Rheinische Post Krefeld Kempen
„Diese Selbsttests sind nicht kindgerecht“
Für die weiterführenden Schulen sind die Selbsttests für Schüler eine organisatorische Herausforderung. Einige Schulen haben nun die Tests erhalten. Die ersten Eltern haben schon Widerspruch eingelegt. Was das bedeutet.
KREIS VIERSEN Schulleiter im Kreis Viersen warten auf die vom NRW-Schulministerium angekündigten Corona-Selbsttests. Jeder Schüler soll einmal vor den Osterferien freiwillig einen Selbsttest machen können. Doch das Warten auf die Tests, die Organisation der Testungen in der Schule und die Handhabung der Tests selbst sei zum Haare raufen, berichten Schulleiter. Zudem haben die ersten Eltern Widerspruch gegen die Tests eingelegt.
Lieferung Die ersten Schulen im Ostkreis haben am Mittwoch die Pakete mit den Selbsttests erhalten, etwa das Lise-Meitner-Gymnasium in Willich-Anrath und das Michael-Ende-Gymnasium in Tönisvorst. Benedikt Waerder, Leiter des Luise-von-Duesberg-Gymnasiums in Kempen, erhielt am Montag eine Meldung von DHL, in der die Lieferung angekündigt wurde. Seither klickt Waerder auf die Sendungsverfolgung, um in Erfahrung zu bringen, wo sein Paket steckt – bis Mittwochmittag ohne Erfolg. Auch an der Gesamtschule in Kempen, an der Liebfrauenschule in Grefrath-Mülhausen und an der Rupert-Neudeck-Gesamtschule in Tönisvorst warten die Schulleiter noch.
Ablauf Die Schulen haben Pläne für die Testungen gemacht. Am Michael-Ende-Gymnasium etwa sind die Schüler für den Präsenzunterricht im Wechselmodell in zwei Gruppen eingeteilt – die erste Gruppe hat diese Woche Unterricht in der Schule, die zweite in der kommenden Woche. Deshalb sollen die Schüler der ersten Gruppe ab Donnerstagmorgen ihre Tests selbst durchführen können, die Schüler der zweiten Gruppe dann am Montag kommender Woche. In Kempen hofft Schulleiter Waerder, dass die Tests bald geliefert werden, damit sich am Montag und Dienstag kommender Woche die Schüler der Stufen 5 bis 9 und der Einführungsphase (EF) testen können, am Mittwoch die Schüler der Stufen Q1 und Q2. An der Liebfrauenschule denkt Schulleiter Christoph Aretz noch darüber nach, wie der Selbsttest der Schüler am besten durchzuführen ist: „Einige
Kollegen können sich das nicht vorstellen, mit 15 Fünftklässlern in einem Raum die Tests durchzuführen.“Am Lise-Meitner-Gymnasium hat man zwei unterschiedliche Abläufe ersonnen, wie Schulleiter Thomas Prell-Holthausen berichtet – durch Teststraßen in der Leineweberhalle oder in Gruppen im Klassenraum. „Danach entscheiden wir, welches Verfahren sich bewährt hat.“
Handhabung Nach dem Auspacken der Test-Kits ist für Prell-Holthausen klar: „Das ist kein kindgerechter Test.“Insbesondere für jüngere Kinder sei der Test eine Herausforderung. Stäbchen ins erste Nasenloch, drehen, Stäbchen ins andere Nasenloch, drehen, Stäbchen in ein Röhrchen stecken, Röhrchen zusammendrücken, aber nicht zu fest, Stäbchen mindestens zehnmal darin hin und her drehen, Röhrchen verschließen, genau vier Tropfen aus dem Röhrchen auf den Teststreifen aufbringen – „das ist für Erwachsene gedacht“, sagt der Schulleiter, „aber
bei uns sind auch Zehnjährige“.
Widerspruch Gegen den Selbsttest können Eltern ohne Angabe von Gründen Widerspruch einlegen. Am Michael-Ende-Gymnasium gingen bislang rund 50 Widersprüche ein, an der Liebfrauenschule 17, an der Rupert-Neudeck-Gesamtschule fünf, am Luise-von-Duesberg-Gymnasium zwei. An der Gesamtschule in Kempen lag die Zahl am Mittwoch im einstelligen Bereich, Schulleiter Hötter sammelt weitere Widersprüche bis Donnerstag. In einem offenen Brief appellierte Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) an Eltern, die Testungen zu unterstützen und Kinder zu ermuntern, daran teilzunehmen: „Die Selbsttests schaffen Schutz – nicht nur in der Schule, sondern auch für Ihre Familien.“
Konsequenzen Ungetestete Schüler werden nicht vom Präsenzunterricht ausgeschlossen. „Da die Teilnahme an den Testungen auf freiwilliger Basis erfolgt, ergeben sich aus der Verweigerung eines Tests durch eine Schülerin oder einen Schüler keine Konsequenzen. Ich bitte Sie, mit Ihren Lehrkräften in geeigneter Weise darauf hinzuwirken, dass aus der möglichen Nicht-Teilnahme von Schülerinnen und Schüler keine gruppendynamischen Prozesse zu deren Nachteil entstehen. Entsprechendes gilt bei Anzeichen von Irritationen innerhalb der Elternschaft. Vereinbarungen
jedweder Art innerhalb der Schulgemeinschaft zum Umgang mit den Schnelltests sind nicht zulässig“, heißt es aus dem Schulministerium. Dass dann vielleicht infizierte Schüler in der Schule sind, sieht Schulleiter Waerder nicht als Problem, das könne jetzt ohne die Tests auch der Fall sein. Doch wenn nun unter 600 Schülern zehn infizierte seien, und von denen finde man sieben, „dann können sie andere nicht mehr anstecken“, argumentiert Waerder. Schließlich gehe es darum, die Fallzahlen zu senken, „desto leichter können wir zu einer Normalität zurückkehren.“Das sieht Paul Birnbrich, Leiter des Michael-Ende-Gymnasiums, anders: „Wenn ungetestete Schüler weiterhin den Unterricht besuchen, führt das das ganze System ad absurdum. Dadurch haben wir keine Sicherheit.“Andreas Kaiser, Leiter der Rupert-Neudeck-Gesamtschule, sagt: „Mir wäre die österreichische Lösung lieber gewesen: Entweder man wird getestet oder man bleibt zu Hause.“