Rheinische Post Krefeld Kempen
Revolutionäre Ideen für die vier Wälle
Es wären tiefgreifende Änderungen für die vier Wälle: Nur noch Autoverkehr im Uhrzeigersinn, die Spuren zur City hin nur noch Rad- und Zulieferverkehr. Ein Gutachten, das Ideen für ein Mobilitätskonzept vorträgt, hat eine Diskussionsgrundlage für die Politik zusammengetragen.
Die Stadt hat bei dem Planungsbüro LK Argus ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem Ideen für ein Mobilitätskonzept für Krefeld zusammengetragen werden. Das Gutachten, das unserer Redaktion vorliegt, ist Grundlage für die Diskussion in der Politik. Die Debatte steht noch am Anfang – keiner der Vorschläge ist also in Stein gemeißelt, sondern Konzept-Idee. Der wohl spektakulärste Vorschlag betrifft die völlige Neuorganisation des Verkehrs auf den vier Wällen. Kernpunkte: Sie sollen für den normalen Autoverkehr nur noch in eine Richtung befahrbar sein, nämlich im Uhrzeigersinn um die Innenstadt.
Demnach werden die Autofahrer der Zukunft ab Hauptbahnhof auf dem Ostwall nur noch in Richtung Nordwall, dann über Westwall und Südwall zurück zum Ostwall um die City herumfahren können. Auf diesem Rundkurs soll es weiterhin Gehwege sowie eigene Radwege geben – für den schnellen Radverkehr, wie es heißt. Die Grünbereiche soll gegebenenfalls für den Radverkehr im Schritttempo freigeben werden.
Ziel ist es, die vier Wälle als ,Grüne Wällen' mit „qualifizierten, durchgehenden Anlagen für den Fuß- und Radverkehr“zu etablieren. Dazu gibt es eine Fülle von Einzelvorschlägen: mehr Sitzgelegenheiten; die Querungsstellen über die Wälle sollen von heute 19 auf vier (ohne Nordwall) reduziert werden, wobei die Wallquerungen so gestaltet werden sollen, dass Fußgänger bevorrechtigt sind. Auf den Wällen soll generell Tempo 30 herrschen, es sollen Parkplätze abgebaut und die Gehwege verbreitert werden, auch um mehr Gastronomie anzusiedeln.
Die zur Innenstadt hin gelegenen Fahrspuren sollen für Rad- und Anliegerverkehr, Ver- und Entsorgungsverkehr (wie Müll- und Räumungsdienste), für Lieferverkehr, Taxen, ÖPNV-Angebote wie der „Bus on Demand“und zur Erschließung der Parkhäuser Behnisch Haus und Galeria Kaufhof genutzt werden.
Für Westwall und Karlsplatz wird vorgeschlagen, was jetzt noch strittig ist: Vor dem Kaiser-Wilhelm-Museum soll in beide Fahrtrichtungen keine Durchfahrt von Autoverkehr mehr möglich sein. Ziel: „dass sich der Bereich zu einem städtischen Platz mit hoher Aufenthalts- und Nutzungsqualität entwickeln kann.“Die äußere Fahrspur auf der Innenstadtseite soll eingezogen, der Gehweg um diese verbreitert werden. Die verbleibende innere Fahrspur soll nach dem gerade geschilderten Muster wiederum dem Raddem Anlieger-, Versorgungs- und Lieferverkehr sowie Taxen etc. nutzbar sein. Zwischen St.-Anton-Straße und Nordwall soll die Fahrspur auf der Innenstadtseite auch als Parkhauszufahrt nutzbar sein.
Auf der der City abgewandten Seite soll die innere Fahrspur an der Grünen Mittelinsel dem Radverkehr vorbehalten sein; die äußere Fahrspur soll dem verbleibenden motorisierten Verkehr dienen.
Ähnlich sieht der Plan für den Südwall aus: Die äußere Fahrspur auf der Innenstadtseite wird eingezogen, der Gehweg um diese verbreitert. Die verbleibende Fahrspur soll für den genannten Rad- sowie den verbleibenden Versorgungsund Lieferverkehr bestimmt sein.
Auf der der City abgewandten Fahrbahn soll die innere Fahrspur an der Mittelinsel dem Radverkehr vorbehalten sein, die äußere Fahrspur für den Bus- und Autoverkehr. Bei den Querungsstellen am Südwall im Bereich Hoch- und Neusser Straße sollen die Fußgängerampeln zurückgebaut und der Fußverkehr durch gestalterische Maßnahmen gestärkt werden.
Der Raum vor dem Hauptbahnhof soll komplett neu als Shared Space gestaltet werden, in dem alle Verkehrsformen gleichberechtigt erscheinen. Der Autoverkehr soll bei Tempo 20 „niveaugleich“zum Fußund Radverkehr“geführt werden. Die Fahrwege für Autos sollen durch unterschiedliche Pflasterungen und Markierungsnägel geschaffen werden. Die Querungsstellen mit dem ÖPNV sollen aus Sicherheitsgründen bleiben; „durch eine Umgestaltung wird für den Fuß- und Radverkehr dennoch eine erhebliche Verbesserung geschaffen“. Natürlich soll der Raum barrierefrei und mit den Systemen für Sehbehinderte und mobilitätseingeschränkte Menschen versehen werden.
Für die St.-Anton-Straße wird empfohlen, was bereits vor einigen Jahren zu Zeiten von Planungsdezernent Martin Linne diskutiert wurde. Die Straße, die heute als Mini-Autobahn die Stadt teilt, soll in Höhe der Innenstadt „zur verbesserten Verknüpfung des nördlichen und südlichen Innenstadtbereichs“komplett umgestaltet werden. Ziel ist es, die Straße vom Durchgangsverkehr zu befreien und die Querbarkeit zu verbessern. Dazu sollen die Straßenbahnschienen auseinandergezogen und eine Mittelinsel für Fußgänger geschaffen werden. Der verbleibende Verkehr (Zufahrtsverkehr zu den Parkhäusern, Anliegerverkehr, Nutzer mit Sondergenehmigung und Wirtschaftsverkehr) sollen auf derselben Fahrbahn wie die Straßenbahn geführt werden. „Durch koordinierte Schaltung der Ampelanlagen an den Knotenpunkten Ostwall und Westwall wird sichergestellt, dass die Straßenbahn als Pulkführer in diesen Bereich einfährt“, heißt es.
Auch die Königstraße soll ein neues Gesicht erhalten: Die Parkplätze im Bereich der Überdachungen sollen verschwinden, die Gehwege verbreitert und so interessant gemacht werden für Gastronomie. Zudem soll es mehr Radabstellmöglichkeiten und Sitzgelegenheiten geben.
Für den gesamten Bereich innerhalb der vier Wälle soll höchstens Tempo 30 gelten. Der Autoverkehr soll so weit wie möglich zurückgedrängt und auf Anlieger- und Lieferverkehr konzentriert werden. Die Straßen sollen nach und nach fußgängerfreundlich umgestaltet werden. Ein Element: eine einheitliche Beschilderung mit Gehminuten-Angaben zu wichtigen Zielen. Parkplätze im öffentlichen Raum, insbesondere Gehweg-Parkplätze, sollen möglichst abgeschafft, Radverkehrsachsen in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung als Fahrradstraßen (nicht in Bereichen mit ÖPNV) ausgebaut werden.