Rheinische Post Krefeld Kempen
Versäumnisse erkennen
Die FDP macht aus ihrer Not eine Tugend. Jeder weiß: Die FDP muss regieren, egal mit wem. Sie ist unter diesem Druck, regieren zu müssen, berechenbar geworden. Und um jetzt nicht in die Defensive zu geraten, lässt sie sich auf einen Flirt mit Rot-Grün ein. Wer sollte es ihr verdenken? Eine Union, die sich in einflussreichen Teilen Schwarz-Grün inzwischen fast so gut vorstellen kann wie SchwarzGelb, wird den Liberalen keinen Vorwurf machen können, Stützrad für Rot-Grün zu sein. Für die Union wäre die Oppositionsrolle bei einer Ampelregierung der Worst Case.
Dem einen oder anderen in der Union, der sich zum Jahreswechsel noch selbstsicher in den Berliner Sesseln der Macht fläzte, sollte es langsam dämmern: Dieses Wahljahr wird kein Spaziergang. Und es ist alles andere als sicher, dass auch am Ende des Jahres wieder Christdemokraten auf der Berliner Regierungsbank sitzen. Es muss ein Programm her, das den Menschen nach der Krise glaubhaft vermittelt, dass es die CDU schafft, die volle Handlungsfähigkeit des Staates wiederherzustellen. Die Pandemie hat manche Peinlichkeit aufgedeckt: von öffentlicher Beschaffung bis Digitalisierung. Da liegt Arbeit vor uns. Schluss mit breitbeinigen Versprechen und PR-Mätzchen. Dicke Bretter wollen gebohrt werden!
Die CDU muss nach der langen Führungs- und Richtungsdebatte Zukunftspartei sein – ohne Wenn und Aber. Klimawandel mit den Instrumenten der sozialen Marktwirtschaft, industrielle Transformation, Modernisierung des Staates, bessere und saubere Mobilität – große Themen brauchen mutige Antworten.
Nach der K-Frage ist auch die T-Frage zu stellen: Ein Team muss her. Die Kriterien der Vergangenheit waren zu oft Proporz und eine gewisse Gefälligkeit im öffentlichen Ansehen. Nach Corona kommt es mehr denn je darauf an, Menschen in ein Team einzubinden, die neben Politik auch umsetzen können: Menschen begeistern, Projekte umsetzen – darum geht`s. Weniger auf der Bühne und am Rednerpult, mehr am Schreibtisch und beim Projektmanagement. Echte Ergebnisse, statt Kommissionspapiere. Kärrnerarbeit statt Talkshow.
Dabei kann Vielfalt helfen, aber sie bildet sich nicht mehr nur an Landsmannschaften und soziologischen Gruppen ab. Das Team, das Deutschland aus der Krise in die Zukunft führt, sollte auf einen bunten Erfahrungsschatz zurückgreifen, um mehr zu schaffen, aber nicht stumpf dem Proporz folgen.
Die Corona-Krise ist noch nicht vorbei. Noch immer ist unser Land in der größten Gesundheitskrise seiner Geschichte. Die CDU hat unser Land durch viele Krisen geführt. Oft ist Deutschland gestärkt aus Krisen hervorgegangen. Wir werden in den kommenden Monaten als Union nur erfolgreich sein können, wenn wir Versäumnisse erkennen, klar benennen und sie abstellen. Das Vertrauen der Bürger, dass die CDU unser Land auch aus dieser Krise gestärkt herausführen kann, muss mit harter Arbeit in der Sache verdient werden.