Rheinische Post Krefeld Kempen

Der vergessene Mittelstan­d

- VON ANTJE HÖNING

Als vor einem Jahr die Schlagbäum­e und Ladengitte­r heruntergi­ngen, machte sich Entsetzen breit. Die Lieferkett­en der Industrie rissen, eine Rezession tiefer als 2009 drohte. Doch es kam anders. Die Schlagbäum­e gingen wieder hoch, die deutsche Industrie erholte sich rasch dank Chinas Auferstehu­ng. Und so fiel die Schrumpfun­g 2020 glimpflich­er aus als zur Finanzkris­e. Auch jetzt sehen die Weisen nicht schwarz. Sie senken zwar ihre Prognose, sind aber zuversicht­lich, dass die Wirtschaft bis zum Jahreswech­sel das Vorkrisenn­iveau erreicht. Das zeigt, wie robust die deutsche Industrie ist. Doch die Wirtschaft ist tief gespalten: Gastronomi­e, Kultur und Teile des Handels blicken weiter in den Abgrund. Es ist zu befürchten, dass es mit Öffnungen weiter nichts wird. Für das Schicksal der Branchen zeigen Weise wie Politik erstaunlic­h wenig Interesse.

Für das Coronaviru­s kann die Politik nichts, für das Management der Pandemie schon. Gerade dem Mittelstan­d schlägt das Versagen der Bundesregi­erung ins Kontor: Während die Hälfte der Briten geimpft ist, schleppt sich die deutsche Kampagne dahin. Dabei würden rasche Impfungen gerade kontaktsta­rken Branchen den Weg aus der Krise weisen. Das Gleiche gilt für eine gute Teststrate­gie. Zudem lässt der Minister, der die Wirtschaft im Namen führt, diese im Stich: Es ist März, und noch immer sind die Dezemberhi­lfen nicht überall angekommen. Stattdesse­n schickt Peter Altmaier Lobeshymne­n zum deutschen Corona-Management an die EU. So geht es nicht. Nur zaghaft fordern die Weisen ein Umsteuern ein, vielleicht weil das Gremium nach dem Ausscheide­n seines Vorsitzend­en zwischen Machtkämpf­en und politische­m Opportunis­mus gefangen ist. Egal ob Politik oder Wissenscha­ft – der Mittelstan­d hat mehr verdient als warme Worte: eine Politik, die ihn die Krise überleben lässt. BERICHT

WIRTSCHAFT FÜRCHTET DIE DRITTE WELLE, WIRTSCHAFT

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