Rheinische Post Krefeld Kempen
Lehrer sehen Wechselunterricht kritisch
Seit Montag gibt es im Wechselmodell wieder Präsenzunterricht für alle Schüler in Nordrhein-Westfalen. Während die Schüler am ersten Tag begeistert waren, ihre Klassenkameraden wiederzusehen, sind Schulleiter besorgt.
KREIS VIERSEN Seit Montag werden an den weiterführenden Schulen auch Schüler der Stufen 5 bis 10 wieder in den Klassenräumen unterrichtet - allerdings in eingeschränkter Form: Um die Zahl der Kontakte zu begrenzen, sind Klassen und Kurse in Gruppen geteilt, der Unterricht erfolgt tage- oder wochenweise nach einem Wechselmodell. Bis zu den Osterferien sollen die Schüler so lernen, abwechselnd zu Hause im Distanzunterricht und in der Schule im Präsenzunterricht. Gleichzeitig sollen Selbsttests für Schüler mehr Sicherheit bieten.
Doch an den Schulen angekommen sind die Tests noch nicht, wie Uwe Hötter, Leiter der Gesamtschule in Kempen, berichtet: „Die Lieferung über DHL ist vom Schulministerium angekündigt, aber wann die Tests ankommen, wissen wir nicht.“Nach einer E-Mail des NRW-Schulministeriums von Montag sollen alle Schüler der weiterführenden Schulen bis zu den Osterferien einen Selbsttest durchführen können. Lehrer dürfen sich zweimal wöchentlich testen lassen.
An der Gesamtschule in Kempen wird täglich gewechselt: Die halbe Klasse lernt zu Hause, die andere Hälfte in der Schule. Am nächsten Tag wird getauscht. Die Schüler seien vorsichtig, hielten den Abstand ein und auch draußen die Masken auf, berichtet Hötter am Montag. Die Rückkehr der Schüler sieht er mit gemischten Gefühlen: „Wir begrüßen alle, dass die Schüler wieder an die Schulen zurückkehren. Die Präsenz ist für viele notwendig.“Auch wisse er um die Herausforderung, die der Distanzunterricht für viele Familien mit sich bringe. Doch bei aller Wertschätzung für den Präsenzunterricht frage er sich, ob dies zwei Wochen vor den Osterferien nötig sei. Der Distanzunterricht sei gut gelaufen, für Schüler, die nicht zu Hause lernen konnten, gab es eine Notbetreuung in der Schule. Und nun seien keine Tests da, die Lehrer der weiterführenden Schulen nicht geimpft. „Ich sehe das mit Sorge“, sagt Hötter. „Das ist unausgegoren“, sagt er – und fügt mit Blick auf die Infektionszahlen im Land hinzu: „Man kann nur inständig hoffen, dass das nicht nach hinten losgeht.“
Auch am Lise-Meitner-Gymnasium
in Anrath hat am Montag der Wechselunterricht begonnen, die Schüler wurden in Gruppen aufgeteilt. Durch den Wechsel würden die Schüler „möglichst strukturiert wieder an den schulischen Alltag herangeführt“, erklärt Schulleiter Thomas Prell-Holthausen. Zwei Wochen vor den Osterferien stehe dabei nicht die Leistungsmessung im Mittelpunkt, sondern die Beziehungsarbeit – „schließlich waren die Schüler vier Monate aus dem schulischen Kontext entfernt“, sagt Prell-Holthausen. Die Lehrer arbeiten im Präsenzunterricht und über eine Lernplattform, und wenn das Wetter es erlaubt, findet Sport draußen statt. „Die Schüler waren sehr froh, wieder in der Schule zu sein“, lautet das Fazit des Schulleiters am Montag. Prell-Holthausen lobt die Schüler: „Ihr sehr gutes diszipliniertes Verhalten zeigt, dass sie begriffen haben, in welch gefährlichen Zeiten wir leben.“
Auch Christian Rütten von der Schule an der Dorenburg in Grefrath
spricht von achtsamen Schülern, die sichtlich mit Freude wieder zur Schule gekommen seien. Außer den Fünftklässlern, die generell kleine Klassen haben, wurden die Stufen 6 bis 9 geteilt. Auch für sie gilt eine tageweiser Wechsel. Gleichzeitig gibt es auch noch Distanzunterricht, beispielsweise in den Wahlpflichtfächern
wie Niederländisch oder Technik. Der Distanzunterricht laufe generell stabil und gut, betont Rütten. Bei den Zehntklässlern hingegen laufe der Unterricht genau nach Plan: Sie müssten sich schließlich auf ihren Abschluss vorbereiten, so Rütten.
An der Rupert-Neudeck-Gesamtschule in St. Tönis wird wochenweise gewechselt. „Wir haben entsprechend A- und B-Gruppen eingeführt, wie wir es mit der Oberstufe und den Abschlussklassen auch schon haben“, berichtet Schulleiter Andreas Kaiser. Sortiert wurden die Schüler nach dem Alphabet. Wer zu Hause lernt, wird über die Plattform „Teams“mit Aufgaben versorgt. Doch durch den Wechselunterricht nun hat sich etwas verändert: Ein Distanzunterricht mit Video-Chats kann für zu Hause nicht mehr angeboten werden, weil sich die Lehrer ja gleichzeitig im Präsenzunterricht mit der anderen Hälfte der Klasse befinden. „Unsere Schüler freuen sich, wieder zur Schule kommen zu dürfen“, sagt Kaiser. Doch einige Lehrer sähen den Präsenzunterricht aufgrund steigender Inzidenzwerte mit Besorgnis.
Ab Dienstag sollen die weiterführenden Schulen laut Schulministerium die ersten von 1,8 Millionen Schnelltests erhalten. Doch die Schulleiter sind noch skeptisch: Sie fragen sich, welche Schule wie viele Tests erhalten soll. Immerhin gebe es rund vier Millionen Schüler im Land. Mit Blick auf die Testungen sehen sie eine Mammut-Aufgabe auf sich zukommen, die mit einer hohen Verantwortung einhergeht. Nach Vorgabe des Landesschulministeriums soll das schulische Personal – insbesondere die Lehrer – die Durchführung der Tests beaufsichtigen, und zwar in der Schule. Dies stelle für alle Schüler sicher, „dass der Test unter Beachtung der Gebrauchsanweisung richtig durchgeführt wird und eine unverzügliche Information über mögliche Infektionen vorliegt.“