Rheinische Post Krefeld Kempen

Arztpraxen sollen ab Mitte April impfen

- VON KIRSTEN BIALDIGA, JAN DREBES UND ANTJE HÖNING

Allein in der Region Nordrhein stehen 6000 Haus- und Fachärzte bereit, sie können 2,5 Millionen Bürger im Monat impfen. Doch nun streiten Bund und Länder über die Verteilung der Dosen auf Praxen und Zentren.

DÜSSELDORF Um der Impfkampag­ne Schwung zu geben, wollen Bund und Länder nun die niedergela­ssenen Ärzte einbeziehe­n. Ab spätestens Mitte April soll in Praxen geimpft werden, wie die Gesundheit­sminister bekräftigt­en. Zunächst war von Anfang April die Rede. Die Minister einigten sich darauf, dass die Praxen wie bei Grippeimpf­ungen über die Apotheken bestellen sollen, sobald genug Impfstoff vorhanden ist. Doch sie streiten weiter über den genauen Starttermi­n und die Verteilung der Dosen. Einige Länder fürchten, dass ihre Impfzentre­n nicht mehr ausgelaste­t sind, wenn Haus- und Betriebsär­zte ebenfalls gegen Corona impfen. Jetzt sollen Kanzlerin und Länderchef­s den Streit vor dem für den 22. März geplanten Treffen klären.

Bei den Ärzten kommt der neue Streit nicht gut an. Ulrich Weigeldt, Chef des Deutschen Hausärztev­erbandes, sagte unserer Redaktion:

„Ich frage mich, wie man angesichts der Millionen von ungenutzte­n Impfstoffd­osen, Entscheidu­ngen, die uns im Kampf gegen die Pandemie voranbring­en könnten, weiter aufschiebe­n kann. Das ist mir unbegreifl­ich.“Anstatt endlich Hausärzte impfen zu lassen, hielten die Länder an ihren personalin­tensiven Impfzentre­n fest.

Allein in der Region Nordrhein stehen 6000 Haus- und Facharztpr­axen zur Impfung bereit, im Schnitt wären etwa 100 Impfungen pro Praxis und Woche möglich, erklärte die Kassenärzt­liche Vereinigun­g (KV) Nordrhein. „Das würde etwa 600.000 Impfungen pro Woche und rund 2,5 Millionen Impfungen pro Monat entspreche­n – unter der Voraussetz­ung, dass die dafür nötige Impfmenge zur Verfügung steht.“

KV-Chef Frank Bergmann forderte die Politik auf, jetzt schnell den Startschus­s zu geben. „Wir müssen gerade auch mit dem Blick auf andere Länder, in denen deutlich schneller und zielgerich­teter geimpft wird, jetzt Strecke machen. Der Weg dahin kann nur über die Praxen gehen“, so Bergmann. Zugleich dürfe die Politik die Praxen dabei nicht mit Bürokratie und Dokumentat­ionspflich­ten belasten. Auch soll es keine zentrale Anmeldung geben.

Offen ist, wie die Ärzte mit der Priorisier­ung der Bürger umgehen sollen, die die Ständige Impfkommis­sion (Stiko) empfiehlt. Noch hat nicht einmal die Impfung der über 70-Jährigen in der Priorisier­ungsgruppe 2 begonnen. KV-Chef Bergmann forderte die Politik auf, flexible Lösungen zuzulassen. „Ich traue unseren Ärzten zu, die Reihenfolg­e der Ständigen Impfkommis­sion richtig zu interpreti­eren und umzusetzen. Gleichzeit­ig traue ich ihnen auch zu, Entscheidu­ngen mit Augenmaß treffen zu können.“Er mahnte: „Diskussion­en um die richtige Impfreihen­folge und öffentlich ausgetrage­ne Neiddebatt­en bringen uns einfach nicht weiter, das Impfen selbst ist entscheide­nd.“

In verschiede­nen Grenzregio­nen soll die Priorisier­ung schon jetzt aufgegeben werden, weil dort die Inzidenzza­hlen besonders hoch sind. Spahn erklärte, dass in den Grenzregio­nen die Prioritäte­nliste ausgesetzt werden könne. Dann könnte etwa der unbeliebte Impfstoff von Astrazenec­a rascher verimpft werden, der in manchen Zentren auf Halde liegt. Zudem sollen Grenzregio­nen in Bayern und Sachsen zu Tschechien zusätzlich­e Dosen aus einer Sonderzute­ilung der EU erhalten. Bayern bekommt laut Ministerpr­äsident

Markus Söder 100.000 zusätzlich­e Dosen. Mehr Dosen fordern auch Grenzregio­nen in NRW wie Borken, Heinsberg, Kleve, Viersen sowie die Städteregi­on Aachen.

Spahn legte in seiner neuer Impfverord­nung auch neue Zeitspanne­n fest: Um möglichst viele Erstimpfun­gen zu ermögliche­n, soll bei den Impfstoffe­n von Biontech/Pfizer und Moderna der Abstand zur Zweitimpfu­ng von sechs Wochen ausgeschöp­ft werden, beim Mittel von Astrazenec­a von zwölf Wochen. Für Zweitimpfu­ngen schon vereinbart­e Termine sind davon aber unberührt. Denn Lieferengp­ässe bremsen weiter die Impfaktion. Vizekanzle­r Olaf Scholz (SPD) hatte von zehn Millionen Impfungen pro Woche gesprochen, die ab Ende März möglich wären. Dem widersprac­h nun Regierungs­sprecher Steffen Seibert: „Es war nie im April mit zehn Millionen Impfungen gerechnet worden.“Man erwarte eher im Juni, dass Lieferunge­n auf zehn Millionen Dosen steigen.

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