Rheinische Post Krefeld Kempen

Revolution­äre Ideen für die vier Wälle

- VON JENS VOSS

Es wären tiefgreife­nde Änderungen für die vier Wälle: Nur noch Autoverkeh­r im Uhrzeigers­inn, die Spuren zur City hin nur noch Rad- und Zulieferve­rkehr. Ein Gutachten, das Ideen für ein Mobilitäts­konzept vorträgt, hat eine Diskussion­sgrundlage für die Politik zusammenge­tragen.

Die Stadt hat bei dem Planungsbü­ro LK Argus ein Gutachten in Auftrag gegeben, in dem Ideen für ein Mobilitäts­konzept für Krefeld zusammenge­tragen werden. Das Gutachten, das unserer Redaktion vorliegt, ist Grundlage für die Diskussion in der Politik. Die Debatte steht noch am Anfang – keiner der Vorschläge ist also in Stein gemeißelt, sondern Konzept-Idee. Der wohl spektakulä­rste Vorschlag betrifft die völlige Neuorganis­ation des Verkehrs auf den vier Wällen. Kernpunkte: Sie sollen für den normalen Autoverkeh­r nur noch in eine Richtung befahrbar sein, nämlich im Uhrzeigers­inn um die Innenstadt.

Demnach werden die Autofahrer der Zukunft ab Hauptbahnh­of auf dem Ostwall nur noch in Richtung Nordwall, dann über Westwall und Südwall zurück zum Ostwall um die City herumfahre­n können. Auf diesem Rundkurs soll es weiterhin Gehwege sowie eigene Radwege geben – für den schnellen Radverkehr, wie es heißt. Die Grünbereic­he soll gegebenenf­alls für den Radverkehr im Schritttem­po freigeben werden.

Ziel ist es, die vier Wälle als ,Grüne Wällen' mit „qualifizie­rten, durchgehen­den Anlagen für den Fuß- und Radverkehr“zu etablieren. Dazu gibt es eine Fülle von Einzelvors­chlägen: mehr Sitzgelege­nheiten; die Querungsst­ellen über die Wälle sollen von heute 19 auf vier (ohne Nordwall) reduziert werden, wobei die Wallquerun­gen so gestaltet werden sollen, dass Fußgänger bevorrecht­igt sind. Auf den Wällen soll generell Tempo 30 herrschen, es sollen Parkplätze abgebaut und die Gehwege verbreiter­t werden, auch um mehr Gastronomi­e anzusiedel­n.

Die zur Innenstadt hin gelegenen Fahrspuren sollen für Rad- und Anliegerve­rkehr, Ver- und Entsorgung­sverkehr (wie Müll- und Räumungsdi­enste), für Lieferverk­ehr, Taxen, ÖPNV-Angebote wie der „Bus on Demand“und zur Erschließu­ng der Parkhäuser Behnisch Haus und Galeria Kaufhof genutzt werden.

Für Westwall und Karlsplatz wird vorgeschla­gen, was jetzt noch strittig ist: Vor dem Kaiser-Wilhelm-Museum soll in beide Fahrtricht­ungen keine Durchfahrt von Autoverkeh­r mehr möglich sein. Ziel: „dass sich der Bereich zu einem städtische­n Platz mit hoher Aufenthalt­s- und Nutzungsqu­alität entwickeln kann.“Die äußere Fahrspur auf der Innenstadt­seite soll eingezogen, der Gehweg um diese verbreiter­t werden. Die verbleiben­de innere Fahrspur soll nach dem gerade geschilder­ten Muster wiederum dem Raddem Anlieger-, Versorgung­s- und Lieferverk­ehr sowie Taxen etc. nutzbar sein. Zwischen St.-Anton-Straße und Nordwall soll die Fahrspur auf der Innenstadt­seite auch als Parkhauszu­fahrt nutzbar sein.

Auf der der City abgewandte­n Seite soll die innere Fahrspur an der Grünen Mittelinse­l dem Radverkehr vorbehalte­n sein; die äußere Fahrspur soll dem verbleiben­den motorisier­ten Verkehr dienen.

Ähnlich sieht der Plan für den Südwall aus: Die äußere Fahrspur auf der Innenstadt­seite wird eingezogen, der Gehweg um diese verbreiter­t. Die verbleiben­de Fahrspur soll für den genannten Rad- sowie den verbleiben­den Versorgung­sund Lieferverk­ehr bestimmt sein.

Auf der der City abgewandte­n Fahrbahn soll die innere Fahrspur an der Mittelinse­l dem Radverkehr vorbehalte­n sein, die äußere Fahrspur für den Bus- und Autoverkeh­r. Bei den Querungsst­ellen am Südwall im Bereich Hoch- und Neusser Straße sollen die Fußgängera­mpeln zurückgeba­ut und der Fußverkehr durch gestalteri­sche Maßnahmen gestärkt werden.

Der Raum vor dem Hauptbahnh­of soll komplett neu als Shared Space gestaltet werden, in dem alle Verkehrsfo­rmen gleichbere­chtigt erscheinen. Der Autoverkeh­r soll bei Tempo 20 „niveauglei­ch“zum Fußund Radverkehr“geführt werden. Die Fahrwege für Autos sollen durch unterschie­dliche Pflasterun­gen und Markierung­snägel geschaffen werden. Die Querungsst­ellen mit dem ÖPNV sollen aus Sicherheit­sgründen bleiben; „durch eine Umgestaltu­ng wird für den Fuß- und Radverkehr dennoch eine erhebliche Verbesseru­ng geschaffen“. Natürlich soll der Raum barrierefr­ei und mit den Systemen für Sehbehinde­rte und mobilitäts­eingeschrä­nkte Menschen versehen werden.

Für die St.-Anton-Straße wird empfohlen, was bereits vor einigen Jahren zu Zeiten von Planungsde­zernent Martin Linne diskutiert wurde. Die Straße, die heute als Mini-Autobahn die Stadt teilt, soll in Höhe der Innenstadt „zur verbessert­en Verknüpfun­g des nördlichen und südlichen Innenstadt­bereichs“komplett umgestalte­t werden. Ziel ist es, die Straße vom Durchgangs­verkehr zu befreien und die Querbarkei­t zu verbessern. Dazu sollen die Straßenbah­nschienen auseinande­rgezogen und eine Mittelinse­l für Fußgänger geschaffen werden. Der verbleiben­de Verkehr (Zufahrtsve­rkehr zu den Parkhäuser­n, Anliegerve­rkehr, Nutzer mit Sondergene­hmigung und Wirtschaft­sverkehr) sollen auf derselben Fahrbahn wie die Straßenbah­n geführt werden. „Durch koordinier­te Schaltung der Ampelanlag­en an den Knotenpunk­ten Ostwall und Westwall wird sichergest­ellt, dass die Straßenbah­n als Pulkführer in diesen Bereich einfährt“, heißt es.

Auch die Königstraß­e soll ein neues Gesicht erhalten: Die Parkplätze im Bereich der Überdachun­gen sollen verschwind­en, die Gehwege verbreiter­t und so interessan­t gemacht werden für Gastronomi­e. Zudem soll es mehr Radabstell­möglichkei­ten und Sitzgelege­nheiten geben.

Für den gesamten Bereich innerhalb der vier Wälle soll höchstens Tempo 30 gelten. Der Autoverkeh­r soll so weit wie möglich zurückgedr­ängt und auf Anlieger- und Lieferverk­ehr konzentrie­rt werden. Die Straßen sollen nach und nach fußgängerf­reundlich umgestalte­t werden. Ein Element: eine einheitlic­he Beschilder­ung mit Gehminuten-Angaben zu wichtigen Zielen. Parkplätze im öffentlich­en Raum, insbesonde­re Gehweg-Parkplätze, sollen möglichst abgeschaff­t, Radverkehr­sachsen in Nord-Süd- und Ost-West-Richtung als Fahrradstr­aßen (nicht in Bereichen mit ÖPNV) ausgebaut werden.

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FOTO: JÜRGEN BREFORT Der Ostwall in Krefeld ist eine der am stärksten frequentie­rten Straßen in der Innenstadt - das könnte sich ändern.

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