Rheinische Post Krefeld Kempen
Stadt wusste spätestens seit dem 5. Februar von Wahlpanne
Die Entscheidung war Formsache, die politische Diskussion geht weiter. Der Wahlprüfungsausschuss hat erwartungsgemäß nach Aufdeckung einer Panne bei den Briefwahlergebnissen der Kommunalwahl zugestimmt, das Wahlergebnis und damit die Mehrheitsverhältnisse im Rat zu ändern. Die endgültige Entscheidung liegt nun beim Rat. Die politische Diskussion konzentriert sich auf zwei Fragen: Warum hat es bis Anfang März gedauert, bis die Wahlpanne öffentlich gemacht wurde? Und warum wurde ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben, dessen Notwendigkeit sich nicht erschließt?
Zum Zeitablauf wies Kämmerer und Wahlleiter Ulrich Cyprian den Vorwurf zurück, alles habe zu lange gedauert. Die eigentliche Überprüfung habe rund zweieinhalb Monate gedauert, betonte er; der Rest habe mit Fristen und Urlaubsregelungen etwa über Weihnachten zu tun. Cyprian zufolge war der Zeitablauf folgendermaßen:
Nach der Kommunalwahl am 13. September endete die Einspruchsfrist gegen das festgestellte Endergebnis am 16. November. Erst danach begann die Bearbeitung der 30 Einsprüche und Hinweise. „Die Überprüfung erfolgt für die Wahl im Ganzen“, so Cyprian.
Am 5. Februar wurde Cyprian über das Ergebnis informiert, das bekanntlich die Änderung der Sitzverteilung im Rat zur Folge hat. Cyprian hat am 11. Februar mündlich erstmals Oberbürgermeister Frank Meyer das Ergebnis erläutert. Am 16. Februar wurde dann in einer Runde, die Meyer zusammengerufen hatte, beschlossen, ein Rechtsgutachten über das Vorgehen der Stadt einzuholen.
Das Gutachten hat Cyprian am 17. Februar in Auftrag gegeben. Der beauftragte Professor Janbernd Oebbecke (Münster) hat seine achtseitige Expertise am 26. Februar der Stadt vorgelegt – ein Freitag; Cyprian hat Meyer umgehend über das Ergebnis informiert; der informierte dann am Dienstag, 2. März, die Fraktionsspitzen im Rat und die Presse.
Die CDU hat in einem Dringlichkeitsantrag eine Serie von Fragen auf den Weg gebracht; erkennbar ist, dass vor allem das Gutachten für Irritationen sorgt. „Wieso“, heißt es, „wurden im Gutachterauftrag Fragen gestellt, die unter anderem auf ein wenig ausgebildetes Demokratieund Rechtsverständnis schließen lassen?“Gemeint ist, dass Fragen gestellt wurden, die augenscheinlich keiner Klärung bedürfen. So sollte der Gutachter klären, ob die Überprüfung des Wahlergebnisses aufgrund der CDU-Hinweise (gravierende statistische Abweichungen im Wahlbezirk Bismarckviertel) rechtens war und ob das Wahlamt auch nicht angezeigte Fragen hatte überprüfen dürfen. Die Antwort des Gutachters: Prüfgrenzen gebe es lediglich, wenn Wahlergebnisse ohne Anlass noch einmal ausgewertet werden; bei anlassgebundenen Zweifeln gebe es sogar die Pflicht zur Prüfung.
Eine weitere Frage lautete, ob der Oberbürgermeister einen Ratsbeschluss beanstanden müsse, falls der Rat der Empfehlung nicht folgt, das falsche Wahlergebnis zu ändern. Hintergrund: Ein Oberbürgermeister ist zu Beanstandungen verpflichtet, wenn Ratsbeschlüsse rechtswidrig sind. Das gab es in Krefeld zuletzt 2009, als der damalige Oberbürgermeister Gregor Kathstede und seine Stadtdirektorin Beate Zielke einen Ratsbeschluss gegen die Schließung der City-Ambulanz beanstandeten. Zielke handelte in einer rechtlich nicht so leicht überschaubaren Lage ohne Gutachten – und wurde bestätigt.
Nun wurde für ein durch und durch unwahrscheinliches Szenario Rechtsbeistand eines Professors eingeholt: Was tun, wenn der Rat die Änderung des als falsch erkannten Wahlergebnisses ablehnt (und die CDU sich mit einer zu Unrecht bestehenden rot-grünen Mehrheit abfindet)? Die wenig überraschende Antwort im Gutachten: Der Oberbürgermeister müsste einen solchen offensichtlich rechtswidrigen Beschluss natürlich beanstanden.