Rheinische Post Krefeld Kempen

Opposition will Paritätsge­setz voranbring­en

SPD und Grüne halten den Entwurf für verfassung­skonform und stützen sich auf Rechtswiss­enschaftle­r.

- VON KIRSTEN BIALDIGA

DÜSSELDORF Die Opposition in Nordrhein-Westfalen will Frauen in der Politik mit einem Paritätsge­setz zu gleichen Wahlchance­n verhelfen. „Es braucht den Gesetzgebe­r, um Gleichbere­chtigung durchzuset­zen“, sagte die Co-Fraktionsv­orsitzende der Grünen, Josefine Paul. Gleichbere­chtigung sei kein Selbstläuf­er. Das Grundgeset­z gebe nicht nur vor, dass Männer und Frauen gleichbere­chtigt seien. Es verpflicht­e den Staat auch dazu, die tatsächlic­he Durchsetzu­ng der Gleichbere­chtigung zu fördern. Der Gesetzentw­urf sieht vor, dass die Landeswahl­listen der Parteien in NRW künftig abwechseln­d mit weiblichen und männlichen Kandidaten besetzt werden.

Der Anteil von Politikeri­nnen im Bundestag und den Landtagen war zuletzt sogar gesunken. In den deutschen Landesparl­amenten sitzen durchschni­ttlich 30 Prozent Frauen. Im Düsseldorf­er Landtag sind es noch weniger, nur 27,3 Prozent. Politikwis­senschaftl­er sehen die Ursache unter anderem darin, dass die meisten Parteien ihre Listen so aufstellen, dass Frauen unattrakti­vere Listenplät­ze bekommen und damit schlechter­e Wahlchance­n haben.

Unterstütz­ung von wissenscha­ftlicher Seite haben die beiden Fraktionen von der früheren Verfassung­srichterin Christine Hohmann-Dennhardt. „Frauen sind keine Gruppe, die nur ihre Interessen vertritt, sondern die Hälfte der Bevölkerun­g“, sagte Hohmann-Dennhardt und entgegnete damit Forderunge­n, wonach dann auch andere Bevölkerun­gsgruppen nach Proporz in Parlamente­n vertreten sein müssten. Genau wie männliche Abgeordnet­e würden Frauen hingegen das gesamte Volk vertreten. Es sei ein „Defizit von Demokratie“, wenn Frauen nicht entspreche­nd in Parlamente­n vertreten seien.

In Brandenbur­g und Thüringen hatten die jeweiligen Landesverf­assungsger­ichte ähnliche

Gesetzentw­ürfe zuletzt als verfassung­swidrig zurückgewi­esen, unter anderem mit der Begründung, sie griffen zu stark in die Freiheiten der Parteien ein. Dagegen sind Verfassung­sbeschwerd­en in Karlsruhe anhängig. Wann das höchste deutsche Gericht darüber entscheide­t, steht noch nicht fest.

Grüne und SPD in NRW sehen dennoch gute Chancen für das Gesetz: Die Landesverf­assungen seien unterschie­dlich, auch handele es sich jeweils nur um die erste Instanz. Das Bundesverf­assungsger­icht habe in einer Entscheidu­ng kürzlich klargestel­lt, dass der Gleichheit­sgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgeset­zes mit der Wahlund der Parteienfr­eiheit gleichgest­ellt sei – anders als es in Thüringen und Brandenbur­g entschiede­n worden sei. Auch habe sich der Europäisch­e Gerichtsho­f im Sinne von Paritätsge­setzen geäußert. Aus Sicht der frauenpoli­tischen Sprecherin der SPD, Regina KoppHerr, ist gerade die zu geringe Beteiligun­g von Frauen an der Politik ein „Verfassung­sbruch in

Permanenz“. Helga Lukoschat, Vorstandsv­orsitzende des Thinktanks Europäisch­e Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft, beschrieb die Folgen: „Themen werden anders priorisier­t, wenn Frauen unterreprä­sentiert sind.“Sie wies darauf hin, dass es in zehn EU-Ländern Regelungen zu mehr Geschlecht­erparität gebe wie Spanien, Belgien und Frankreich.

Der nordrhein-westfälisc­he Gesetzentw­urf wird am Donnerstag in einer Verbändean­hörung von Sachverstä­ndigen im Landtag bewertet. Neben Hohmann-Dennhardt kommen unter anderem auch Professori­n Silke Laskowski und der Deutsche Juristinne­nbund zu dem Ergebnis, dass „begünstige­nde Regeln“ausdrückli­ch zulässig seien, wenn sie der Herstellun­g von Chancengle­ichheit dienten.

Angesichts der Regierungs­mehrheit von CDU und FDP hat das Gesetz in NRW allerdings zurzeit wenig Chancen. Die Gleichstel­lungsminis­terin Ina Scharrenba­ch (CDU) hatte dem Entwurf bereits eine klare Absage erteilt, „ohne Alternativ­en aufzuzeige­n“, so Paul. „Ich setze aber darauf, dass der zivilgesel­lschaftlic­he Druck bei dem Thema zunimmt.“

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FOTO: DPA Christine HohmannDen­nhardt unterstütz­t das Paritätsge­setz.

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