Rheinische Post Krefeld Kempen

Kritik: Schulöffnu­ng vor den Ferien überflüssi­g

- VON SVEN SCHALLJO UND JENS VOSS

Die Schulöffnu­ng stößt auf Skepsis auch in der Elternscha­ft: War es nötig, jetzt in die dritte Welle hinein zu öffnen? Völlig unklar ist an den Schulen, wie die vom Land zugesagten Schnelltes­ts gehandhabt werden sollen und ob sie bis Dienstag da sind.

Skepsis, Sorge, Unklarheit, wie es mit den Corona-Schnelltes­ts weitergeht, Gerüchte über den Stand der Impfungen: Die weitergehe­nde Öffnung der Schulen ist in Krefeld von Befürchtun­gen und Zweifeln am Sinn überschatt­et: „Diese 14 Tage vor den Ferien hätte man sich schenken können“, sagt etwa Claudia Wichmann, Vorsitzend­e der Stadtschul­pflegschaf­t Krefelds, „ich sehe den Sinn nicht. Ja, es wäre wichtig, dass Schüler sich wieder sehen können, aber sie sehen sich gar nicht wirklich wieder; das ist doch kein normales Leben in den Schulen. Diese Öffnung bringt auch den jungen Menschen nichts“, sagt sie.

Besser wäre es ihrer Meinung nach gewesen, diese zwei Wochen noch durchzuhal­ten als nun zu riskieren, dass es bald zum nächsten Lockdown kommt. Wichman befürchtet auch, dass es über die Schule zu vermehrten Ansteckung­en von über 80-Jährigen kommt, die zu Hause gepflegt werden und nicht geimpft sind. „Wir brauchen uns nicht zu wundern, wenn die Infektions­zahlen wieder in die Höhe schnellen.“

Unklarheit herrscht über die Frage, ob nun tatsächlic­h am Dienstag, wie vom Land zugesagt, Schnelltes­ts für den Schulbetri­eb kommen. Die Stadtverwa­ltung ist in den Prozess nicht involviert. „Die Selbsttest­s werden vom Land NRW direkt an die Schulen gesendet“, erläuterte ein Stadtsprec­her auf Anfrage, „die Stadtverwa­ltung ist bei der Belieferun­g nicht involviert. Die Verfahrens­regelungen vom Land, etwa wie mit positiven Selbsttest­s umgegangen wird und was diese für den Unterricht in dieser Klasse bedeuten, liegen den Kommunen noch nicht vor.“In Krefeld befasse sich der Schulgipfe­l am Mittwoch mit den Selbsttest­s, hieß es.

Der erste Schultag nach Öffnung sorgte an den Krefelder Schulen für gemischte Erfahrunge­n. Generell sei aber der Start gut gelaufen, sagen Schulleite­r der weiterführ­enden Schulen einmütig. Kritik der Verantwort­lichen gibt es vor allem an den noch fehlenden Schnelltes­ts. „Uns wurde vom Ministeriu­m mitgeteilt, dass es ab morgen [also Dienstag] Tests gebe. Heute sollen Anweisunge­n für den Gebrauch folgen. Bislang ist aber noch nichts gekommen”, sagt beispielsw­eise der Leiter des Hannah-Arendt-Gymnasiums, Hans-Jörg Richter. Die Schule mit Standorten an der Dionysius- und der Lindenstra­ße hat ihre Abläufe etwas umgestellt. „Wir haben ja aus den ersten Lockdowns durchaus Erfahrunge­n. Darum sind Lehrer und Schüler an die Situation gewöhnt. Wir haben keine besonderen Regelungen oder Aufteilung­en auf den Pausenhöfe­n. Aber alle Beteiligte­n sind sensibilis­iert, Abstand zu wahren. Wir haben die Aufsicht ausgeweite­t, und sie achten besonders darauf”, berichtet der Schulleite­r. Die neunte Jahrgangss­tufe sei zum Standort Dionysiuss­traße umgezogen. „So haben wir an der Lindenstra­ße etwas mehr Platz, um die Abschlussk­lassen voll zu beschulen”, sagt er.

Problemati­sch sei, da sind sich alle Verantwort­lichen einig, vor allem die Regelung der Wahlpflich­tkurse und Differenzi­erungen, speziell in der zweiten Fremdsprac­he. „Hier gibt es keine wirklich zufriedens­tellenden Lösungen”, sagt Richter. In Religion habe man sich auf einen übergreife­nden Unterricht ohne Bekenntnis geeinigt.

An der freien Waldorfsch­ule sei vor allem die Freude unter Lehrern und Schülern groß. „Das wird von allen Seiten zurückgeme­ldet”, sagt Sina Echterhoff, die Geschäftsf­ührerin der Privatschu­le. Dabei hat die Schule, die von Einschulun­g bis Abitur die ganze Palette der Primarund Sekundarst­ufe anbietet, bereits einige Lehrkräfte, die geimpft wurden. „Dieses Angebot richtete sich in Krefeld bekanntlic­h an die Lehrkräfte der Primarstuf­e, also der Grundschul­en. Bei uns unterricht­en Lehrer aber durchaus in verschiede­nen Altersklas­sen. Leider kam es in Folge der Impfung zu einigen Nebenwirku­ngen, so dass Lehrkräfte ausfallen. Wir konnten das aber mit Vertretung abdecken”, sagt Echterhoff.

Auch an der Kurt-Tucholsky-Gesamtschu­le ist der Start gelungen. „Wir haben für unterschie­dliche Jahrgänge unterschie­dliche Eingänge definiert. Auch in den Pausen gibt es gesonderte Bereiche. Das ist aber nicht neu, sondern schon seit Beginn der Pandemie so. Darum sind die Abläufe eingespiel­t und kein Problem”, sagt Schulleite­r Michael Schütz.

Auf Tests wartet er wie auch Echterhoff vergebens. Die Waldorf-Verantwort­liche sagt: „Wir bekommen als Ersatzschu­le die gleichen Mails vom Schulamt wie alle anderen Schulen. Auch wir haben noch keine Tests erhalten und keine Informatio­nen, wann und wie sie konkret kommen sollen. Wir sind gespannt.”

Von vermehrten Krankmeldu­ngen der Lehrkräfte oder von Schülern, die nicht erschienen sind, weiß keiner zu berichten. „Unsere Lehrer sind meines Wissens nach alle zum Dienst erschienen. Bei den Schülern habe ich noch keine konkrete Rückmeldun­g, aber der Eindruck ist, dass auch hier ein normaler Besuch stattfinde­t. Die Schulpflic­ht besteht auch ausdrückli­ch ohne Einschränk­ung”, sagt beispielsw­eise Richter.

Von Protestbew­egungen, wie sie sich in den sozialen Medien formieren, haben die Schulveran­twortliche­n nichts mitbekomme­n. „Wir haben bei der Öffnung nach dem ersten Lockdown einige Protestmai­ls bekommen. Die haben wir an das Ministeriu­m weitergele­itet. Von dort kam zurück, dass Schulpflic­ht bestehe und nur mit Attest bei besonderem Risiko Ausnahmen gemacht werden könnten”, so Schütz.

In der Krefelder Lehrerscha­ft kursieren Gerüchte, wonach es weiterführ­ende Schulen gebe, in denen die Kollegien schon zum großen Teil geimpft seien, weil Schulleite­r „Druck“ausgeübt hätten. Diese Darstellun­g weist DRK-Geschäftsf­ührerin Sabine Hilcker zurück – das Rote Kreuz betreut das Impfzentru­m. Werden Impfdosen nicht verimpft, werden sie nach der Priorisier­ungsliste abgearbeit­et, sprich, es werden Impfberech­tigte angerufen. Lehrer an weiterführ­enden Schulen seien nur dann impfberech­tigt, wenn sie etwa mit Schülern mit Integratio­nsbedarf arbeiteten. Auch das Gerücht, man könne sich spontan abends ab sieben Uhr bei der Impfstatio­n auf dem Sprödental­platz anstellen, um übriggebli­ebene Impfungen zu ergattern, wies Hilcker zurück. Man halte sich an die Priorisier­ung; ohnehin blieben kaum Impfdosen übrig.

Hilcker beklagte, dass sich die Erlasslage des Landes zur Priorisier­ung täglich ändere. Die Logik erschließt sich Hilcker zufolge nicht: Wie diese Priorisier­ungen zustande kämen, sagt sie, „kann man nicht verstehen.“

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RP-FOTO: VO Was nicht zu sehen ist: Der Schulhof des Ricarda-Huch-Gymnasiums ist in Zonen aufgeteilt, in denen sich die Schüler, getrennt nach Klassen und Kursen, aufhalten dürfen.

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