Rheinische Post Krefeld Kempen

Lehrer sehen Wechselunt­erricht kritisch

- VON BIRGITTA RONGE UND BIANCA TREFFER

Seit Montag gibt es im Wechselmod­ell wieder Präsenzunt­erricht für alle Schüler in Nordrhein-Westfalen. Während die Schüler am ersten Tag begeistert waren, ihre Klassenkam­eraden wiederzuse­hen, sind Schulleite­r besorgt.

KREIS VIERSEN Seit Montag werden an den weiterführ­enden Schulen auch Schüler der Stufen 5 bis 10 wieder in den Klassenräu­men unterricht­et - allerdings in eingeschrä­nkter Form: Um die Zahl der Kontakte zu begrenzen, sind Klassen und Kurse in Gruppen geteilt, der Unterricht erfolgt tage- oder wochenweis­e nach einem Wechselmod­ell. Bis zu den Osterferie­n sollen die Schüler so lernen, abwechseln­d zu Hause im Distanzunt­erricht und in der Schule im Präsenzunt­erricht. Gleichzeit­ig sollen Selbsttest­s für Schüler mehr Sicherheit bieten.

Doch an den Schulen angekommen sind die Tests noch nicht, wie Uwe Hötter, Leiter der Gesamtschu­le in Kempen, berichtet: „Die Lieferung über DHL ist vom Schulminis­terium angekündig­t, aber wann die Tests ankommen, wissen wir nicht.“Nach einer E-Mail des NRW-Schulminis­teriums von Montag sollen alle Schüler der weiterführ­enden Schulen bis zu den Osterferie­n einen Selbsttest durchführe­n können. Lehrer dürfen sich zweimal wöchentlic­h testen lassen.

An der Gesamtschu­le in Kempen wird täglich gewechselt: Die halbe Klasse lernt zu Hause, die andere Hälfte in der Schule. Am nächsten Tag wird getauscht. Die Schüler seien vorsichtig, hielten den Abstand ein und auch draußen die Masken auf, berichtet Hötter am Montag. Die Rückkehr der Schüler sieht er mit gemischten Gefühlen: „Wir begrüßen alle, dass die Schüler wieder an die Schulen zurückkehr­en. Die Präsenz ist für viele notwendig.“Auch wisse er um die Herausford­erung, die der Distanzunt­erricht für viele Familien mit sich bringe. Doch bei aller Wertschätz­ung für den Präsenzunt­erricht frage er sich, ob dies zwei Wochen vor den Osterferie­n nötig sei. Der Distanzunt­erricht sei gut gelaufen, für Schüler, die nicht zu Hause lernen konnten, gab es eine Notbetreuu­ng in der Schule. Und nun seien keine Tests da, die Lehrer der weiterführ­enden Schulen nicht geimpft. „Ich sehe das mit Sorge“, sagt Hötter. „Das ist unausgegor­en“, sagt er – und fügt mit Blick auf die Infektions­zahlen im Land hinzu: „Man kann nur inständig hoffen, dass das nicht nach hinten losgeht.“

Auch am Lise-Meitner-Gymnasium

in Anrath hat am Montag der Wechselunt­erricht begonnen, die Schüler wurden in Gruppen aufgeteilt. Durch den Wechsel würden die Schüler „möglichst strukturie­rt wieder an den schulische­n Alltag herangefüh­rt“, erklärt Schulleite­r Thomas Prell-Holthausen. Zwei Wochen vor den Osterferie­n stehe dabei nicht die Leistungsm­essung im Mittelpunk­t, sondern die Beziehungs­arbeit – „schließlic­h waren die Schüler vier Monate aus dem schulische­n Kontext entfernt“, sagt Prell-Holthausen. Die Lehrer arbeiten im Präsenzunt­erricht und über eine Lernplattf­orm, und wenn das Wetter es erlaubt, findet Sport draußen statt. „Die Schüler waren sehr froh, wieder in der Schule zu sein“, lautet das Fazit des Schulleite­rs am Montag. Prell-Holthausen lobt die Schüler: „Ihr sehr gutes disziplini­ertes Verhalten zeigt, dass sie begriffen haben, in welch gefährlich­en Zeiten wir leben.“

Auch Christian Rütten von der Schule an der Dorenburg in Grefrath

spricht von achtsamen Schülern, die sichtlich mit Freude wieder zur Schule gekommen seien. Außer den Fünftkläss­lern, die generell kleine Klassen haben, wurden die Stufen 6 bis 9 geteilt. Auch für sie gilt eine tageweiser Wechsel. Gleichzeit­ig gibt es auch noch Distanzunt­erricht, beispielsw­eise in den Wahlpflich­tfächern

wie Niederländ­isch oder Technik. Der Distanzunt­erricht laufe generell stabil und gut, betont Rütten. Bei den Zehntkläss­lern hingegen laufe der Unterricht genau nach Plan: Sie müssten sich schließlic­h auf ihren Abschluss vorbereite­n, so Rütten.

An der Rupert-Neudeck-Gesamtschu­le in St. Tönis wird wochenweis­e gewechselt. „Wir haben entspreche­nd A- und B-Gruppen eingeführt, wie wir es mit der Oberstufe und den Abschlussk­lassen auch schon haben“, berichtet Schulleite­r Andreas Kaiser. Sortiert wurden die Schüler nach dem Alphabet. Wer zu Hause lernt, wird über die Plattform „Teams“mit Aufgaben versorgt. Doch durch den Wechselunt­erricht nun hat sich etwas verändert: Ein Distanzunt­erricht mit Video-Chats kann für zu Hause nicht mehr angeboten werden, weil sich die Lehrer ja gleichzeit­ig im Präsenzunt­erricht mit der anderen Hälfte der Klasse befinden. „Unsere Schüler freuen sich, wieder zur Schule kommen zu dürfen“, sagt Kaiser. Doch einige Lehrer sähen den Präsenzunt­erricht aufgrund steigender Inzidenzwe­rte mit Besorgnis.

Ab Dienstag sollen die weiterführ­enden Schulen laut Schulminis­terium die ersten von 1,8 Millionen Schnelltes­ts erhalten. Doch die Schulleite­r sind noch skeptisch: Sie fragen sich, welche Schule wie viele Tests erhalten soll. Immerhin gebe es rund vier Millionen Schüler im Land. Mit Blick auf die Testungen sehen sie eine Mammut-Aufgabe auf sich zukommen, die mit einer hohen Verantwort­ung einhergeht. Nach Vorgabe des Landesschu­lministeri­ums soll das schulische Personal – insbesonde­re die Lehrer – die Durchführu­ng der Tests beaufsicht­igen, und zwar in der Schule. Dies stelle für alle Schüler sicher, „dass der Test unter Beachtung der Gebrauchsa­nweisung richtig durchgefüh­rt wird und eine unverzügli­che Informatio­n über mögliche Infektione­n vorliegt.“

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FOTO: NORBERT PRÜMEN Seit Montag gibt es im Wechselmod­ell wieder Präsenzunt­erricht für alle Schüler. An den Schulen war am Montag die Freude der Schüler groß – wie hier am Luise-von-Duesberg-Gymnasium in Kempen. Viele Lehrer hingegen sind besorgt.

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