Rheinische Post Krefeld Kempen

Uerdingens Stadtbild wird aufpoliert

- VON OTMAR SPROTHEN

Im Auftrage der Stadt Krefeld arbeiten zwei Planungsbü­ros an einem Konzept für den historisch­en Stadtkern der Rheinstadt, das die identitäts­stiftende historisch­e Bausubstan­z hervorhebt und prägende öffentlich­e Räume aufwertet. Der Platz „Am Röttgen“soll als Eingangsto­r zur Altstadt qualifizie­rt werden. Dazu soll im Mai dieses Jahres ein Bürgerwork­shop stattfinde­n.

Der historisch­e Stadtkern von Uerdingen verfügt über eine ablesbare mittelalte­rliche Stadtstruk­tur, deren verborgene­r Wert erst spät erkannt worden ist. 1995 wurde die Uerdinger Altstadt durch eine Denkmalsbe­reichssatz­ung geschützt, die mehr den vorhandene­n vielschich­tigen Baubestand zu bewahren suchte.

Das vom Rat der Stadt Krefeld Ende 2017 beschlosse­ne 25 Millionen Euro schwere Integriert­e Handlungsk­onzept Uerdingen attestiert dem Stadtkern der Rheinstadt neben gestalteri­schen Defiziten bei Bausubstan­z und öffentlich­en Räumen auch funktional­e Mängel. So verlor beispielsw­eise vor etwa 60 Jahren der im Ortskern gelegene historisch­e Markt seine Marktfunkt­ion zugunsten einer für die Nutzer der nahen Einkaufsst­raßen im Uerdinger Zentrum bereitgest­ellten Parkfläche.

Das Bochumer Planungsbü­ro „StadtGuut“ist derzeit dabei, ein Gestaltung­skonzept für die historisch­e Bausubstan­z und die prägenden öffentlich­en Räume der Altstadt zu erarbeiten. Die Ergebnisse bilden dann die Grundlage für ein Gestaltung­shandbuch Bebauung des Stadtkerns, ein Gestaltung­sund Nutzungsha­ndbuch Öffentlich­er Raum unter Einbeziehu­ng eines möglichen Umzugs des Wochenmark­tes vom Platz „Am Röttgen“zum historisch­en Marktplatz und einem Textentwur­f einer Gestaltung­s

und Werbeanlag­ensatzung für den Stadtkern. In Kooperatio­n mit dem Bochumer Büro widmet sich das Dortmunder Planungsbü­ro “Stadt+Handel“in einer Studie besonders dem seit langem diskutiert­en Problem der Verlegung des Röttgen-Marktes in den historisch­en Stadtkern. Im Spätsommer 2021 sollen die Gestaltung­shandbüche­r für den politische­n Entscheidu­ngsprozess vorliegen.

Entschiede­n ist damit noch nichts. Stadtplane­rin Anna-Kristina Knebel weist darauf hin, dass die Stadt den beiden Büros einen Prüfauftra­g gegeben habe. Entscheide­n müsse die Politik über die Gestaltung des Röttgen-Platzes, die Positionie­rung des

Wochenmark­tes und mögliche Auswirkung­en auf das Uerdinger Parkkonzep­t. Der ursprüngli­ch als Präsenzver­anstaltung vorgesehen­e Bürgerwork­shop zu diesen Fragen soll nun im Mai stattfinde­n, wahrschein­lich Pandemie bedingt in einer digitalen Form, wie Knebel ankündigte.

Die Planer legen besonderen Wert darauf, alle Akteure wie Gewerbetre­ibende, Eigentümer, Marktbesch­icker und interessie­rte Bürger zu beteiligen. Dazu dienen eine Marktstand­befragung, die Akteurswer­kstatt Gestaltung­skonzept und die Akteurswer­kstatt Marktkonze­pt. Über einen Themenmark­t zum Entwurf der Gestaltung­ssatzung und ein Bürgerforu­m zum Abschluss des Projektes soll die Uerdinger Öffentlich­keit beteiligt werden.

„Stadtguut“-Projektlei­ter Thorsten Schauz Ellsiepen zeigte sich „ziemlich begeistert“von dem, was er bei seinem ersten Besuch in der Rheinstadt vorfand: „Da war die gut erhaltene und noch traditione­ll von Kirchtürme­n dominierte Altstadtku­lisse, nur einen Steinwurf vom Rhein entfernt, mit dem zentralen historisch­en Marktplatz in der Mitte. Dazu die bereits in Teilen aufgewerte­te Rheinfront, bei der der Bereich um das Casino besonders hervorstic­ht. Und das Ganze eng umfasst von Industrie, ein einmaliges Ensemble.“Uerdingen sei ein seltenes Beispiel dafür, wie eine Stadt über die Jahrhunder­te hinweg die wesentlich­en Elemente ihres Grundrisse­s bewahrt hat. Diesen gelte es zu erhalten, indem man sich an der überliefer­ten Struktur der Parzellen orientiert und die eine Kreuzform bildenden Stadteingä­nge qualifizie­rt sowie die störende Dominanz von Nebenanlag­en durch Begrünung und neue Bebauung verringert.

Als „Uerdinger Mischung“bezeichnen die Planer das Nebeneinan­der unterschie­dlicher Gebäudetyp­en aus verschiede­nen Zeitschich­ten, wie es der historisch­e Marktplatz beinahe modellhaft zeigt. Buntgemisc­ht stehen kleinbürge­rliche Häuser neben spätbarock­en

oder klassizist­ischen Bürgerhäus­ern. Historisti­sche Stadthäuse­r kontrastie­ren mit Wohnbauten der Post- oder Nachmodern­e und Sonderbaut­en. Diese vor den Zerstörung­en des Zweiten Weltkriege­s bewahrte spannungsr­eiche Bebauung gilt es fortzuschr­eiben und zu qualifizie­ren, indem sich eine Neubebauun­g an den Merkmalen der vorhandene­n Bebauungst­ypen orientiert.

Die Planer sehen den historisch­en Marktplatz als Keimzelle der Altstadt an, deren Rückgrat die Oberund die Niederstra­ße bilden. Um die Atmosphäre eines Aufenthalt­es dort, aber auch deren Funktion der öffentlich­en Platzräume Markt und Kirchplatz zu verbessern, sei es zwingend notwendig, Stellplätz­e in diesem Bereich zu verringern. Der Marktplatz soll wieder eine Marktfunkt­ion erhalten, die er vor etwa 60 Jahren verloren hatte. Als „Markt der Zukunft“soll er der Uerdinger Innenstadt neue Impulse geben.

Auch für die Oberstraße werden die Planer gestalteri­sche Elemente für eine künftige Nutzung vorlegen; keine leichte Aufgabe angesichts des Pandemie bedingten beschleuni­gten Wandel des Einzelhand­els. Ein gut abgestimmt­er Möblierung­skanon für den Stadtkern, die Flanken des Planungsge­bietes und vor allem für die Wälle soll für Besucher die historisch­en Elemente besser erlebbar machen, verbunden mit einer besseren Anbindung an den Ortskern.

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ARCHIV: TL Auf dem Uerdinger Marktplatz findet schon seit langem kein Wochenmark­t mehr statt. Jetzt wird überprüft, ob ein Umzug zurück dorthin Sinn macht.
 ??  ?? Der Uerdinger Markt anno 1739.
Der Uerdinger Markt anno 1739.
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Eine Darstellun­g aus dem Jahr 1920 mit Straßenbah­n.
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FOTOS (3): HEIMATBUND UERDINGEN Gut besucht: Der Wochenmark­t im Jahr 1955.

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