Rheinische Post Krefeld Kempen
Opposition will Paritätsgesetz voranbringen
SPD und Grüne halten den Entwurf für verfassungskonform und stützen sich auf Rechtswissenschaftler.
DÜSSELDORF Die Opposition in Nordrhein-Westfalen will Frauen in der Politik mit einem Paritätsgesetz zu gleichen Wahlchancen verhelfen. „Es braucht den Gesetzgeber, um Gleichberechtigung durchzusetzen“, sagte die Co-Fraktionsvorsitzende der Grünen, Josefine Paul. Gleichberechtigung sei kein Selbstläufer. Das Grundgesetz gebe nicht nur vor, dass Männer und Frauen gleichberechtigt seien. Es verpflichte den Staat auch dazu, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung zu fördern. Der Gesetzentwurf sieht vor, dass die Landeswahllisten der Parteien in NRW künftig abwechselnd mit weiblichen und männlichen Kandidaten besetzt werden.
Der Anteil von Politikerinnen im Bundestag und den Landtagen war zuletzt sogar gesunken. In den deutschen Landesparlamenten sitzen durchschnittlich 30 Prozent Frauen. Im Düsseldorfer Landtag sind es noch weniger, nur 27,3 Prozent. Politikwissenschaftler sehen die Ursache unter anderem darin, dass die meisten Parteien ihre Listen so aufstellen, dass Frauen unattraktivere Listenplätze bekommen und damit schlechtere Wahlchancen haben.
Unterstützung von wissenschaftlicher Seite haben die beiden Fraktionen von der früheren Verfassungsrichterin Christine Hohmann-Dennhardt. „Frauen sind keine Gruppe, die nur ihre Interessen vertritt, sondern die Hälfte der Bevölkerung“, sagte Hohmann-Dennhardt und entgegnete damit Forderungen, wonach dann auch andere Bevölkerungsgruppen nach Proporz in Parlamenten vertreten sein müssten. Genau wie männliche Abgeordnete würden Frauen hingegen das gesamte Volk vertreten. Es sei ein „Defizit von Demokratie“, wenn Frauen nicht entsprechend in Parlamenten vertreten seien.
In Brandenburg und Thüringen hatten die jeweiligen Landesverfassungsgerichte ähnliche
Gesetzentwürfe zuletzt als verfassungswidrig zurückgewiesen, unter anderem mit der Begründung, sie griffen zu stark in die Freiheiten der Parteien ein. Dagegen sind Verfassungsbeschwerden in Karlsruhe anhängig. Wann das höchste deutsche Gericht darüber entscheidet, steht noch nicht fest.
Grüne und SPD in NRW sehen dennoch gute Chancen für das Gesetz: Die Landesverfassungen seien unterschiedlich, auch handele es sich jeweils nur um die erste Instanz. Das Bundesverfassungsgericht habe in einer Entscheidung kürzlich klargestellt, dass der Gleichheitsgrundsatz nach Artikel 3 des Grundgesetzes mit der Wahlund der Parteienfreiheit gleichgestellt sei – anders als es in Thüringen und Brandenburg entschieden worden sei. Auch habe sich der Europäische Gerichtshof im Sinne von Paritätsgesetzen geäußert. Aus Sicht der frauenpolitischen Sprecherin der SPD, Regina KoppHerr, ist gerade die zu geringe Beteiligung von Frauen an der Politik ein „Verfassungsbruch in
Permanenz“. Helga Lukoschat, Vorstandsvorsitzende des Thinktanks Europäische Akademie für Frauen in Politik und Wirtschaft, beschrieb die Folgen: „Themen werden anders priorisiert, wenn Frauen unterrepräsentiert sind.“Sie wies darauf hin, dass es in zehn EU-Ländern Regelungen zu mehr Geschlechterparität gebe wie Spanien, Belgien und Frankreich.
Der nordrhein-westfälische Gesetzentwurf wird am Donnerstag in einer Verbändeanhörung von Sachverständigen im Landtag bewertet. Neben Hohmann-Dennhardt kommen unter anderem auch Professorin Silke Laskowski und der Deutsche Juristinnenbund zu dem Ergebnis, dass „begünstigende Regeln“ausdrücklich zulässig seien, wenn sie der Herstellung von Chancengleichheit dienten.
Angesichts der Regierungsmehrheit von CDU und FDP hat das Gesetz in NRW allerdings zurzeit wenig Chancen. Die Gleichstellungsministerin Ina Scharrenbach (CDU) hatte dem Entwurf bereits eine klare Absage erteilt, „ohne Alternativen aufzuzeigen“, so Paul. „Ich setze aber darauf, dass der zivilgesellschaftliche Druck bei dem Thema zunimmt.“