Rheinische Post Krefeld Kempen
Arztpraxen sollen ab Mitte April impfen
Allein in der Region Nordrhein stehen 6000 Haus- und Fachärzte bereit, sie können 2,5 Millionen Bürger im Monat impfen. Doch nun streiten Bund und Länder über die Verteilung der Dosen auf Praxen und Zentren.
DÜSSELDORF Um der Impfkampagne Schwung zu geben, wollen Bund und Länder nun die niedergelassenen Ärzte einbeziehen. Ab spätestens Mitte April soll in Praxen geimpft werden, wie die Gesundheitsminister bekräftigten. Zunächst war von Anfang April die Rede. Die Minister einigten sich darauf, dass die Praxen wie bei Grippeimpfungen über die Apotheken bestellen sollen, sobald genug Impfstoff vorhanden ist. Doch sie streiten weiter über den genauen Starttermin und die Verteilung der Dosen. Einige Länder fürchten, dass ihre Impfzentren nicht mehr ausgelastet sind, wenn Haus- und Betriebsärzte ebenfalls gegen Corona impfen. Jetzt sollen Kanzlerin und Länderchefs den Streit vor dem für den 22. März geplanten Treffen klären.
Bei den Ärzten kommt der neue Streit nicht gut an. Ulrich Weigeldt, Chef des Deutschen Hausärzteverbandes, sagte unserer Redaktion:
„Ich frage mich, wie man angesichts der Millionen von ungenutzten Impfstoffdosen, Entscheidungen, die uns im Kampf gegen die Pandemie voranbringen könnten, weiter aufschieben kann. Das ist mir unbegreiflich.“Anstatt endlich Hausärzte impfen zu lassen, hielten die Länder an ihren personalintensiven Impfzentren fest.
Allein in der Region Nordrhein stehen 6000 Haus- und Facharztpraxen zur Impfung bereit, im Schnitt wären etwa 100 Impfungen pro Praxis und Woche möglich, erklärte die Kassenärztliche Vereinigung (KV) Nordrhein. „Das würde etwa 600.000 Impfungen pro Woche und rund 2,5 Millionen Impfungen pro Monat entsprechen – unter der Voraussetzung, dass die dafür nötige Impfmenge zur Verfügung steht.“
KV-Chef Frank Bergmann forderte die Politik auf, jetzt schnell den Startschuss zu geben. „Wir müssen gerade auch mit dem Blick auf andere Länder, in denen deutlich schneller und zielgerichteter geimpft wird, jetzt Strecke machen. Der Weg dahin kann nur über die Praxen gehen“, so Bergmann. Zugleich dürfe die Politik die Praxen dabei nicht mit Bürokratie und Dokumentationspflichten belasten. Auch soll es keine zentrale Anmeldung geben.
Offen ist, wie die Ärzte mit der Priorisierung der Bürger umgehen sollen, die die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt. Noch hat nicht einmal die Impfung der über 70-Jährigen in der Priorisierungsgruppe 2 begonnen. KV-Chef Bergmann forderte die Politik auf, flexible Lösungen zuzulassen. „Ich traue unseren Ärzten zu, die Reihenfolge der Ständigen Impfkommission richtig zu interpretieren und umzusetzen. Gleichzeitig traue ich ihnen auch zu, Entscheidungen mit Augenmaß treffen zu können.“Er mahnte: „Diskussionen um die richtige Impfreihenfolge und öffentlich ausgetragene Neiddebatten bringen uns einfach nicht weiter, das Impfen selbst ist entscheidend.“
In verschiedenen Grenzregionen soll die Priorisierung schon jetzt aufgegeben werden, weil dort die Inzidenzzahlen besonders hoch sind. Spahn erklärte, dass in den Grenzregionen die Prioritätenliste ausgesetzt werden könne. Dann könnte etwa der unbeliebte Impfstoff von Astrazeneca rascher verimpft werden, der in manchen Zentren auf Halde liegt. Zudem sollen Grenzregionen in Bayern und Sachsen zu Tschechien zusätzliche Dosen aus einer Sonderzuteilung der EU erhalten. Bayern bekommt laut Ministerpräsident
Markus Söder 100.000 zusätzliche Dosen. Mehr Dosen fordern auch Grenzregionen in NRW wie Borken, Heinsberg, Kleve, Viersen sowie die Städteregion Aachen.
Spahn legte in seiner neuer Impfverordnung auch neue Zeitspannen fest: Um möglichst viele Erstimpfungen zu ermöglichen, soll bei den Impfstoffen von Biontech/Pfizer und Moderna der Abstand zur Zweitimpfung von sechs Wochen ausgeschöpft werden, beim Mittel von Astrazeneca von zwölf Wochen. Für Zweitimpfungen schon vereinbarte Termine sind davon aber unberührt. Denn Lieferengpässe bremsen weiter die Impfaktion. Vizekanzler Olaf Scholz (SPD) hatte von zehn Millionen Impfungen pro Woche gesprochen, die ab Ende März möglich wären. Dem widersprach nun Regierungssprecher Steffen Seibert: „Es war nie im April mit zehn Millionen Impfungen gerechnet worden.“Man erwarte eher im Juni, dass Lieferungen auf zehn Millionen Dosen steigen.