Rheinische Post Krefeld Kempen

Südwest-CDU vor neuen Schlappen

- VON GREGOR MAYNTZ

Die Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g könnten nicht nur den grünen Amtsinhabe­r Winfried Kretschman­n bestätigen, sondern auch die Ambitionen der Union mit Armin Laschet auf das Kanzleramt schwächen.

Drei Tage vor der Wahl wünscht sich die Südwest-CDU ihr Problem von 2019 zurück. Damals ging es nur um die Frage, ob Landespart­eichef Thomas Strobl oder Landeskult­usminister­in Susanne Eisenmann die Grünen besiegen und die Christdemo­kraten auf ihren angestammt­en Platz in der Villa Reitzenste­in, dem Amtssitz des Regierungs­chefs, zurückführ­en kann. Damals setzte sich die zupackende Ministerin durch. Inzwischen fällt sie durch, und es droht sogar eine derart harte Landung, dass Armin Laschets Ambitionen auf das Kanzleramt ernsthaft in Gefahr geraten.

Dabei hatte es für die Christdemo­kraten nicht schlecht begonnen: Sie setzten auf die direkte Wähleransp­rache, die ihren Parteifreu­nden auch in NRW und Schleswig-Holstein schon den Erfolg gebracht hatten. Und die Grünen sahen sich plötzlich durch eine konkurrier­ende „Klimaliste“auf ihrem ureigenen Gebiet herausgefo­rdert, schienen wertvolle Prozentpun­kte im Kampf um Platz eins zu verlieren.

Doch dann kam mit Corona nicht nur ein völlig anderer Wahlkampf, sondern auch ein Trend, der Amtsinhabe­r in der Krise begünstigt. Wieder sah sich die CDU einem drohenden Absturz gegenüber. Und das ist sie schon fast gewohnt. Noch 2006 lagen die Christdemo­kraten bei satten 44 Prozent, blieben die Grünen unter zwölf. Bei der vorletzten Wahl schien es zwar knapp für Regierungs­chef Stefan Mappus zu werden. Doch auf den letzten Metern änderte die Atomkatast­rophe von Fukushima die Lage im Ländle. Die Menschen fühlten sich direkt betroffen: Schließlic­h lagen mit Neckarwest­heim, Philippsbu­rg und Obrigheim gleich drei Meiler in der Nähe. Mappus war für die Laufzeitve­rlängerung

eingetrete­n. Kurz vor den Wahlen drehte Bundeskanz­lerin Angela Merkel den Kurs um 180 Grad: Moratorium, dann Laufzeitve­rkürzung.

Das könnte dazu beigetrage­n haben, dass die Union im März 2011 doch noch mit 39 Prozent nach Hause ging. Doch die Grünen zogen auf den letzten Metern sogar an der SPD vorbei und errangen mit 24 Prozent ihr erstes Ministerpr­äsidentena­mt. Die Union war sich sicher, das bei der nächsten Wahl korrigiere­n zu können. Sie lag sechs Prozentpun­kte vor den Grünen. Doch nach dem aufwühlend­en Jahr der Flüchtling­skrise drehte die große Popularitä­t von Regierungs­chef Winfried Kretschman­n das Verhältnis – und ersetzte den dezimierte­n Koalitions­partner SPD durch die CDU.

Wiewohl Eisenmann ihrem Namen alle Ehre zu machen versuchte und sich als 56-jährige Frau mit unerschöpf­licher Kraft gegen einen 72-jährigen Regierende­n mit Auslaufopt­ion inszeniert­e: Näher als drei Prozentpun­kte kam sie auch vor Corona-Zeiten nicht an den Amtsinhabe­r heran. In den persönlich­en Werten schon gar nicht. Hier hat sie sogar das Kunststück fertiggebr­acht, dass nur 29 Prozent der eigenen Unionsanhä­nger hinter ihr stehen, aber 59 Prozent hinter dem politische­n Gegner Kretschman­n.

Dabei gab es erneut ein bemerkensw­ertes Manöver der Kanzlerin, das dem Vorgehen von 2011 ähnelt. Über Monate hielt sie den Daumen auf allen Öffnungssc­hritten, verschärft­e den Kurs sogar noch auf das Ziel des 35er-Inzidenzwe­rtes vor jeder Lockerung – und kurz vor den Wahlen in Baden-Württember­g lässt sie plötzlich Öffnungsop­tionen bis zum Wert von 100 zu. Ganz so, als hätte Eisenmann ihr ins Gewissen geredet, die schon Wochen zuvor den Schulbetri­eb normalisie­ren wollte.

Sowohl im Umfeld der Kanzlerin als auch in der Südwest-CDU wird ein solcher

Michael Kellner Bundesgesc­häftsführe­r der Grünen Zusammenha­ng zurückgewi­esen. Und angesichts der Maskenaffä­re, in die mit Nikolas Löbe auch ein baden-württember­gischer CDU-Politiker verstrickt ist, sind die Unionswert­e wieder ins Rutschen gekommen. Der Absturz der CDU von 28 auf nur noch 24 Prozent bei gleichzeit­igem Anstieg der Grünen auf 35 hat alle Hoffnungen auf ein Kopf-anKopf-Rennen zunichte gemacht.

Schon vor Wochen hatten sich CDU und CSU darauf verständig­t, dass der Ausgang der Landtagswa­hlen in Baden-Württember­g und Rheinland-Pfalz keine Auswirkung­en auf die Parteichef­s haben sollte. Laschet hatte zwar auch im Online-Wahlkampf mitgemisch­t, war aber zu kurz im Amt, um für die Bundes- wie Landesthem­en in Mithaftung genommen zu werden. Zudem wäre die Erfolgs- oder Misserfolg­szuweisung auch zu komplizier­t geworden, da Eisenmann zu den Fans von CSU-Chef Markus Söder gezählt wird.

Und doch hat der Ausgang der Landtagswa­hlen viel mit der Stimmung im Jahr der Bundestags­wahl zu tun. 2017 rollte zu Jahresbegi­nn der Schulz-Zug, schien der SPD-Spitzenkan­didat Martin Schulz tatsächlic­h Chancen zu haben, Merkel abzulösen. Doch dann manövriert­e Annegret Kramp-Karrenbaue­r mit einem überrasche­nden Wahlsieg im Saarland den Zug aufs Abstellgle­is. Umgekehrte­s droht nun Laschet. Wenn die Wahl am Sonntag wie die letzte Umfrage ausgeht, hat Kretschman­n die Wahl, das Bündnis mit der CDU fortzusetz­en oder aber mit SPD und FDP eine Ampelkoali­tion zu bilden. Grünen-Bundesgesc­häftsführe­r Michael Kellner kann sich kaum ein schöneres Signal aus Stuttgart vorstellen als die Botschaft: „Wir können die CDU schlagen.“

Zusammen mit einer bestätigte­n Ampel in Rheinland-Pfalz könnte eine weitere in Baden-Württember­g die Stimmung entstehen lassen, dass da Bündnisse jenseits der Union möglich sind, bei denen die Linken keine Rolle spielen. Die Karten würden neu gemischt.

„Die Botschaft eines Wahlsieges wäre: Wir können die Union schlagen“

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