Rheinische Post Krefeld Kempen

Der Konzern Stadt – ein Firmengefl­echt

- VON NORBERT STIRKEN

Der Konzern Stadt ist ein Firmengefl­echt mit tausenden Beschäftig­ten und Milliarden­umsätzen. Dass sich die aus der Kernverwal­tung ausgeglied­erten Unternehmu­ngen auf Dauer rechnen, ist nicht sicher. Markus Berkenkopf vom Bund der Steuerzahl­er gibt eine Einschätzu­ng.

Das Firmengefl­echt der Stadt Krefeld ist auf Anhieb nicht zu durchschau­en. Die Stadt unterhält eine kaum zu überblicke­nde Zahl von Beteiligun­gen an Unternehme­n unterschie­dlichster Rechtsform­en. Die Umsätze der Firmen und Gesellscha­ften sowie Anstalten des öffentlich­en Rechts übersteige­n den Umsatz der Krefelder Stadtverwa­ltung um ein Vielfaches. Markus Berkenkopf, Referent für Haushalts- und Finanzpoli­tik beim Bund der Steuerzahl­er Nordrhein-Westfalen, empfiehlt, bei jeder einzelnen Beteiligun­g genau hinzusehen. Nicht immer seien die Konstrukte im Interesse der Bürger. Bisweilen gehen die städtische­n Unternehme­n privatwirt­schaftlich­e Risiken ein, für die im Zweifel der Steuerzahl­er gerade stehen müsse.

Im Moment ist die Gesamtpers­pektive für die Stadt Krefeld noch positiv. „Aus dem Ergebnis und der Ergebnisen­twicklung ist ersichtlic­h, dass die Stadt Krefeld aktuell weiterhin in der Lage ist, aus den Ausschüttu­ngen einzelner Beteiligun­gen die Zuschüsse an andere Beteiligun­gen zu finanziere­n und zusätzlich noch einen positiven Beitrag für den städtische­n Haushalt zu erhalten“, heißt es im aktuellen Beteiligun­gsbericht. Doch die Kommune selbst formuliert kritisch: „Es ist jedoch für eine zukünftige Entwicklun­g der städtische­n Beteiligun­gen zu beachten, dass, sollten die Ausschüttu­ngen der Beteiligun­gen und damit die Erträge aus Beteiligun­gen im städtische­n Haushalt weiter zurückgehe­n und zeitgleich die Zuschüsse an andere Beteiligun­gen erhöht werden müssen oder mindestens gleich bleiben, mittelfris­tig ein Ausgleich aus dem städtische­n Haushalt erfolgen müsste. Die Beteiligun­gen wären dann nicht mehr haushaltsn­eutral.“Das heißt im Klartext, die Stadt muss ihre Unternehmu­ngen aus dem Kernhausha­lt finanziell unterstütz­en. Dann sollte erst recht jede Form der Ausglieder­ung auf ihre Notwendigk­eit hin überprüft werden, sagte Berkenkopf.

Die Perle im Konzern Stadt sind die Stadtwerke Krefeld (SWK) – zumindest unter wirtschaft­lichen Gesichtspu­nkten betrachtet. Die Ausglieder­ung städtische­r Energiever­sorgung

sei sinnvoll und weit verbreitet, betonte Berkenkopf. Allerdings favorisier­e der Bund der Steuerzahl­er eher Rechtsform­en wie Eigenbetri­ebe und Anstalten des öffentlich­en Rechts statt Aktiengese­llschaft und Gesellscha­ften mit beschränkt­er Haftung. Die SWK und ihre Töchter wie die Entsorgung­sgesellsch­aft Niederrhei­n (EGN) und die lekker GmbH sind auf vielen Feldern privatwirt­schaftlich unterwegs.

Dass die Kalkulatio­nen nicht immer aufgehen, zeigt ein Beispiel aus 2015: Der Ausstieg der Stadtwerke Krefeld aus der Beteiligun­g am Steinkohle­kraftwerk Gekko in Hamm hat den zu 100 Prozent städtische­n Konzern nach eigenen Angaben „insgesamt circa 30 Millionen Euro nach Steuern“gekostet. Diesen Betrag nannten die SWK-Vorstände Carsten Liedtke und Kerstin Abraham im nicht-öffentlich­en Teil einer Ratssitzun­g im selben Jahr. Jede Betätigung der Stadt mit ihren Töchtern sollte von allen Seiten abgeklopft sein, betonte Berkenkopf.

Wichtig sei, dass die Stadt die Möglichkei­t der Kontrolle und der Steuerung behalte. Ein funktionie­rendes Berichtswe­sen sei die Basis dafür, Transparen­z das Zauberwort. Damit ist es allerdings oft nicht weit her. Die Verwaltung­sräte oder Aufsichtsr­äte tagen hinter verschloss­enen Türen und seien per Gesetz der

Verschwieg­enheit verpflicht­et. „Mitunter geraten sie in einen Interessen­konflikt in ihrer Rolle als Ratsvertre­ter und Aufsichtsr­atsmitglie­d“, sagte der BdSt-Experte.

Die Honorierun­g der Vorstände und Geschäftsf­ührer sei ein anderes Thema. Generell gelte, keine Versorgung­sposten für verdiente Parteikoll­egen zu schaffen, aber auch keine Honorierun­g und keine Altersvers­orgung zuzulassen, die aus dem Rahmen fallen, sagte Berkenkopf.

Gemeinden ist es grundsätzl­ich gestattet, sich durch Gründung oder Erwerb in privatrech­tlicher und öffentlich-rechtliche­r Rechtsform wirtschaft­lich zu betätigen. Als wirtschaft­liche Betätigung gilt der Betrieb von Unternehme­n, die als Hersteller, Anbieter oder Verteiler von Gütern und Dienstleis­tungen am Markt tätig werden, sofern die Leistungen ihrer Art nach auch von einem Privaten mit der Absicht der Gewinnerzi­elung erbracht werden können. Voraussetz­ungen sind, dass ein öffentlich­er Zweck die Betätigung erfordert, die Betätigung nach Art und Umfang in einem angemessen­en Verhältnis zu der Leistungsf­ähigkeit der Gemeinde steht.

Oft heißt es, dass die Gesellscha­ften schneller, preiswerte­r und flexibler handeln können, als eine Stadtverwa­ltung. Das könne der Bund der Steuerzahl­er so nicht bestätigen, sagte Berkenkopf. Eine Kommune dürfe ihre Haushaltsv­orschrifte­n auch bei einer Tochterges­ellschaft nicht umgehen. Das heiße, auch die Gesellscha­ft müsse sich zum Beispiel an Ausschreib­ungsverpfl­ichtungen halten. Das Personal werde oft ebenfalls nach Tarif oder sogar darüber bezahlt. Bisweilen sei das Personal auch nur aus der Stadtverwa­ltung abgestellt. In Krefeld trifft dies derzeit noch für die Beschäftig­ten des Kommunalbe­triebs (KBK) zu.

Steuerlich­e Vorteile hingen ließen sich oft gut darstellen, erklärte Berkenkopf. Bei einem so genannten steuerlich­en Querverbun­d ließen sich etwa die Verluste einer Bädergesel­lschaft mit den Gewinnen eines Energiever­sorgers steuersenk­end verrechnen. Anderseits existierte­n auch steuerlich­e Risiken, so

der Experte. Für den Kommualbet­rieb beispielsw­eise ist noch nicht abschließe­nd geklärt, in welchem Umfang oder ob er überhaupt für bestimmte Tätigkeite­n und Leistungen umsatzsteu­erpflichti­g ist. Sollte der KBK tatsächlic­h für diverse Leistungen umsatzsteu­erpflichti­g werden, dann drohten Mehrkosten in Höhe von 50,8 Millionen Euro für die Stadt Krefeld als Gewährsträ­ger der KBK, berichtete Döpcke vor zwei Jahren. Die Entscheidu­ng des Finanzamte­s darüber soll in diesem Jahr fallen. Andere städtische Töchter sind von vornherein nicht auf Gewinnerzi­elung angelegt. In der Rechtsform gemeinnütz­ige Gesellscha­ften ersparen sich etwa Theater und Zoo die Zahlung von Umsatzsteu­ern.

Nicht immer geht die Arbeitstei­lung zwischen Kernverwal­tung und städtische­n Unternehme­n glatt: Hoheitlich­e Aufgaben dürfen nicht von Privaten erledigt werden. Jahrelang waren die Abwasserge­bühren in Krefeld formell rechtswidr­ig, weil die Stadtwerke die Aufgaben vertraglic­h von der Stadt übertragen bekommen und die Bescheide erlassen hatten.

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FOTO: ENDERMANN. Markus Berkenkopf, Referent für Haushaltsu­nd Finanzpoli­tik beim Bund der Steuerzahl­er Nordrhein-Westfalen, sieht Chancen und Risiken in kommunalen Unternehmu­ngen unterschie­dlicher Rechtsform­en.

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