Rheinische Post Krefeld Kempen
Karla Hattstein – auf dem Weg zur Fotografin
Die 18-jährige Karla Hattstein, die mit Trisomie 21 lebt, ist begeisterte Köchin, aber auch viel im Internet unterwegs: „Ich bin bei TikTok, Instagram, Whatsapp und habe eine eigene Fotoseite.“
Karla hat sich für unser Gespräch die blonden Haarspitzen noch mal blau getönt, sie ist lässig angezogen und zeigt voller Stolz ihre Fotos und Filme. Denn sie ist eifrig im Internet unterwegs: „Ich bin bei TikTok und Instagram und Whatsapp und habe eine eigene Fotoseite“, sagt Karla. Für die Fotos ist sie allein unterwegs: Die 18-Jährige hat ein hohes Maß an Selbstständigkeit erlangt, besucht ihre Freundinnen auf eigene Faust mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder fährt mit dem Rad an schöne Orte zum Fotografieren.
Das Ergebnis: Sie hat beeindruckende Landschaftsaufnahmen gemacht und sie ins Netz gestellt. Da schwebt ein herbstliches, orangefarbenes Blatt vor fast dämmerndem graublauen Himmel; ein goldenes geädertes Blatt ist von Licht beschienen. Oder der Stadtwald entfaltet sich aus neuer Perspektive – am Deuß-Tempel rahmen zwei Säulen symmetrisch die Fotografin ein.
Für diese Aufnahmen radelt Karla an den Rhein oder in einen der Krefelder Parks, mit einem Knopf im Ohr für die passende Musik. Natur und Architektur haben es ihr angetan. Ihre Seite auf jimdo (karla-hattstein.jimdosite.com) hat sie gemeinsam mit ihrem Bruder Moritz erstellt. „Moritz hilft ihr auch bei der Auswahl ihrer Bilder“, sagt ihre Mutter Daniela Hattstein.
Die ausgesuchten Landschaftsfotografien verraten Karlas Begabung für Bildaufbau und das Erfassen der Stimmung. Aber das ist nicht alles, was man von ihr im Netz sehen kann: Voller Schwung und in Bewegung ist sie auf ihren Videos zu sehen. Für TikTok zum Beispiel nimmt sie selber Musikvideos auf. Popsongs mit den typischen Bewegungen, die so ein bißchen an Gebärdensprache erinnern – die Ausdrucksform der medialen Jugend. Estefania, Vanessa May, Marcus & Martinus. Oder sie tritt in immer wieder anderen Klamotten vor die Kamera – und veranstaltet so eine kleine Modenschau. „kalimausi“ heißt ihre Plattform bei TikTok.
Um im richtigen Licht dazustehen, hat Karla in ihrem Zimmer einen Schminkspiegel wie aus einer Theatergarderobe: Lauter Glühlampen um ein Spiegelquadrat herum und auf dem Tisch Rouge und Lippenstift und Eyeliner und Puder. Für Selfies und Videos für Instagram und die anderen Kanäle hat Karla dann noch den richtigen Lichtring und ein Stativ, da zeigt sie sportliche Übungen. Sie ist in diesen Corona-Zeiten immer nachmittags um fünf mit ihren Freundinnen verabredet. Virtuell, versteht sich, zum gemeinsamen Workout.
Was Karla sich vornimmt, hat sie auf einem Stundenplan notiert, der natürlich auch die Schulstunden verzeichnet. Sie besucht seit zwei Jahren die Schule Alte Flur. Der
Schwerpunkt dort ist die Vorbereitung auf das Berufsleben. An Schultagen trifft sie dort auch ihre beste Freundin Cathi, mit der sie als kleines Mädchen schon die Schulbank in Fischeln gedrückt hat.
Gartenbau, Sport, Holzarbeiten und ähnliche Fertigkeiten stehen neben Mathe, Deutsch und Englisch auf dem Lehrplan der Förderschule: „Kochen mag ich am allerliebsten“, sagt Karla. Mit der erfreulichen Konsequenz, dass sie an Tagen mit Home-Schooling das Essen für die Familie zubereitet. Blätterteigtaschen mit Frühlingszwiebeln und Käse hat sie aktuell aufgetischt: „In der Fastenzeit versuchen wir, auf Fleisch zu verzichten.“
Kochen und Fotografieren halten sich bei Karla die Waage, am liebsten möchte sie sich aber beruflich Richtung „Küche“orientieren: „Wenn das nicht geht, werde ich Fotografin“, sagt sie.