförderung Tanz und Performance des Landes NRW.
Auch international hat sich die Fabrik Heeder einen Namen gemacht. Seit 2008 ist Krefeld mit ein Austragungsort der in Düsseldorf stattfindenden internationalen Tanzmesse. Hier knüpft Monderkamp Kontakt zu internationalen Kompanien, die möglicherweise später einmal in Heeder zu Gast sind. „Wenn man linksrheinisch schaut, sind wir das einzige Haus, das mit seinen Formaten kontinuierlich zeitgenössischen Tanz präsentiert“, sagt sie stolz und betont immer wieder, wie wichtig ihr der kreative Reichtum und die Vielgestaltigkeit der gezeigten Arbeiten ist. Tanzensembles wie Cocoon Dance aus Bonn sind in Krefeld mit großgeworden. Heute sind sie in der Spitzenförderung des Landes NRW angekommen, die vielleicht größte Auszeichnung in der
freien Tanzszene.
Monderkamp bezeichnet sich selbst als Autodidaktin, mit einer hohen Sensibilität für die Bühne und den Zuschauerraum. Dieses Talent konnte die 53-Jährige in diesem Jahr besonders unter Beweis stellen. Gemeinsam mit ihrem Team hat sie ein ausgefeiltes Hygienekonzept entwickelt, das einen Wechsel zwischen den Bühnen 1 und 2 vorsah. Unter anderem konnte so – auch dank der Unterstützung der Fördergeldgeber – die Hälfte des Tanzfestivals „Move!“vor Publikum gezeigt werden.
Auch konnte ein Auftragswerk, das kostspieliger ist, der Kölner Kompanie Mira im Rahmen von „Move in town“präsentiert werden.„Ich habe großen Respekt, wie kreativ und dynamisch die Kompanien auf die Corona-Situation reagieren. Auch die Politik handelt verantwortungsvoll und unterstützt Akteure weiterhin aktiv zu bleiben.“Gleichzeitig mache sie die angespannte Situation sehr betroffen, berichtet sie. Prekäre Situationen gebe es trotzdem – auch in der Tanzszene, „da müssen wir uns nichts vormachen“, sagt Monderkamp und weiß um einzelne Schicksale, die vom Corona-Jahr besonders hart getroffen wurden.
Monderkamp spricht häufig von „wir“, damit drückt sie immer wieder Dank und Verbundenheit aus. „Zeitgenössischer Tanz ist keine reine Bewegungsdisziplin, er reflektiert die Wirklichkeit, am Puls der Zeit, das macht ihn so spannend und regt zur Auseinandersetzung an.“Trotz andauerndem Lockdown blickt sie hoffnungsvoll ins neue Jahr: „Wir werden die Coronasituation selbstverständlich auch im kommenden Jahr mitdenken müssen und befinden uns wie alle in einer Suchbewegung mit unseren Formaten.“
Derzeit plant Monderkamp als Mitglied der Jury das Biennale-Festival „tanz nrw“, das auch in Krefeld im Frühjahr 2021 Station machen soll. Auch das Nachwuchsformat „First & Further Steps“und das nächste „Move!“sind in Planung.