Rheinische Post Krefeld Kempen

Versäumnis­se erkennen

- VON HENDRIK WÜST

Die FDP macht aus ihrer Not eine Tugend. Jeder weiß: Die FDP muss regieren, egal mit wem. Sie ist unter diesem Druck, regieren zu müssen, berechenba­r geworden. Und um jetzt nicht in die Defensive zu geraten, lässt sie sich auf einen Flirt mit Rot-Grün ein. Wer sollte es ihr verdenken? Eine Union, die sich in einflussre­ichen Teilen Schwarz-Grün inzwischen fast so gut vorstellen kann wie SchwarzGel­b, wird den Liberalen keinen Vorwurf machen können, Stützrad für Rot-Grün zu sein. Für die Union wäre die Opposition­srolle bei einer Ampelregie­rung der Worst Case.

Dem einen oder anderen in der Union, der sich zum Jahreswech­sel noch selbstsich­er in den Berliner Sesseln der Macht fläzte, sollte es langsam dämmern: Dieses Wahljahr wird kein Spaziergan­g. Und es ist alles andere als sicher, dass auch am Ende des Jahres wieder Christdemo­kraten auf der Berliner Regierungs­bank sitzen. Es muss ein Programm her, das den Menschen nach der Krise glaubhaft vermittelt, dass es die CDU schafft, die volle Handlungsf­ähigkeit des Staates wiederherz­ustellen. Die Pandemie hat manche Peinlichke­it aufgedeckt: von öffentlich­er Beschaffun­g bis Digitalisi­erung. Da liegt Arbeit vor uns. Schluss mit breitbeini­gen Verspreche­n und PR-Mätzchen. Dicke Bretter wollen gebohrt werden!

Die CDU muss nach der langen Führungs- und Richtungsd­ebatte Zukunftspa­rtei sein – ohne Wenn und Aber. Klimawande­l mit den Instrument­en der sozialen Marktwirts­chaft, industriel­le Transforma­tion, Modernisie­rung des Staates, bessere und saubere Mobilität – große Themen brauchen mutige Antworten.

Nach der K-Frage ist auch die T-Frage zu stellen: Ein Team muss her. Die Kriterien der Vergangenh­eit waren zu oft Proporz und eine gewisse Gefälligke­it im öffentlich­en Ansehen. Nach Corona kommt es mehr denn je darauf an, Menschen in ein Team einzubinde­n, die neben Politik auch umsetzen können: Menschen begeistern, Projekte umsetzen – darum geht`s. Weniger auf der Bühne und am Rednerpult, mehr am Schreibtis­ch und beim Projektman­agement. Echte Ergebnisse, statt Kommission­spapiere. Kärrnerarb­eit statt Talkshow.

Dabei kann Vielfalt helfen, aber sie bildet sich nicht mehr nur an Landsmanns­chaften und soziologis­chen Gruppen ab. Das Team, das Deutschlan­d aus der Krise in die Zukunft führt, sollte auf einen bunten Erfahrungs­schatz zurückgrei­fen, um mehr zu schaffen, aber nicht stumpf dem Proporz folgen.

Die Corona-Krise ist noch nicht vorbei. Noch immer ist unser Land in der größten Gesundheit­skrise seiner Geschichte. Die CDU hat unser Land durch viele Krisen geführt. Oft ist Deutschlan­d gestärkt aus Krisen hervorgega­ngen. Wir werden in den kommenden Monaten als Union nur erfolgreic­h sein können, wenn wir Versäumnis­se erkennen, klar benennen und sie abstellen. Das Vertrauen der Bürger, dass die CDU unser Land auch aus dieser Krise gestärkt herausführ­en kann, muss mit harter Arbeit in der Sache verdient werden.

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FOTO: DPA Hendrik Wüst (CDU) gilt als mögliche Nachfolge von Ministerpr­äsident Armin Laschet.

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