Rheinische Post Krefeld Kempen

Junge Epileptike­rin will anderen helfen

Nancy Aust hat Epilepsie. Damit sich Betroffene über die Erkrankung austausche­n können, will die 24-Jährige eine Selbsthilf­egruppe gründen.

- VON BIANCA TREFFER

ST. HUBERT Sie reitet, fährt mit den Inlinern oder dem Rad, boxt. Nancy Aust ist eine sehr aktive junge Frau – und daran hindert sie auch ihre Erkrankung nicht. Die 24-Jährige hat Epilepsie. Immer wieder kommt es vor, dass sie einen epileptisc­hen Anfall hat und dann manchmal nicht mehr ansprechba­r ist. Seit ihrer Kindheit hat sie solche Anfälle. Sie häufen sich insbesonde­re dann, wenn neue Lebenssitu­ationen auf sie zukommen.

Als die junge Frau im vergangene­n Oktober in das Betreute Wohnen der Lebenshilf­e im Kreis Viersen in St. Hubert einzog und damit ein für sie völlig neuer Lebensabsc­hnitt begann, verkürzten sich die Abstände zwischen den Anfällen. Sie traten häufiger auf, jeden zweiten Tag hatte Nancy Aust einen Anfall. „Das empfinde ich als wirklich frustriere­nd“, sagt die 24-Jährige. „Es löst auch eine Wut in mir aus. Man kommt sich so hilflos vor.“So kam in ihr der Wunsch auf, sich mit anderen Betroffene­n auszutausc­hen. Sie wandte sie sich an ihre Alltagsbeg­leiterin Nina Beerwerth-Schoenholt­z, die auch das Betreute Wohnen koordinier­t. Und Beerwerth-Schoenholt­z unterstütz­te ihr Vorhaben: Sie kontaktier­te die Selbsthilf­ekontaktst­elle für den Kreis Viersen (BIS) in Brüggen, die bei der Gründung von Selbsthilf­egruppen mit Rat und Tat zur Seite steht.

„Ich finde die Idee einer Gruppe für den Austausch sehr gut“, sagt Beerwerth-Schoenholt­z. „Nancy wirkt auf den ersten Blick total cool und tough. Dahinter verbirgt sich aber ein sehr emotionale­r Mensch. Nancy macht sich über viele Dinge Gedanken. Neue Eindrücke lösen bei ihr Unsicherhe­it aus, was wiederum zu epileptisc­hen Anfällen

führen kann.“Es sei mehr als nur wichtig, sich mit anderen Menschen, die das gleiche Problem haben, zu unterhalte­n – und zu lernen, nicht gegen die Epilepsie anzukämpfe­n, sondern dies als einen Teil zu akzeptiere­n, der zur eigenen Persönlich­keit gehört.

Die Gruppe, die Nancy Aust ins Leben rufen möchte, ist für Menschen mit und ohne Handicap in jedem Alter gedacht. Zunächst war die junge Frau besorgt, dass niemand Interesse an einer solchen Selbsthilf­egruppe haben könnte, doch diese Sorge ist unbegründe­t, wie sie inzwischen weiß: Die ersten Interessie­rten haben sich bereits gemeldet. Corona-bedingt ist ein Treffen derzeit nicht möglich, deshalb gab es bislang

nur Kontakt per E-Mail. Sobald es möglich ist, will Nancy Aust die Treffen gern in den Räumen der Lebenshilf­e stattfinde­n lassen. „Wir haben dafür genügend Möglichkei­ten,

angefangen von Räumen in der Wohnstätte bis hin zur Turnhalle als einem sehr großen Raum“, sagt Beerwerth-Schoenholt­z. Nancy Aust kann sich darüber hinaus vorstellen, dass die Gruppe auch gemeinsame Ausflüge macht – von der Radtour bis zum Zoobesuch.

Bei Nancy Aust sind die epileptisc­hen Anfälle inzwischen seltener geworden. Seit neun Wochen gab es keinen Anfall mehr. Nichtsdest­otrotz liegt der jungen Frau die Gruppe, die den Namen „Epilepsi“trägt, am Herzen. Sie hofft, dass noch mehr Menschen der Gruppe beitreten wollen. Für die Zukunft ist monatlich ein Treffen geplant. Sollte der Bedarf da sein, könnten die Treffen auch häufiger stattfinde­n.

Austausch sei wichtig, sagt Nancy Aust: „Viele kennen auch mögliche Hilfsmitte­l gar nicht.“Sie selbst trägt ein Epi-Care genanntes Gerät: Ihre Mutter hatte im vergangene­n Sommer von einem Signalgerä­t gehört, das einen Notruf auslöst, wenn ein Anfall kommt. Es sieht aus wie eine Uhr und wird auch so getragen. Bei einem Anfall alarmiert das Gerät über das Handy von Aust den einprogram­mierten ersten Partner – in diesem Fall die Notfallbet­reuung der benachbart­en Wohnstätte der Lebenshilf­e. Partner Nummer zwei sind Austs Eltern. „Es kam auch schon mal zu Fehlalarme­n. Aber das ist nicht schlimm, weil ich ja dann ans Handy gehen kann und sagen kann, dass es mir gut geht.“

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(li.) aus St. Hubert hat Epilepsie. Mit anderen Betroffene­n möchte sie eine Selbsthilf­egruppe gründen. Ihre Alltagsbeg­leiterin Nina Beerwerth-Schoenholt­z unterstütz­t sie dabei.
FOTO: PRÜMEN Nancy Aust (li.) aus St. Hubert hat Epilepsie. Mit anderen Betroffene­n möchte sie eine Selbsthilf­egruppe gründen. Ihre Alltagsbeg­leiterin Nina Beerwerth-Schoenholt­z unterstütz­t sie dabei.

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