Rheinische Post Krefeld Kempen

Thyssenkru­pp stellt Weichen mit Jobabbau

- VON ANTJE HÖNING

Insgesamt 3750 Stahl-Stellen fallen weg. So soll die Sparte aufgehübsc­ht werden. Die IG Metall stimmt zu, Kündigunge­n sind vorerst vom Tisch.

DUISBURG Thyssenkru­pp drückt schärfer auf die Kostenbrem­se. Bei der angeschlag­enen Stahltocht­er Steel sollen nun weitere 750 Stellen gestrichen werden, insgesamt fallen damit 3750 der insgesamt 27.000 Arbeitsplä­tze in der Stahlspart­e weg. Das Ganze soll bis September 2023 umgesetzt werden. „Zusätzlich zum im Tarifverta­g vorgesehen­en Abbau von 3000 Arbeitsplä­tzen ist eine Reduzierun­g um bis zu 750 Stellen in Verwaltung und produktion­snahen Bereichen vorgesehen“, teilte der Konzern am Mittwoch mit.

Der Abbau betrifft die Thyssenkru­pp-Steel-Zentrale in Duisburg, aber auch andere Standorte. Nordrhein-Westfalen dürfte besonders im Fokus stehen, hier sind 22.000 Mitarbeite­r im Stahlberei­ch tätig. Auch etliche Führungskr­äfte müssen gehen, hieß es aus Konzernkre­isen.

Schon vor der Pandemie hatten sich IG Metall und Konzern auf den Abbau von 3000 Stahl-Stellen geeinigt; im Gegenzug hat sich der Konzern zu hohen Investitio­nen in die Stahlwerke verpflicht­et. Zu dem Paket „Stahlstrat­egie 20-30“gehörte damals auch die Zusage, dass es bis Ende 2026 keine betriebsbe­dingten Kündigunge­n gibt. Daran will der Konzern weiterhin festhalten, nachdem er zwischenze­itig Kündigunge­n nicht ausgeschlo­ssen hatte: „Wir haben in schwierige­n Zeiten einen fairen Ausgleich erzielt. Tarifvertr­ag inklusive der Beschäftig­ungssicher­ung bleiben erhalten“, versichert­e Markus Grolms, der Personalvo­rstand der Stahlspart­e. Die Aktie gab dennoch leicht nach, sie notierte am Mittwoch zwischenze­itlich bei 11,50 Euro.

Der aktuellen Einigung vorausgega­ngen war ein hartes Ringen zwischen Thyssenkru­pp und der Gewerkscha­ft. Der Konzern sei in den vergangene­n sechs Monaten ständig mit neuen Horroridee­n auf IG Metall und Betriebsrä­te zugekommen, hieß es in einem Flugblatt der Gewerkscha­ft an die Belegschaf­t, das unserer Redaktion vorliegt. „Wir haben das Schlimmste wegverhand­elt“, sagt Knut Giesler, Bezirkslei­ter der IG Metall NRW. Pläne für weitere Streichorg­ien, für massiven Stellenabb­au und für Billig-Outsourcin­g von Geschäftsb­ereichen seien damit vom Tisch. „Es war dreist, wie hier unter dem Deckmantel der Corona-Krise versucht wurde, die große Axt anzulegen. Das haben wir verhindert“, erklärte Tekin Nasikkol, Betriebsra­ts-Chef von Thyssenkru­pp Steel.

Der Stahl hatte Thyssenkru­pp in früheren Jahren Milliarden­gewinne beschert. Doch das Brasilien-Desaster, die Billig-Konkurrenz aus Fernost und die Corona-Krise setzen die Sparte unter Druck, sie drückte den Konzern tief in die roten Zahlen. „Die Vereinbaru­ng wird dazu beitragen, den durch Corona entstanden­en wirtschaft­lichen Schaden zu begrenzen. Das ist Voraussetz­ung dafür, den Stahl nachhaltig zukunftsfä­hig aufzustell­en“, sagte Klaus Keysberg, Finanzchef von Thyssenkru­pp. Die Vereinbaru­ng sei ein Meilenstei­n auf dem Weg zur einer möglichen Verselbstä­ndigung des Stahlberei­chs. „Verselbsts­tänigung“hatte der Konzern in der vergangene­n Woche als neue Richtung für den Stahl definiert. Das kann ein Börsengang, eine spätere Fusion – mit einem anderen Partner als Liberty Steel – oder eine Weiterführ­ung unter dem Konzerndac­h sein.

Der Vorstand hatte vor kurzem einen Verkauf an den Konkurrent­en Liberty Steel abgesagt, auch das machte die Verständig­ung mit der Gewerkscha­ft nun leichter. Die IG Metall hatte sich massiv gegen eine Übernahme durch die Briten gewehrt. Da Liberty einen negativen Preis verlangte, winkte der Vorstand ab, zumal auch das Konzept nicht überzeugte.

Das Sparen in der Stahlspart­e ist damit aber noch nicht vorbei. Zu der jetzt gefundenen Einigung gehört auch, dass Thyssenkru­pp nun Betreiberm­odelle prüft, um die Effizienz zu steigern. So könnte etwa die Wartung und Instandhal­tung von Anlagen von fremden, günstigere­n Firmen übernommen werden. Aber auch hier schlug die Gewerkscha­ft Pflöcke ein: Thyssenkru­pp könne das Betreiberm­odell nur anwenden, wenn die IG Metall zustimme, und dies sei an eine Tarifbindu­ng geknüpft, hieß es in dem Flugblatt weiter. „Wir konnten verhindern, dass Thyssenkru­pp Tariffluch­t begeht und Teile seiner Belegschaf­t in Gesellscha­ften mit Billig-Tarifen oder gar in die Tariflosig­keit abschiebt“, betonte Bezirkslei­ter Knut Giesler. Wildwest sei mit der IG Metall nicht zu machen. Bis Mitte April sollen die Gespräche über Details abgeschlos­sen sein.

Betriebsra­ts-Chef Nasikkol fordert den Vorstand auf, im Aufsichtsr­at rasch ein Konzept für die weitere Zukunft der Stahlspart­e vorzulegen. Der Konzern hat Investitio­nen in den Umbau der Duisburger Gießwalzan­lage und dem Neubau weiterer Aggregate freigegebe­n. Doch der Umbau zu einer teuren, grünen Stahl-Produktion steht weiter an. Hier fordert die IG Metall weiter Hilfe des Staates ein.

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FOTO: DPA Das Stahlwerk Schwelgern im Duisburger Norden: Thyssenkru­pp hat in Nordrhein-Westfalen insgesamt 22.000 Beschäftig­te.

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